„Unser Chor singt jede Popgruppe mit Verstärker an die Wand – aber ohne Verstärker“

München · Meet and Greet – Münchner SamstagsBlatt-Leser treffen Wanja Hlibka

Wanja Hlibka hat unter Serge Jaroff im Don Kosaken Chor gesungen, den er heute dirigiert und leitet.  Foto: VA

Wanja Hlibka hat unter Serge Jaroff im Don Kosaken Chor gesungen, den er heute dirigiert und leitet. Foto: VA

München · Es mag ja so einige Don Kosaken Chöre geben, die rund um die Weihnachtszeit in und um München Konzerte geben. Doch tatsächlich gibt es nur ein Original: der Don Kosaken Chor Serge Jaroff Chor unter der Leitung von Wanja Hlibka seit 1991 und in den Anfangsjahren von George Tymczenko unterstützt.

Beide waren bis zum legendären letzten Konzert 1979 in Paris Solisten der Don Kosaken unter Serge Jaroff. Jaroff hat in Moskau Kirchenmusik studiert und sich in besonderem Maße der sakralen Musik gewidmet. Diese Tradition ausdrucksstarker liturgischer Gesänge pflegt das heutige Ensemble weiter: mit sakralen Gesängen aus der russisch-orthodoxen Kirche, bekannten und beliebten russischen Volksweisen und klassischen Chorwerken. Und das erfolgreich in jährlich 280 bis 300 Konzerten in ganz Europa und im Frühjahr 2011 auch in Korea. Am 14. Dezember tritt der Chor in München auf, im Herkulessaal. In der Isarmetropole hat Wanja Hlibkas Karriere im Don Kosaken Chor auch seinen Anfang genommen...

Weitere Informationen finden sich auch unter www.don-kosaken-solisten.de.

Münchner SamstagsBlatt: Was waren denn Ihre ersten Berührungspunkte mit den Don Kosaken?

Wanja Hlibka: Ich war vom ersten Moment an begeistert als ich die erste Aufnahme des Chors gehört habe auf Schallplatte, 1965, mit 17 Jahren. Aber eigentlich lag es am Irrtum meiner Mutter, die dachte, dass mein Vater bei den Don Kosaken singt. Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater ist Russe, der in der Nachkriegszeit in Petershausen gewohnt hat. Dadurch bin ich auf den Chor aufmerksam geworden und ins Konzert gelaufen, damals im Deutschen Museum. Ich hatte ein Foto meines Vaters dabei und hab dann die Sänger verglichen. Da war aber keiner dabei, der so ausgeschaut hat. Dann ging ich zur Garderobe, wo die Sänger Autogramme gaben, darunter der beste Solist im Chor, George Tymczenko. Dem hab ich das Foto gezeigt und ihn gefragt, ob er den Mann kennt. Und das tat er, weil seine Mutter mit meinem Vater in einem Ukrainer Theater gesungen hat. Aber Mitglied in Jaroffs Don Kosaken Chor war mein Vater niemals. Trotzdem habe ich weitere Konzerte besucht in München und bin mit Tymczenko in Kontakt geblieben.

Münchner SamstagsBlatt: Und wie begann dann Ihre Chor-Karriere?

Wanja Hlibka: Irgendwann hab ich ihn gefragt, ob es eine Möglichkeit gibt, im Chor mitzusingen. Ich war begabt und hatte Privatunterricht. Dann hab ich vorgesungen bei Jaroff: Der war begeistert, dass ein 19-Jähriger so eine gute Stimme hat, aber er meinte, dass der Chorgesang für meine Tenorstimme schädlich sei und ich doch lieber Operngesang machen soll. Da hab ich erwidert, dass ich nichts anderes vorhabe als in diesem Chor zu singen, und wenn er meint, dass ich dazu fähig bin... – damit war ich drin!

Münchner SamstagsBlatt: Sie heißen ja eigentlich Hans...?

Wanja Hlibka: Serge Jaroff hat mich als Jüngsten im Chor dann Wanja genannt, kleiner Hans.

Münchner SamstagsBlatt: Was unterscheidet Ihren Chor von den anderen Don Kosaken Chören?

Wanja Hlibka: Das ist der Urchor! Die anderen Kosakenchöre sind weit nach dem von Jaroff entstanden. Er hat ihn nach der russischen Revolution 1919 in türkischer Gefangenschaft gegründet. Alle anderen Chöre, die sich jetzt so nennen, sind nach dem Ende des Originalchores 1979 entstanden, durch geschäftstüchtige Agenten. Das hat uns so geärgert, Tymczenko und mir..., dass wir beschlossen haben, weiterzumachen. Tymczenko wohnt übrigens in München, ist schon über 80 und der letzte der Originalbesetzung, der noch lebt. Wir hatten ja die Originalnoten und wollten entgegensteuern, damit das Publikum und die jungen Menschen nicht ein ganz falsches Bild bekommen vom Original – der Gesamtklang der anderen Chöre reicht nicht annähernd daran heran, das ist einfach nur ein Abklatsch. Unsere Stärke ist auch, dass wir das Programm immer wieder verändern. Ein paar Ohrwürmer wie „Kalinka“ müssen dabei sein, aber wir singen Kirchengesänge, die die wenigsten Menschen kennen, und klassische Stücke.

Münchner SamstagsBlatt: Was ist denn das über 90-jährige Erfolgsgeheimnis des Chores?

Wanja Hlibka: Es liegt sicher an den Arrangements von Jaroff und der Interpretation. Der Chor klingt nicht wie ein normaler Männerchor, bei dem alle Stimmen ungefähr gleich stark sind. Bei Jaroff liegt das Hauptthema nicht immer bei der ersten Stimme, wie die erste Violine im Chor, also etwa beim ersten Tenors, sondern das Hauptthema wird mal verlagert auf Bariton oder auf die Bässe. Und das ergibt so eine Art Sing-Malerei, die findet man in keinem anderen Chor. Und auch die immensen Stimmunterschiede, also extrem hoher Gesang und extrem tiefe Bässe – das macht den Chor zu einer Seltenheit in unseren Breiten.

Münchner SamstagsBlatt: Gibt es eine bestimmte Gesangstechnik?

Wanja Hlibka: Ein wesentlicher Fakt, der den Chor ausmacht, ist, dass er nur aus Solisten besteht: Opernsolisten, keine Choristen mit kleineren, dünneren Stimmen, sondern mit vollen, ausdrucksstarken Stimmen. Da kommt schon eine Riesengewalt raus, wenn wir Forte singen... Wir singen ja immer ohne Mikrofon, auch in den größten Sälen. Da schmettern wir durch fast wie eine Popgruppe! So sind wir mal verglichen worden: Unser Chor singt jede Popgruppe mit Verstärker an die Wand, aber halt ohne Verstärker...

Von Michaela Schmid

Artikel vom 11.11.2010
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