Johann Baier wurde die Kultur-Bezirksmedaille verliehen

Haidhausen · Historiker mit Herz

Johann Baier (li.) bei der Überreichung der Medaille und Urkunde durch Bezirkstagspräsident Josef Mederer.	Foto: Bezirkstag

Johann Baier (li.) bei der Überreichung der Medaille und Urkunde durch Bezirkstagspräsident Josef Mederer. Foto: Bezirkstag

Haidhausen · Er kennt jede Straße, jeden Platz, unzählige Geschichten. Und viele kennen ihn im Viertel. Johann Baier ist seit vielen Jahren eine feste Größe in Haidhausen, nicht nur was den kulturellen, sondern auch was den sozialen Bereich anbelangt. Jetzt hat sein Engagement auch Anerkennung von offizieller Seite erfahren:

Ihm wurde am 12. Oktober vom Bezirkstagspräsidenten Josef Mederer die Bezirksmedaille im Bereich Kultur verliehen. Johann Baier bescheiden: »Man macht halt so seine Arbeit, und dann kommt so was. Das freut einen natürlich schon.« Seine ganze Familie, Frau, Kinder, Enkelkinder waren an seinem großen Tag in der Prinzregentenstraße mit dabei.

Bezirkstagspräsident Josef Mederer konnte in seiner Laudatio in die Vollen greifen, denn über Johann Baier gibt es wirklich viel Berichtenswertes zu erzählen. Beginnend mit der Stadtteilgeschichte: Speziell wenn es um die in Haidhausen geht, ist Johann Baier ein »wandelndes Buch«. Das Wandeln ist dabei auch wörtlich zu verstehen. Denn in seinem Stadtviertel ist der ehemalige Gymnasiallehrer mit viel Neugierde und Interesse unterwegs. Auf seine Entdeckungsreisen nimmt er gern und oft andere mit: Seit 2006 führt er nahezu an jedem Wochenende Schüler, Erwachsene, Institutionen und Vereine zu unterschiedlichen Themen durch »sein« Haidhausen.

Doch dazu gibt es eine Vorgeschichte. Schon in der Zeit von 1996 bis 2002 hatte sich Johann Baier für sein Viertel als parteiloses Bezirksausschuss-Mitglied des Bezirks Au-Haidhausen eingesetzt. Mit Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2001 konnte er sein Engagement dann noch intensivieren. Kurz danach übernahm er das wichtige Amt des 1. Vorsitzenden der »Freunde Haidhausens«. Für den seit 1977 bestehenden Verein bedeutete das eine Wiederbelebung und Neuausrichtung. Lokaler Bezugspunkt des Vereins wurde das Üblacker-Häusl in der Preysingstraße – ein typisches Herbergshäuschen, wie sie im 18. und 19. Jahrhundert für Tagelöhner errichtet wurden. Heute werden dort Ausstellungen zur Stadtgeschichte und Werke unterschiedlichster Künstler gezeigt. Dazu kommen Lesungen, Vorträge und musikalische Veranstaltungen wie der von Johann Baier moderierte Hoagartn.

Um die Entwicklung des Dorfs Haidhausen zum Stadtteil zu erforschen und zu dokumentieren, hat Johann Baier in jahrzehntelanger Arbeit Material zusammengetragen. Darunter rund 1.500 historische Postkartenansichten sowie eine Sammlung von Stadtplänen der vergangenen 400 Jahre. Darauf greifen Historiker und auch die Stadt München gern zurück.

Unlängst half ein Plan von 1806 bei der Vorbereitung der aktuellen Isar-Renaturierung, weil er den ursprünglichen Verlauf der Isar durch München zeigte. Viele der Sammlungsstücke flossen in die zahlreichen Ausstellungen ein, die Johann Baier im Üblackerhäusl oder im Landtag organisiert hat. Es ist vor allem die Sozialgeschichte von Haidhausen, mit der sich Johann Baier beschäftigt. Das zeigen auch zwei seiner Buchveröffentlichungen: ein Standardwerk zum Herbergswesen im früheren Haidhausen mit dem Titel »Armut, Not und Hoffnung am Rande einer Stadt. Haidhausen im Jahrhundert der Cholera-Epidemien« und die Festschrift »65 Jahre Katholischer Deutscher Frauenbund«, in der er sich mit 150 Jahren Maiandacht in Haidhausen befasst. Darüber hinaus bereichert er seit 25 Jahren als Posaunist zwei Blasorchester mit sakraler und bayerischer Musik.

Zum kulturellen und historischen Engagement kam aber bei Johann Baier schon immer der Wunsch, Benachteiligte zu unterstützen. Bezirkstagspräsident Josef Mederer: »Das Soziale war Herrn Baier bereits in seinem Berufsleben ein Anliegen. Als Lehrer am Städtischen Adolf-Weber-Gymnasium kümmerte er sich ab 1978 zusammen mit seinen Kollegen um den integrativen Unterricht für blinde, mehrfach und schwerstbehinderte Schüler – das Modell war damals einzigartig und wegweisend in Deutschland. Als Mitglied im Pfarrgemeinderat von St. Johann Baptist begründete er vor 30 Jahren die Nachbarschaftshilfe in Form eines Besuchsdienstes für alte und gebrechliche Gemeindemitglieder.«

Haidhausen hat ihm viel zu verdanken

Soziale Aspekte wollte Johann Baier auch für die weitere Entwicklung des Viertels berücksichtigt wissen: Auf sein Betreiben wurden 2003 die Vereinssatzungen der »Freunde Haidhausens« so verändert, dass auch die Belange von Menschen mit Behinderung berücksichtigt wurden – für einen Stadtteilverein eher ungewöhnlich. Das »Miteinander« ist ihm wichtig, alle will er einbeziehen. So konnte er örtliche Einzelhandelsgeschäfte dafür gewinnen, sich für ihr eigenes Viertel zu engagieren. Besondere Höhepunkte für die Haidhausener waren das Aufstellen von Maibäumen am Wiener Platz, der 150. Jahrestag der Eingemeindung 2004 und die 1200-Jahr-Feier 2008. Zur Verleihung der Medaille gab es einen kleinen Wermutstropfen für Johann Baier: sein Freund, Dr. Ingo Glass, Kustos, also Kurator, des Üblackerhäusls konnte nicht dabei sein. Der Grund: Die Lifttüren des Bezirksgebäudes in der Prinzregentenstraße waren für dessen elektrischen Rollstuhl nicht passierbar. Vielleicht sollte Johann Baier seine sozialen Aktivitäten auch noch in Richtung Bogenhausen ausdehnen? Gabriele Heigl

Artikel vom 19.10.2010
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