»Elterninitiative Krebskranke Kinder« ist 25 Jahre alt

Schwabing · Diagnose Albtraum

Christa Sauer und Hans Kiel von der »Elterninitiative Krebskranke Kinder« helfen Betroffenen. Im Oktober feiert der Verein 25-jähriges Bestehen.	Foto: ko

Christa Sauer und Hans Kiel von der »Elterninitiative Krebskranke Kinder« helfen Betroffenen. Im Oktober feiert der Verein 25-jähriges Bestehen. Foto: ko

München/Schwabing · »Ihr Kind hat Krebs« ist eine Diagnose, deren Ausmaß sich nicht betroffene Eltern nicht vorstellen können. »Wie im Albtraum« hat sich etwa Christa Sauer im Jahr 2003 gefühlt, als sie den Krebsbefund ihrer damals sechs Jahre alten Tochter Franziska erfahren hat.

Geholfen hat ihr der Schwabinger Verein »Elterninitiative Krebskranke Kinder« der jetzt im Oktober sein 25-jähriges Bestehen feiert. »Ich bin ein halbes Jahr lang komplett neben mir gestanden«, beschreibt Vorstandsmitglied der Elterninitiative, Christa Sauer, die Zeit, als ihre Tochter gegen den Weichteiltumor, der sich in der Armbeuge gebildet hatte, behandelt wurde. Das Mädchen, gerade in die erste Klasse gekommen, musste die Schule sofort wieder verlassen. Weil die Infektionsgefahr einfach zu groß sei, sagt die Mutter. Und weil die Kinder zu schwach werden, um in den Unterricht zu gehen, »das schaffen sie nicht mehr«.

Zirka ein Jahr lang hat die Kleine Chemoblöcke, vier Tage Bestrahlung, drei Wochen dazwischen zu Hause, über sich ergehen lassen müssen. Blumentöpfe wurden aus der Wohnung verbannt, deren Erde ebenfalls Infekte hätte hervorrufen können. Die Nahrung musste umgestellt werden, denn Krebserkrankte dürfen nur möglichst keimarme Lebensmittel zu sich nehmen. Ein klein wenig den Alltag aufrecht erhalten, das sei damals das Wichtigste gewesen, erinnert sich Christa Sauer.

»Sobald der Arzt sagt, Ihr Kind hat Krebs, verändert sich dein Leben in einer Sekunde um 100 Prozent und wird nie wieder das alte«, sagt Hans Kiel, Vorsitzender der Elterninitiative. Während Christa Sauer den Alltag mit ihrer kranken Tochter schildert, hält er sich zurück und ist sichtlich bewegt. Seine Tochter ist 1997 an einem Gehirntumor gestorben. Seit damals ist er auch Mitglied in der Elterninitiative, von der er im Krankenhaus erfahren hat.

Der Verein arbeitet eng mit dem Schwabinger Krankenhaus zusammen, für stationär behandelte krebskranke Kinder gibt es dort ein Spielzimmer. Computer, Spiele, Fernseher dort stammen aus dem Budget der Elterninitiative, die dort auch etwa Bastelnachmittage oder ein regelmäßiges Breznfrühstück veranstaltet.

Der Verein kümmert sich auch um die Eltern. Regelmäßige Treffen wie in einer Selbsthilfegruppe finden aber nicht statt. Denn Betroffene wollen vor allem bei ihrem kranken Kind sein. »Entweder du bist in der Klinik oder du bist froh, wenn du mal nirgends hinfahren musst«, sagt Kiel. Für Treffen mit anderen Betroffenen bleibt keine Zeit – und wohl auch keine Kraft. Oft müsse auch gar nicht viel geredet werden, erklärt Kiel: »Mein Kind hat Krebs.« – »Meins auch«, reiche aus. »Dann ist man gefühlsmäßig schon beieinander.«

Die Elterninitiative ist Träger der klinikunabhängigen Anlaufstelle »KONA«, Koordination und Nachsorge. Hier wird etwa Eltern geholfen, deren Kind gestorben ist. Geschwister bekommen Unterstützung, wenn sie durch die Krebserkrankung ihrer Schwester oder ihres Bruders zum Beispiel selber Probleme in der Schule haben. Und es gibt auch viele psychosoziale Angebote, denn der Bedarf endet nicht gleichzeitig mit der Akuttherapie in Sachen Krebs. Es kann oft auch ein paar Jahre dauern bis Hilfe nötig wird.

Auch Christa Sauers Tochter Franziska stellt jetzt erst viele Fragen zu ihrer Krankheit und wie das damals alles so war. Die heute 13-Jährige, bei der der Krebs gestoppt ist, verarbeitet so aktuell ein Stück weit ihre Krankheit. Schon früher wurde laut Christa Sauer »ganz normal« mit der Sechsjährigen über den Krebs gesprochen. Jetzt ist Franziskas Krankheit wieder regelmäßig Thema im Hause Sauer. Die Mutter kann heute trotzdem wieder lachen, nicht zuletzt aufgrund ihrer Arbeit für die Elterninitiative. Das Wichtigste ist jedoch: »So lange es meinem Kind gut geht, geht es mir auch gut.«

Auch Hans Kiel zieht Kraft aus der Vereinsarbeit. »Es wäre albern zu sagen, ich mache das aus rein altruistischen Gründen, ich helfe mir auch selber und das ist in Ordnung.« Trotzdem helfen er und seine Mitstreiter selbstverständlich auch anderen. Denn die Mitglieder der Elterninitiative wissen genau, wie die Hilfesuchenden sich fühlen. »Daher können wir anderen den Weg zeigen.« Der Tod seiner Tochter sollte laut Kiel wenigstens aus diesem Grund nicht umsonst gewesen sein.

Der Verein hat 340 Mitglieder, zur Feier zum 25-jährigen Jubiläum am kommenden Sonntag, 10. Oktober, haben sich bereits 200 Gäste angemeldet. Unter ihnen sind neben Mitgliedern der Elterninitiative auch Ärzte, Sozialpädagogen, Therapeuten und Sponsoren.

Interessierte sind herzlich willkommen, in der Hirschau im Englischen Garten, Gyßlingstraße 15, ab 10.10 Uhr mitzufeiern. Anmeldung erbeten unter Telefon 53 40 26. Kirsten Ossoinig

Weitere Informationen zur »Elterninitiative Krebskranke Kinder«, Belgradstraße 34, gibt es auch im Internet unter www.krebs-bei-kindern.de.

Spenden können auf das Konto der Elterninitiative bei der Hypovereinsbank München, Kontonummer 2440040, BLZ 700 202 70 eingezahlt werden.

Artikel vom 05.10.2010
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