Neues Stück der Ayinger Gmoa-Kultur kommt auf die Bühne

Aying · »Ihr habt Pardon«

Marcus Everding (M.) mit Michl Wöllinger und Christel Altenweger will bei der Aufführung von »Ihr habt Pardon« nichts dem Zufall überlassen.	Foto: mst

Marcus Everding (M.) mit Michl Wöllinger und Christel Altenweger will bei der Aufführung von »Ihr habt Pardon« nichts dem Zufall überlassen. Foto: mst

Aying · Nichts für schwache Nerven ist die Aufführung des Anti-Kriegsstücks »Ihr habt Pardon« aus der Feder von Marcus Everding in Zusammenarbeit mit Laiendarstellern der Ayinger Gmoa-Kultur. In dieser Woche wird am 22. Januar der Große Saal im Wirtshaus »Zur Post« …

…in Großhelfendorf Schauplatz von Ereignissen, die im Dezember 1705 in der Landeshauptstadt München stattgefunden und sich seitdem im Gedächtnis der Nachwelt unter dem schaurigen Namen »Sendlinger Mordweihnacht« eingeprägt haben. Mit der Aufführung setzen die Laienschauspieler ihre erfolgreiche Zusammenarbeit mit Everding, der auch die Carl-Orff-Festspiele auf Kloster Andechs leitet, fort. Begonnen hat die Kooperation zwischen dem Regisseur und der Ayinger Gmoa-Kultur 2004, als in Großhelfendorf erstmals die »St.-Emmeram-Festspiele« aufgeführt wurden.

Nahezu das gesamte Gemeindegebiet war an den Arbeiten beteiligt, zahlreiche Ayinger traten in diesem Stück auf. Mit überwältigendem Erfolg: 2004, 2005, 2007 und 2009 gab es weitere aufwändig inszenierte Aufführungen unter der Federführung Everdings. Bei dem aktuellen Stück wirken 17 Darsteller aus dem Gemeindegebiet mit. Seit Herbst 2010 wird intensiv geprobt. »Alle sind voller Elan und mit Leidenschaft dabei«, freut sich der Vereinsvorsitzender Michl Wöllinger.“ Ein lautes und lärmendes Spektakel mit Kulissenblut, Gewehrfeuer, Kanonensalven und allerlei Gemetzel ist allerdings nicht die Sache des Theatermachers und Sohnes des legendären Regisseurs und Intendanten August Everding. Es geht ihm vielmehr darum, die Grauen des Krieges in aller Stille aufzuzeigen und sie als ein »Produkt der Mächtigen« im Kopf der Zuschauer entstehen zu lassen.

»Die Aufführung ist ganz bewusst nicht historisch gehalten. Es wäre lächerlich, so etwas darstellen zu wollen«, erläuterte Everding bei einem Pressegespräch in Großhelfendorf. Zu sehen sein werden vielmehr Menschen mit Anzug und Krawatte, Nachrichtensprecher, und Bäuerinnen und Bauern, die in der landesüblichen Tracht gekleidet sind. Mit modernen Mitteln soll der tragische Aufstand von damals inszeniert werden, vor allem auf der Ebene der Schilderung will sich Everding bewegen. Denn die Vorstellung vom »Gerechten Krieg«, so die Überzeugung des Regisseurs, ist vor allem eines: ein sich hartnäckig haltender, allgegenwärtiger Mythos.

Und eine Lüge, die auch in Zeiten von Internet-Attacken, Cyber-Kriegen und islamistischen Terroranschlägen gerne herangezogen und kultiviert wird: »Insofern hat sich nichts geändert. Ob die Menschen mit Schwert und Sense brandschatzen oder per Knopfdruck Bombenabwürfe getätigt werden – stets geht es den Verantwortlichen um Rechtfertigung.«

Leiden und sterben freilich müssen dann andere – das Fußvolk, diejenigen, die ganz unten auf der gesellschaftlichen Skala stehen. Everding geizt nicht mit historischen Vergleichen, man spürt förmlich die Wut, die ihn bei dem Thema beherrscht: Die Schlacht von Stalingrad 1942/1943 etwa, eines der größten Massaker der Geschichte, schildert er, habe Millionen Menschen das Leben gekostet, während sich »der Vollidiot aus Braunau« in Berlin bequem in seinen Sessel zurückgelehnt habe.

