Gemeinde erwägt »Sicherheitswacht« gegen Jugend-Randale

Haar · »Jetzt ist Schluss!«

Jugendliche in Haar machen der Polizei durch Trinkgelage und Randale Probleme. Jetzt sollen Bürger die Beamten bei Kontrollgängen unterstützen.	Foto: Schunk

Jugendliche in Haar machen der Polizei durch Trinkgelage und Randale Probleme. Jetzt sollen Bürger die Beamten bei Kontrollgängen unterstützen. Foto: Schunk

Haar · Bürger und Gemeindeverwaltung haben mit vielen Jugendlichen ein Problem, ja sogar ein massives Problem. »Ich bin entsetzt, bin nicht gewillt, jeden Sommer dieses Theater mitzumachen, die machen rundum alles kaputt, wir müssen jetzt Kante zeigen!«

Bürgermeister Helmut Dworzak, ansonsten ein Mann der gemäßigten Worte, sah sich im Gemeinderat veranlasst, ja genötigt, Klartext zu sprechen. Diverse »Saufgelage« der jungen Leute hatten in der Vergangenheit Folgen: Lärmbelästigungen, Sachbeschädigungen, Beschimpfungen, Verwüstungen. Eindringlich mahnte Dworzak: »Wir dürfen die Sache nicht laufen lassen«. Als Fazit lag den Bürgervertretern ein Beschlussvorschlag auf dem Tisch: Ein Antrag auf einen kommunalen Sicherheitsdienst bei der Polizei – eine Art freiwillige Hilfspolizei, eine so genannte Sicherheitswacht, also ehrenamtlich fungierende Bürger, die Kontrollgänge machen. Beschlossen wurde die Initiative indes noch nicht, zunächst soll der Leiter der Polizeiinspektion 27 Haar, Karl-Heinz Schilling, gehört werden.

»Die Probleme sind da, wir müssen den Versuch wagen, Erfahrungen sammeln«, mahnte der Gemeindechef die Bürgervertreter. Dworzak führte Beispiele an: Dutzende Bierflaschen lagen wild verstreut in einer Anlage, im Sportpark sind nach einem Wochenende »bis zu 20 Hausmeisterstunden angefallen, um vom Rasen Scherben einzusammeln«. Und dies, obwohl in der Nähe wohnende Mitarbeiter der Gemeinde gegen 0.30 Uhr die Lage geprüft hatten, das »Trink-Treffen« aber erst gegen 3.30 Uhr losgegangen war.

SPD-Fraktionschef Alfons Meindl pflichtete Dworzak bei: »Wir sind es den Bürgern schuldig, dass wir aktiv werden, wir dürfen die Vorgänge nicht ignorieren«. Wie dagegen vorzugehen ist, darüber wurde sich das Plenum nicht einig. Klarheit bestand, dass eine »Sicherheitswacht neben der Polizei die zweitbeste Lösung« ist. CSU-Fraktionssprecher Thomas Reichel stellte den Nutzen einer Sicherheitswacht in Frage, fand den gesamten Komplex »ein bisschen übertrieben«. Cherin Sakkal (SPD) wertete: »Es ist unmöglich, geradezu peinlich, dass im ganzen Sommer Bürger belästigt werden und keine Polizei hinfährt«.

Ein bei der Beratung anwesender Bürger meinte aus Erfahrung: »Die Burschen lassen nicht mit sich reden, werden sofort aggressiv«. Woran die Lokalpolitiker dachten, aber nicht wagten, es auszusprechen, fasste der Bürgermeister in einem Satz zusammen: »Ich habe vor nichts mehr Angst als vor einer Bürgerwehr!« Verständlich, dass beim Begriff Sicherheitswacht an einstige bewaffnete Garden gedacht wird. Dabei hat eine Sicherheitswacht rein gar nichts mit ­einer Bürgerwehr gemein.

Bayernweit werden in 64 Gemeinden derartige Gruppen mit knapp 600 ehrenamtlichen Mitarbeitern eingesetzt. Die Personen tragen keine Uniform, haben aber an der Brust ein Kennschild »Sicherheitswacht« und eine hellgrüne Ärmelschleife, beziehungsweise einen blauen Blouson mit entsprechender Kennzeichnung. Zur Eigensicherung hat der »Ordnungsdienst« Reizstoffsprühgeräte, die Ehrenamtlichen sind per Funkgerät direkt mit der Polizei in Kontakt.

Die Stadt Freising beginnt im Oktober mit Schulungen für eine eigene Sicherheitswacht, die bereits bestanden hatte, aber wegen personeller Veränderungen eingestellt worden war. 20 Personen, davon gut die Hälfte Frauen, meist zwischen 45 und 50 Jahre alt, sollen beispielsweise an Spielplätzen, wo ältere Jugendliche schon »auffällig« geworden sind, in Zweiergruppen nach dem Rechten schauen – nach einem von der dortigen Polizei erstellten »groben Einsatzplan ohne exakte Einsatzzeiten«. Auch in Rosenheim gibt es seit August eine Sicherheitswacht, und zwar neben einem städtischen Ordnungs- sowie einem Sicherheitsdienst. Die Haarer Gemeindeverwaltung erachtet es als »positiv, dass bei einem Sicherheitsdienst die Mithilfe aus den Reihen der Bürger kommt, die die konkreten Problemfelder sehr genau kennen und zum Teil auch die Klientel«.

Klar ist, dass die Kommune zwar die Initiative ergreift, »alles ­Weitere aber dann von der Polizeiinspektion geregelt wird«. Die muss die Maßnahme mit dem Polizeipräsidium München und dem Innenministerium abstimmen. Die Kosten – Helfer erhalten eine Aufwandsentschädigung von 7,16 Euro in der Stunde – trägt das Ministerium. Sollten der Gemeinderat und die nachfolgenden Behörden das Projekt demnächst absegnen, kommt es zur Nagelprobe: Melden sich zu den Aufrufen Bürger für eine Sicherheitswacht? ikb

Artikel vom 12.10.2010
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...