Die geistig behinderte Sabine Münch arbeitet im hpca in Oberschleißheim

Oberschleißheim · Kunst aus dem Bauch

Stolze Künstlerin – Für ihre Kaltnadelradierungen wurde Sabine Münch, die seit 15 Jahren im Atelier hpca arbeitet, für den EUWARD nominiert.	Foto: au

Stolze Künstlerin – Für ihre Kaltnadelradierungen wurde Sabine Münch, die seit 15 Jahren im Atelier hpca arbeitet, für den EUWARD nominiert. Foto: au

Oberschleißheim · Wenn Sabine Münch anfängt zu arbeiten, dann kann es schon mal passieren, dass sie die Welt um sich vergisst. Stundenlang kratzt sie dann mit einer Nadel kleine Striche und Punkte in eine Acrylplatte, bis sich diese allmählich zu den Schuppen eines Fisches oder den Federn eines Vogels zusammenfügen.

Münch ist Künstlerin und hat mit der Technik der Kaltnadelradierung einen Weg gefunden nicht nur ihr Talent, sondern vor allem ihre Emotionen zum Ausdruck zu bringen. Emotionen, die sie sonst vielleicht nicht zeigen könnte, denn die 47-Jährige ist nicht nur Künstlerin, sondern auch geistig behindert.

Seit 15 Jahren arbeitet sie im Atelier hpca, der Kunstwerkstatt im Heilpädagogischen Centrum Augustinum in Oberschleißheim. Hier werden geistig behinderte Erwachsene mit einer außergewöhnlichen künstlerischen Begabung gefördert. Für ihre Werke wurde die Künstlerin Münch schon mehrfach ausgezeichnet. Ihr jüngster Erfolg: die Nominierung für den fünften EUWARD, der am Donnerstag, 18. November, im Haus der Kunst verliehen wurde. Der EUWARD ist der erste europäische Kunstpreis für Malerei und Grafik von Künstlern mit geistiger Behinderung.

Durch den Preis soll dem Werk von geistig behinderten Menschen ein Forum in der Gesellschaft geboten werden. Er wurde durch die Münchner Augustinum Stiftung ins Leben gerufen und 2000 erstmals verliehen. Mittlerweile ist der EUWARD fest in der Kulturlandschaft etabliert. »Mit rund 500 Bewerbern aus 24 verschiedenen Ländern, war die Beteiligung in diesem Jahr so groß wie noch nie«, erzählt Klaus Mecherlein, Kurator des EUWARD und Leiter des Ateliers hpca. Aus den eingegangenen Bewerbungen wählte eine Jury aus Fachleuten die besten Arbeiten aus. Die Preisträger sind in diesem Jahr Annemarie Delleg aus Italien sowie Peter Kappeler und Sigrid Reingruber aus Österreich. Ihre Arbeiten werden gemeinsam mit den Werken der anderen 24 Nominierten im Haus der Kunst ausgestellt.

Von Sabine Münch ist eine Reihe mit Fisch-Motiven zu sehen. Dass gerade diese Bilder ausgewählt wurden, macht sie besonders stolz. »Fische mache ich nämlich besonders gerne«, erklärt sie. »Das sind so schöne Tiere.« An der Technik Kaltnadelradierung gefällt ihr vor allem die meditative Art der Arbeit: »Das ist so schön ruhig«, sagt sie. Hat sie sich einmal ein Konzept überlegt, dann kann sie diesem folgen ohne weiter nachzudenken. »Das ist ein wichtiger Aspekt für Sabine«, bestätigt hpca-Mitarbeiterin Eva Teltschik, die sie künstlerisch begleitet.

Das Leben von Menschen mit geistiger Behinderung sei oft sehr anstrengend und der Alltag eine große Herausforderung. Die Kunst gebe hier Sicherheit und helfe, die Eindrücke des Tages zu verarbeiten. Das zeige sich auch in der Herangehensweise an die Kunst. Teltschik: »Die Werke entstehen aus dem Bauch heraus. Erfahrungen und Erlebnisse werden direkt umgesetzt, ohne auf theoretische Aspekte wie Farbgestaltung zu achten. Dabei entsteht oft Unerwartetes«.

Wer sich selbst einen Eindruck der Werke verschaffen möchte, der hat dazu ab sofort die Gelegenheit. Die Werke sind bis Sonntag, 9. Januar 2011, im Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1, ausgestellt. Sara Austen

Artikel vom 23.11.2010
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