250 Jahre früher war es nicht sehr viel anders, wenn auch die technischen Mittel für das »Kriegshandwerk« längst noch nicht so ausgetüftelt waren. Angesichts der Fülle des Stoffs lohnt ein detaillierter Blick auf den historischen Hintergrund: 1702 marschierten die kaiserlichen Truppen aus Österreich in Bayern ein. »Ab diesem Zeitpunkt war die bayerische Bevölkerung Plünderungen und Grausamkeiten der Feinde ausgesetzt, die französischen und die eigenen Truppen verhielten sich kaum freundlicher«, schildert Everding. Die vom Kaiser zur Verwaltung Bayerns eingesetzte Administration musste den Notwendigkeiten der kaiserlichen Befehle folgen. Obwohl man die Nöte sah, konnte man die Bevölkerung nicht schützen. Die Leidtragenden war die bäuerliche Bevölkerung, wie Everding weiter erläutert: »Jedes Maß übersteigende Disziplinlosigkeiten, Exzesse und Vergewaltigungen durch die Soldaten, überhöhte Steuern, Plünderungen und der daraus entstandene wirtschaftliche Niedergang peinigten die Menschen.«

Als die kaiserliche Armee im Sommer 1705 in Norditalien und Ungarn weitere Truppen benötigte, zwangen die Österreicher die bayerischen Burschen mit Gewalt in den Dienst – weil die üblichen Werbemethoden nicht wirkten: »Die meisten jungen Männer entzogen sich durch Flucht«, erläutert Everding. »Daraufhin begann ein wüstes Kesseltreiben, die Bauernburschen wurden gefangen und auf Wagen gefesselt und verschleppt.«

Man mutete der Jugend des Landes zu, auf der Seite des Feindes, also gegen das eigene Land zu kämpfen. Gegen diese Zwangsrekrutierung rotteten sich Bauernsöhne und Knechte in der Oberpfalz, im Rottal, bei Ebersberg, im Isarwinkel und um Traunstein zusammen, bedrohten die Regierungskommissionen und Ämter, befreiten gefangene Rekruten wieder.

Die Aufständischen, die zum großen Teil den sogenannten bayerischen »Landfahnen« angehörten, schlossen diese zur sogenannten »Landesdefension« zusammen. Daraus entwickelte sich eine regelrechte Aufstandsbewegung. Ihren Höhepunkt erreichten die dramatischen Ereignisse in eben jener »Sendlinger Mordweihnacht«: Die Sendlinger Mordweihnacht war eine militärische Auseinandersetzung in der Nacht zum 25. Dezember 1705 in Sendling, in der bayerische Aufständische von kaiserlichen Truppen des Habsburgers Joseph I. besiegt und völlig aufgerieben wurden.

Die kaiserlichen Truppen töteten dabei einen Teil der Aufständischen, die sich bereits ergeben und die Waffen niedergelegt hatten. »Daraus erklärt sich auch der mit bitterer Ironie ausgeladene Titel der Aufführung: ›Ihr habt Pardon!‹ soll den Aufständischen von österreichischer Seite zugerufen worden sein. Ein Trick, um sie zur Aufgabe zu bewegen, was sie denn auch taten. Genutzt hat es nichts: Brutal gemeuchelt wurden die Bauern, mindestens 1100 Menschen starben. Elf von ihnen kamen aus Aying.« All das Grauen wird still und leise auf der Bühne in Großhelfendorf aufgeführt werden – so wie die Kriegsbilder, die über die Bildschirme der Nachrichtensender rieseln.

Karten für die Aufführungen, die unter die Haut gehen, gibt es im Vorverkauf für 18 und an der Abendkasse für 20 Euro. Sie können im Brauereigasthof Aying oder unter der Telefonnummer 07 00 / 25 25 00 25 erworben werden. Oder im Internet unter karten@ayinger-gmoa-kultur.de, Beginn der Veranstaltung ist jeweils um 20.00 Uhr. mst

Artikel vom 11.01.2011
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