ADAC-Sprecher Alexander Kreipl im Gespräch mit den Münchner Wochenanzeigern

„Man kann den Verkehr nicht aus der Stadt verbannen“

Alexander Kreipl ist der verkehrs- und umweltpolitische Sprecher des ADAC Südbayern. „Man sollte sich in der Stadt jede Fahrt mit dem Auto überlegen“, sagt er. „Trotzdem muss natürlich die Wahlmöglichkeit gewährleistet sein.“ 	Foto: pi

Alexander Kreipl ist der verkehrs- und umweltpolitische Sprecher des ADAC Südbayern. „Man sollte sich in der Stadt jede Fahrt mit dem Auto überlegen“, sagt er. „Trotzdem muss natürlich die Wahlmöglichkeit gewährleistet sein.“ Foto: pi

München West · Eine ganze Menge Probleme für die Stadtbezirke bringen die großen Verbindungsstraßen mit sich. Unentbehrlich für den Verkehrsfluss sind sie es, die gewachsene Stadtviertel zerschneiden, wenig Aufenthaltsqualität vorweisen können und durch Lärm und Feinstaub die Lebensqualität der Anwohner deutlich schmälern.

Mitarbeiter der Münchner Wochenanzeiger sprachen mit dem verkehrs- und umweltpolitischen Sprecher des ADAC, Alexander Kreipl, über die Verdi-, die Landsberger- und die Fürstenrieder Straße und die Projekte, die dort angedacht sind bzw. umgesetzt werden.

Münchner Wochenanzeiger: Herr Kreipl, in der Verdistraße soll das Parkverbot gelockert werden. Vorerst für ein Jahr soll das Parken an Samstagen, Sonn- und Feiertagen möglich sein. Man verspricht sich davon auch eine Verkehrsberuhigung. Was halten Sie davon?

Alexander Kreipl: Die Verdistraße ist eine eminent wichtige Verbindung in die Stadt. Sie ist sozusagen die Verlängerung der Stuttgarter Autobahn. Auf alle Fälle muss beobachtet werden, ob diese Maßnahme für den durchlaufenden Verkehr, insbesondere für Busse und LKW geeignet ist. Eine Fahrspur wegzunehmen – und das geschieht durch parkende Autos, halte ich für kritisch. Man schafft einen Flaschenhals, der wiederum Stop and Go produziert. Das heißt auch eine mehrfach erhöhte Emmisionsbelastung.

Münchner Wochenanzeiger: An Sonn- und Feiertagen fließt aber nicht ganz so viel Verkehr durch die Verdistraße. Also auch weniger Stau. Da könnte doch eine Fahrspur reichen.

Alexander Kreipl: Ich sehe es trotzdem kritisch. Am Wochenende sind andere Autofahrer auf der Verdistraße unterwegs als wochentags im Berufsverkehr. Man kann daher nicht ohne Weiteres zu dem Schluss kommen, dass es – falls es am Samstag und Sonntag funktioniert – auch unter der Woche praktikabel wäre. Insgesamt gilt bei solchen Maßnahmen: Man muss den Leuten die Möglichkeit geben, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Es dauert, bis es verinnerlicht wird.

Münchner Wochenanzeiger: Die Nordumgehung Pasing verspricht Entlastung für die Landsberger Straße zwischen Knie und Pasinger Marienplatz. Wie sehen Sie das Projekt?

Alexander Kreipl: Die NUP ist eine politische Entscheidung. Wenn man Stadtteilzentren aufwerten will, muss man sie vom Verkehr befreien und eine adäquate Ersatzlösung schaffen. Wenn die Planung gut umgesetzt wird, kann die NUP eine wirkliche Entlastung bedeuten. Allerdings müssen viele Kleinigkeiten bedacht werden, denn die Realität stellt sich immer anders dar als in der Planung gedacht. Da sind zum Beispiel die Haltemöglichkeiten am Pasinger Bahnhof und zwar auf beiden Seiten. Können sich die Autos, die Fahrgäste über die NUP zum Pasinger Bahnhof bringen, wieder problemlos in den Verkehr einreihen? Gibt es Wendemöglichkeiten? Sind die Lösungen für Taxis und den öffentlichen Nahverkehr im verkehrsberuhigten Teil vor dem alten Bahnhofsgebäude praktikabel?

Münchner Wochenanzeiger: Die Trambahn soll ja bis zum Bahnhof weitergeführt werden.

Alexander Kreipl: Ob das wirklich etwas bringt, wird sich zeigen. Der Bahnhofsvorplatz ist schon durch Busse sehr frequentiert. Vor allem die angedachte Weiterführung der Tram nach Freiham sollte man sich überlegen. Es gibt auch Alternativen zur Trambahn, durch die man nicht so festgelegt ist und auf die man bei Störungen besser reagieren kann.

Münchner WochenanzeigerP: Auch in der Fürstenrieder Straße ist mit der Tram-Westtangente ein großes Trambahnprojekt geplant.

Alexander Kreipl: Muss es unbedingt die Trambahn sein? Man hat in der Fürstenrieder Straße eine sehr gut funktionierende Buslinie. Es gibt zwar temporäre Behinderungen, wenn der Bus stoppt, doch dann läuft der Verkehr wieder.Von der Verkehrsbelastung her sind jeweils drei Fahrspuren auf der Fürstenrieder Straße nötig. Man darf nicht vergessen, dass diese Straße auch eine Verbindung zwischen zwei Autobahnen darstellt.

Münchner Wochenanzeiger: Sie gehören also nicht zu den Trambahnbefürwortern?

Alexander Kreipl: Ich sehe Probleme, wenn jeweils eine Fahrspur wegfällt. Und ob die Zerschneidung des Stadtteils durch die Trambahn besser wird, wage ich zu bezweifeln. Immerhin ist sie ein Verkehrsmittel, das mittig in der Straße läuft und dessen Gleise man nur an bestimmten Stellen überqueren kann. Zudem könnte es ein teures Experiment werden. Zwischen Waldfriedhof und A 96 hat man für viel Geld einen lärmmindernden Belag eingebaut, der müsste dann wieder herausgerissen werden. Auch bei der Zunahme der Fahrgastzahlen, die die Trambahn gegenüber dem Bus für sich in Anspruch nimmt, frage ich mich: Wo kommen die Fahrgäste her? Viele Autofahrer sind es sicher nicht. Möglich, dass Radfahrer und Fußgänger verstärkt auf das Verkehrsmittel umsteigen.

Münchner Wochenanzeiger: Es heißt, dass sich der Verkehr nach Fertigstellung des Tunnels am Luise-Kiesselbach-Platzes verstärkt von der Fürstenrieder Straße auf den Mittleren Ring verlagern wird.

Alexander Kreipl: Man weiß doch noch gar nicht, wie sich der Verkehr dann entwickelt. Man sollte zumindest warten, bis der Tunnel fertig ist und sich dann nochmals die Verkehrsströme anschauen. Ich halte es für äußerst problematisch, die Fürstenrieder Straße aufzureißen, bevor die Baustelle am Luise-Kiesslbachplatz beendet ist. Man schafft damit zwei Propfen dicht nebeneinander. Damit ist das Verkehrschaos schon vorprogrammiert.

Interview: Brigitte Bothen

Artikel vom 16.02.2011
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