Besonderes Unterrichtsprojekt an Poinger Realschule

Poing · Start auf neuem Weg

»Herzlich willkommen!« Rektor Matthias Wabner hat am Dienstag die allerersten Schüler der neuen Realschule in den Übergangscontainern begrüßt.	Foto: cs

»Herzlich willkommen!« Rektor Matthias Wabner hat am Dienstag die allerersten Schüler der neuen Realschule in den Übergangscontainern begrüßt. Foto: cs

Poing · Die Sommerferien waren diesmal kurz für den Deutsch- und Erdkundelehrer Matthias Wabner. Nach nur vierzehn Tagen Urlaub mit Frau und den beiden Kleinkindern im heimischen Wasserburg wirbelt der erste Rektor der Realschule Poing nun schon seit Wochen über die Baustelle an der Seerosenstraße, gleich neben Volks- und Förderschule.

Er fühlt sich mehr als »Verwalter des Chaos«, wie er sagt, denn als Schulleiter. Anfang August wurden dort die schneeweißen Container aufgestellt, in denen die vier Klassenzimmer und die Verwaltungsräume für die nagelneue Schule vorläufig untergebracht sind. In zwei Jahren wird die junge Schulfamilie dann in den auf dem Nachbargrundstück entstehenden Neubau umziehen. Mit einer kleinen Feier in der Turnhalle der benachbarten Volksschule haben die 90 Gründungsschüler mit ihren Lehrkräften am Dienstag diesen besonderen Auftakt begangen. Die Anwesenheit von Landrat, Bürgermeister und Ministerialbeauftragtem bei dem Festakt dürfte die 60 Fünft- und 30 Sechstklässler dabei weniger beeindruckt haben als anschließend die hochmoderne Einrichtung der blütenweißen Klassenzimmer mit den beeindruckenden, »Whiteboard« genannten, Computertafeln anstelle der früheren, blassgrünen Schultafeln mit Kreide und Schwamm.

Die neue Realschule ist – trotz der schlichten einstöckigen Containerbauweise – eine in jeder Hinsicht privilegierte Einrichtung. So wurde für Poing als einem von nur 16 Standorten in ganz Bayern ein Kooperationsmodell mit der Hauptschule genehmigt. Kultusminister Ludwig Spaenle hat dieses Modell als »Meilenstein in der bayerischen Schulgeschichte« bezeichnet, als dieses von der schwarz-gelben Staatsregierung vor einem guten Jahr aus der Taufe gehoben wurde. Es soll die Durchlässigkeit zwischen Real- und Hauptschulen verbessern. »Das bedeutet Zusammenarbeit auf vielen Feldern, wobei jeder Schultyp seine Eigenständigkeit behält«, erklärt Rektor Wabner. Vorgesehen sind beispielsweise eine gemeinschaftliche Nachmittagsbetreuung oder gemeinsame Wahlfächer wie Erste Hilfe oder »Lernen lernen«. »Hauptschüler können gezielt auf einen Übertritt in die Realschule vorbereitet werden«, so Wabner. Die Zusammenarbeit unter den Pädagogen klappe jetzt schon hervorragend, lobt der Neue auf dem Poinger Schulgelände. Mit Simone Fleischmann, der Kollegin von der Volksschule, habe man die Gründung von Arbeitsgruppen vereinbart.

Privilegiert wird die neue Realschule auch bei den Klassen- und Gruppenstärken sein. Wabner: »Obwohl die Schule erst Jahr für Jahr von unten nach oben wächst, dürfen wir von Anfang an alle Fächer anbieten. Das hat uns das Kultusministerium zugesichert.« Auch Lehrermangel sei kein Thema. Zehn Pädagogen von der Realschule Vaterstetten, teilweise als Teilzeitlehrkräfte, stehen dem Schulleiter zur Seite. Rund 400 Schüler in 14 Klassen sollen am Ende den Neubau an der Seerosenstraße bevölkern. Statt des zunächst vorsichtig kalkulierten zweizügigen ist auch ein dreizügiger Ausbau mit bis zu 22 Klassen und 580 Schülern möglich. Rektor Wabner hegt keine Sorge, dass ein so großzügig geplantes Schulhaus veröden könnte. »Wir sind die erfolgreichste Schulart«, sagt er.

Diese Tatsache sei mittlerweile auch bei den Ausbildungsbetrieben angekommen. Die Diskussion um das achtstufige Gymnasium und die leichteren Übertrittsbedingungen trügen dazu bei, dass Eltern den Realschulen in Bayern die Türen einlaufen. Weil man bei einem Neubau von Anfang an alles besser machen kann, hat Wabner ein 80-seitiges Konzept erarbeitet. Darin werden für jedes Unterrichtsfach eigene Räume entworfen. »Das bedeutet, dass nicht mehr die Lehrer nach jeder Stunde von Klassenzimmer zu Klassenzimmer wandern, sondern die Lernenden.« Das habe auch den pädagogischen Vorteil, »dass einer die Fünf in Mathe im Mathezimmer lässt und frei von negativen Gedanken das Erdkundezimmer betritt.«

Nicht nur mit dem Innenleben des neuen Schulhauses begibt sich Poing auf Neuland. Auch die Ausschreibung als PPP-Projekt stellt für Wabner eine besondere Herausforderung dar. Diese »Public Private Partnership« wurde im Landkreis Ebersberg zuletzt beim Gymnasium Kirchseeon praktiziert. Planung, Bau, Instandhaltung und Bewirtschaftung der Realschule samt Zwei-Feld-Sporthalle sollen in Poing einem privaten Investor übertragen werden. Mittlerweile liegen sieben Angebote vor, Abgabeschluss ist Ende September. Für den neuen Rektor ein spannendes Vorhaben: »Da gibt es noch nicht sehr viele Erfahrungswerte.«

Das Rüstzeug für all diese Herausforderungen hat sich der 36-Jährige unter anderem bei seinem Master-Zweitstudium in Schulmanagement an der Technischen Universität Kaiserslautern geholt. Außerdem war er in der Wasserburger Dienststelle des Ministerialbeauftragten für 44 Realschulen zuständig. Dass man ihm einmal eine ganz neue Schule übertragen würde, hatte er dort nie zu träumen gewagt: »Das ist wie ein Sechser im Lotto.« Claudia Schmohl

Artikel vom 14.09.2010
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