Ein Kapitän voller Leidenschaft und Liebe zum Spiel

München · Juliens Erfolgsformel: Happy wife, happy life

Stéphane Julien will seine Eishockeykarriere beim EHC München beenden.  Foto: Rabuser

Stéphane Julien will seine Eishockeykarriere beim EHC München beenden. Foto: Rabuser

München · Pat Cortina war gerade auf dem Weg zurück in sein Büro. Er passierte die Stelle hinter der Zeitnahme in der Olympia-Eishalle. Da wo die Journalisten nach den Spielen auf die Spieler warten, um sie mit ihren Fragen zu löchern. Als der gut gelaunte Cortina nach rechts blickte, verfinsterte sich seine Miene kurz. »Buchi, zieh dir was an. Du wirst krank«, knurrte der Coach. Denn da stand Martin Buchwieser, der zuvor beim 6:4-Erfolg im Derby über Nürnberg zweimal getroffen hatte, umringt von Fragestellern, bekleidet nur mit einem gelben Handtuch um die Hüften und Adiletten. Zwei Minuten später kam Christian Winkler vorbei. »Buchi, das ist nicht gut. Zieh dir was an«, raunte er im Vorbeigehen.

Von Jan Lüdeke

Buchwieser, der Jungnationalspieler, sagte nur kleinlaut »Sorry«. Erst als auch Co-Trainer Maurizio Mansi kam, die Stirn in Falten gelegt, und auch auf den 21-jährigen Angreifer einwirkte, bewegte sich dieser in Richtung Kabine.

Jugendlicher Leichtsinn bei Buchwieser? Altersweisheit bei Kapitän Stéphane Julien? Der kam erst einige Minuten später, vermummt in einen schwarzen Mantel, mit Mütze auf dem Kopf. Und dann redete er über seine Vertragsverlängerung. »Ich werde meine Karriere beim EHC München beenden. Ich werde meiner Familie nicht nochmal einen Umzug zumuten.« Frau und Kinder fühlen sich pudelwohl in der bayrischen Landeshauptstadt. Juliens Erfolgsformel ist ganz leicht: »Happy wife, happy life« – glückliche Ehefrau, glückliches Leben. Und auch der Verein ist überglücklich. Er kann seinen Leader Nummer eins behalten, verliert nicht wie nach der Aufstiegssaison seine Häuptlinge – damals gingen ja Andi Raubal und Chris Bahen.

Julien war in den letzten Wochen einer der auffälligsten Spieler beim EHC. Das ist nichts Neues, das ist eigentlich schon seit Beginn der Saison so. Bewundernswert ist es aber, mit welcher Kontinuität der Franko-Kanadier Energieleistungen abruft – im Alter von 36 Jahren, er ist der älteste Spieler im Münchner Kader. Wieder ist die Formel ganz einfach: »Das ist die Liebe zum Spiel.« Liebe, die man braucht. Denn: »Wenn du mit 36 keine Leidenschaft mehr hast, dann kannst du gleich aufhören.« Julien sprach dann auch über das Wochenende. 0:1 hatte der EHC am Freitag in Hamburg verloren, nach »einem der besten Auswärtsspiele der gesamten Saison« (Christian Winkler). »Wir haben Hamburg dominiert, hätten einen Sieg verdient gehabt«, fand Julien, der selbst die tragische Figur der Partie gewesen war. Bei einem Schussversuch zerbrach sein Schläger, Hamburg kam in Puckbesitz, griff an – zwei Leute gegen einen Julien ohne Kelle. »Sowas passiert im Eishockey. Da kann man nichts machen.«

Am Sonntag hingegen sagte der Verteidiger: »Wir haben nicht verdient zu gewinnen, haben viele zu viele Fehler gemacht.« Aber auch sowas passiert eben im Eishockey. »Heute hat uns der Hockey-Gott geholfen. Er hat uns gegeben, was er uns am Freitag genommen hat«, meinte dazu Cortina. Für den Headcoach war es wichtig, sein Team im letzten Heimspiel des Jahres gewinnen zu sehen. »Die Jungs wollten mit einem Sieg auf den Christkindlmarkt gehen«, scherzte Cortina, der jedoch wie Julien darauf hinwies, dass der EHC vor den Feiertagen noch einmal ranmuss. Am Donnerstag, 23. Dezember, geht es nach Iserlohn. Die Roosters sind als Tabellenzehnter ein Team, das die Münchner schlagen müssen, wollen sie sich bis zum Saisonende auf den (Pre-)Playoff-Rängen halten. Julien weiß: »Es wird ein Kampf bis zum letzten Spieltag. Das war die letzten Jahre in der DEL immer so. Wir müssen zusehen, dass wir nicht zu viele Spiele in Serie verlieren.«

Ein Sieg in Iserlohn einen Tag vor Heiligabend wäre ein schönes Geschenk, denn leicht ist die Weihnachtszeit nicht für Eishockey-Profis. »Das ist jedes Jahr hart, weil wir weiter trainieren und spielen müssen«, sagt Julien. An Heiligabend wird es im Hause des Kapitäns typisches Essen aus Québec geben. Truthahn und eine traditionelle Fleischpastete mit Kartoffeln – Energienahrung über die Feiertage. Pat Cortina wird sogar selber hinter dem Herd stehen. »Es wird was Einfaches geben. Ein bisschen Pasta, ein bisschen Fisch.« Und einen Chef in Kochschürze? »Nein, eher mit dem EHC-Champions-2010-Shirt«, grinste Cortina zum Ende des erfolgreichsten Jahres der EHC-Geschichte.

Artikel vom 20.12.2010
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