Münchner SamstagsBlatt-Da schau her! „Albrecht Ackerland allein zuhaus”

München · Thema der Woche: Einsame Weihnachten

Es war ein Graus, jahrelang: An Weihnachten allein sein. So war ich also, nachdem es langsam seltsam wurde, immer noch das Fest bei den Eltern zu verbringen, ein weihnachtlicher Vagabund. Und bin's bis heute. Ich stand zum Glück nie vor der grauenvollen Tatsache, nicht zu wissen, wo hin mit mir an diesem bedeutungsschweren Tag. I

Ich habe Schwester hier, Cousine dort, Onkel sowieso, Tanten en masse. Aber irgendwann reicht's im Leben ja dann auch mit Familienschwere. Der Mensch will sein eigener sein. Die Zeit tat ihr Übriges, und so kam es, dass ich nicht maria­undjosefgleich um Unterschlupf bitten musste – ich wurde eingeladen an Heiligabend, und zwar vielfach. Schon steht der Mensch vor einem neuen Problem: Wem gewährt er nun die Audienz? Keinem – doch wieder allein zu Hause, was ja durchaus seinen Reiz hat, das Radioprogramm ist nicht das Schlechteste. Oder allen – die Vereinigung der Taxifahrer reibt sich die Hände; die nämlichen ich mir auch, weil es saukalt ist, und mir schon wieder keiner die erhofften Handschuhe geschenkt hat? Das klare Nein erklärt sich von selbst. So heißt es Aussuchen. Ein wahrer Luxus, der mir schließlich auch zu viel wurde. Seitdem feiere ich daheim. Komme wer wolle.

Weitere Artikel zum Thema

Wenn ich – und damit ist immer zu rechnen – dann doch allein vor meinem Baumerl sitze, dann fühle ich gar die größtanzunehmende Ruhe. Ich habe ja alle Möglichkeiten bewusst nicht genutzt, das Fest in trauter Runde zu verbringen. Und keinem ist es übelzunehmen, dass er sein Gefüge verlässt, nur um mir Starrschädel Gesellschaft zu leisten, womöglich gar noch aus Sorge, ich könnte mir etwas antun, schließlich bringt sich jeder um, der an diesem Abend allein sein muss, so weiß es der Volksglaube. Purer Schwachsinn.

Ich hatte es also schon mehrmals, in diesen bedeutsamen Stunden allein zu sein; ich genoss es – und litt im Hinter­stüberl doch sehr mit jenen, die auch gerade allein waren. Allein waren mussten. Weil Streit herrschte, oder gar keiner mehr da war, mit dem es sich überhaupt streiten ließ. Weil Streit eine wichtige Komponente des Weihnachtsfestes ist, möchte ich mir in diesem Jahr ein kunterbuntes Völkchen in meinem Wohnzimmer zusammenmischen. Und falls es zum Streit kommt: Hat jeder was davon. Und danach zünden wir gemeinsam eine Kerze an.

Artikel vom 16.12.2010
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...