Bürger fordern Erhalt des Gartenstadtcharakters

Harlaching · Zukunft des Stadtviertels

Harlaching · Sie haben Angst vor der Zerstörung des Gartenstadtcharakters in der Menterschwaige sowie in Alt-Harlaching und vor einer nicht mehr rückgängig zu machenden Abrissflut alter Anwesen im Kutschergeviert der Untergiesinger Birkenau: die beiden sich abzeich­nenden stadt-strukturellen Dammbrüche innerhalb gewachsener Ensembles treibt derzeit auch die Bürger in Untergiesing und Harlaching heftig um.

Sorge um die Zukunft des Viertels

Über 300 Menschen aus dem Stadtteil hatten sich in der prall gefüllten Sporthalle an der Säbener Straße versammelt. Heiß liefen auch die Stenostifte der städtischen Mitarbeiter rund um die nicht immer souveräne Versammlungsleiterin und Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD), die eine ganze Flut von Anträgen und Anfragen zu bewältigen hatten. 32 Bürger meldeten sich an diesem Abend zu Wort – ebenso ungewöhnlich: mehr als die Hälfte der Anwesenden hatte den Fokus auf die Birkenau und vor allem auf die umstrittenen Planspiele in Harlachings historischen Kernquartieren gerichtet. Übrigens auch der örtliche Bezirksausschuss: im engen Schulterschluss mit den Bürgern und mit deutlicher Kritik an architektonischen Auswüchsen vor Ort stellte sich Untergiesing-Harlachings BA-Vorsitzender Thomas Schwindel (CSU) auch im Namen seines gesamten Gremiums hinter die Protestbewegung.

Kritik am Planungsreferat

Freudlos für die Bürger freilich musste zwangsläufig der Auftritt einer hochkarätigen Stadtvertreterin anmuten. Ulrike Klar in ihrer Funktion als stellvertretende Leiterin des Planungsreferates musste sich harsche Vorwürfe der Bürger anhören. Sie beteuerte allerdings, die Verantwortlichen dieser Misere und einer immer liberaleren Auslegung der Bauvorschriften säßen beim Gesetzgeber im fernen Berlin. Man selbst sei nur ausführendes Organ und an Vorgaben gebunden.

Ein Einwurf, den die Bürger so nicht gelten lassen wollten. Sie richteten in einer Vielzahl an Wortmeldungen den Blick besonders auf eine Neubaumaßnahme an der Harthauser Straße 87. »Hier ist ein Dammbruch vollzogen und ein klarer Präzedenzfall geschaffen worden«, rügten die Bürger mit Blick auf das Projekt. »Warum hat die Stadt hier den Bau eines vierstöckigen Hauses genehmigt und über den Vorbescheid noch nicht einmal die Bürger informiert?«, wollten Thomas Ollech oder Johannnes Stöckl wissen. »Der Stil Altharlachings ist wohl nicht mehr zu erhalten durch diese viel zu starke Überbauung«, ergänzte Gattin Alexandra Stöckl.

Wie viele andere der Beschwerdeführer lebt sie seit Jahrzehnten in der Gartenstadt und sieht die Felle städtebaulich davon schwimmen. »Welche Familie soll sich zudem eine solch neue 500.000 Euro-Zweizimmerwohnung leisten können?«, rügte sich auch die Preisentwicklung deutlichst. Ollech und Stöckl forderten im Chor mit anderen einen Stopp: es gelte, einen umfassenden Bebauungsplan für Harlaching aufzustellen und für die Dauer der Vorbereitung eine strikte Veränderungssperre durchzusetzen. Zudem sollten die Bürger künftig frühzeitig und umfassend informiert werden. Die Reaktion bei den Stadtvorderen war an diesem Abend überschaubar. Bei einem Vorbescheid wie an der Harthauser Straße müssen die Nachbarn gar nicht informiert werden, argumentierte Strobl und verteidigte die eigene, sparsame Öffentlichkeitsarbeit der Stadtreferate.

Fehlende Handlungsspielräume

Ulrike Klar verwies vor allem auf Zuständigkeiten anderswo und eigene, fehlende Handlungsspielräume. So sei die Kubatur bei Neubauanträgen entscheidend, nicht die Anzahl der Geschoßflächen. »Mit der Gartenstadtsatzung haben wir früher immerhin 21 Prozent der städtischen Flächen vor einschneidenden Veränderungen schützen können«, so die Planungsvertreterin. »Doch diese Möglichkeiten der Stadt hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof inzwischen gekippt«. Anstelle dessen sei die Baupolitik durch Bund und Freistaat in immer stärkerem Maße liberalisiert worden.

H. Hettich

Artikel vom 03.11.2010
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