Wittelsbacher Platz: Skispaß mit »Ballermann-Charakter«?

Zentrum · »Jetzt ist Schluss!«

Wie auf der Skizze rechts könnte »Snow City« im Februar aussehen. Für Georg Etscheit hat die Veranstaltung »Ballermann-Charakter«.	Foto: scy

Wie auf der Skizze rechts könnte »Snow City« im Februar aussehen. Für Georg Etscheit hat die Veranstaltung »Ballermann-Charakter«. Foto: scy

Zentrum · Werden die deutschen Ski-Asse Maria Riesch und Felix Neureu­ther das ersehnte Gold holen? Daumen drücken heißt es vom 7. bis 20. Februar bei der alpinen Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen. Und wer nicht alleine vor der Glotze hocken mag, geht einfach zum Public Viewing. Geplant ist eine LED-Großbildleinwand am Wittelsbacher Platz. Doch damit nicht genug.

Der Siemens-Konzern, der dort auch seine Zentrale hat, möchte mitten im Herzen der Stadt ein regelrechtes Winter-Spektakel inszenieren – mit kleinen Almhütten, Brotzeit, Glühwein, Skikarussell und einer 40 Meter langen Piste aus Kunstschnee plus Liftanlage. Eine echte Schnee-Gaudi? »Von wegen. Das hat Ballermann-Charakter«, schimpft Georg Etscheit, Vize-Fraktionschef von Bündnis90/Die Grünen im Bezirksausschuss Maxvorstadt (BA 3). Er deutet auf das Bronzedenkmal des Kurfürsten von Bayern, das mitten auf dem Platz thront: »Maximilian I. würde sich im Grabe umdrehen.«

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Darf denn nicht ein bisschen Spaß sein? »Wir sind sicher keine Spielverderber, doch jetzt ist einfach Schluss. Das Ski-Event sprengt jeden Rahmen«, so Etscheit. »Wir sehen mit großer Sorge, dass sich der Wittelsbacher Platz immer mehr zu einem Tummelfeld für Profit- und PR-Interessen eines privaten Konzerns und anderer kommerzieller Unternehmen entwickelt.« Unter anderem schlagen auch der »Hamburger Fischmarkt« und der mittelalterliche Weihnachtsmarkt dort ihre Zelte auf. Nicht zu vergessen das Public Viewing zur Fußball-WM. »Dieser wunderschöne Ort wird mit Events voll gestopft«, wettert Etscheit. Dabei sei der Wittelsbacher Platz ein architektonisches Kleinod. »Europaweit gehört er zu den schönsten klassizistischen Plätzen.«

Großer Unmut regt sich auch bei der Initiative »Brienner Quartier«, die sich für den Erhalt des Viertels engagiert. Mitglied Martin Merhart, der als Verkaufsleiter in einem der umliegenden Geschäfte arbeitet, sagt: »Ich bin es wirklich leid. Ständig werden uns Events vor die Tür gesetzt. Das wäre nun die fünfte Veranstaltung innerhalb von acht Monaten. So geht das einfach nicht mehr weiter.« Nicht nur der historische Platz werde »mittels verrückter und überzogener Aktionen« zerstört, sondern auch die Kundschaft würde abgeschreckt. »Wir haben bereits Umsatzrückgänge«, sagt Merhart.

Was sagt Siemens dazu? »Wir wollen allen Münchnern ein besonderes Wintererlebnis bieten«, so eine Unternehmenssprecherin. Zum Angebot gehören unter anderem kostenlose Ski-Kurse, ein Ski-Kindergarten für die Kleinen, Live-Events und Apres-Ski. »Zudem will Siemens zeigen, dass Groß­events wie die Ski-WM nachhaltig gestaltet werden müssen. Wie das machbar ist, können sich die Besucher in einem Ausstellungs-Iglu ansehen.« Auch bei der geplanten »Snow-City« am Wittelsbacher Platz werde Nachhaltigkeit groß geschrieben. Der Schnee werde beispielsweise mit einer der weltweit modernsten Schneemaschinen direkt vor Ort produziert. »Ohne chemische und biologische Zusätze«, bekräftigt die Sprecherin. Der dafür nötige Strom werde ausschließlich aus regenerativen Quellen erzeugt.

»Siemens kommt nur vorderhand grün und nachhaltig daher«, kritisiert hingegen Gregor Etscheit. Auch »grüner« Strom sei ein knappes und wertvolles Gut und sollte nicht vergeudet werden. »Eine künstliche Skipiste mitten in einer Großstadt mutet uns ähnlich absurd an wie eine Skihalle in einem Wüstenstaat. Wir haben doch die schönsten Berge vor der Haustür. Man sollte dann Ski fahren, wenn Schnee liegt.«

Die Siemens-Pläne wurden dem Kreisverwaltungsreferat (KVR) vorgelegt. Ob das Ski-Event genehmigt wird, soll sich bis Ende dieser Woche entscheiden. »Es müssen sämtliche Stellungnahmen aller Fachstellen eingeholt werden«, sagt KVR-Sprecherin Daniela Schlegel. Sollte grünes Licht gegeben werden, heißt es Bahn frei für Skifahrer, Rodler und Snowboarder. »Fragt sich nur, wie dieses Ereignis dann noch zu toppen ist«, so Etscheit. »Soll vielleicht demnächst die Maximilianstraße geflutet und zur künstlichen Eisbahn erklärt werden?« Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 18.01.2011
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