Guttenberg, Zeil und Rumschöttel kamen zu Besuch und eroberten die Herzen ihrer Zuhörer

Keferloh · Größen der Politik im Bierzelt beim Keferloher Montag

Verteidigungsminister zu Guttenberg begeisterte im Bierzelt die Massen. Foto: ikb

Verteidigungsminister zu Guttenberg begeisterte im Bierzelt die Massen. Foto: ikb

Keferloh · Hellblauer Himmel, strahlender Sonnenschein, laues Lüftchen – Kaiserwetter für den Freiherrn, für Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, für den Verteidigungsminister beim Keferloher Montag, beim »Politiker-Montag«. Er kam – fast pünktlich, per Hubschrauber, ein Stück des Weges in der Pferdekutsche – wurde gesehen und zog sogleich die mehr als 200 Zaungäste am Zelteingang mit seinem bloßen Erscheinen, seinem smarten Lächeln, seiner durchdringenden Ausstrahlung in seinen Bann.

Der Einzug ins mit 2.300 Menschen restlos überfüllte Festzelt zum Bayerischen Defiliermarsch glich einem Triumphzug, später getoppt beim Auszug unter frenetischem Jubel mit Standing Ovations. Das stundenlange Warten rund ums Gut Keferloh auf Guttenberg, auf den Polit-Shootingstar hatte sich gelohnt: Jedes Wort, jeder Satz, jeder Redekomplex, jede Geste saß punktgenau. Das Klicken hunderter Fotoapparate war trotz der Marschmusik beim Durchschreiten des Zelts des 39-jährigen Ministers mit Gefolge und Begleitung der Keferloher Freunde deutlich zu hören, Blitzlichter hellten das Zeltinnere wie den Himmel draußen bläulich auf. Ob des Strahlens und des modischen Äußeren des Stabsunteroffiziers der Reserve geriet gar manche Dame ins Schwelgen: Trachtenjacke, weißes Hemd, rosa Krawatte mit Tiermotiven, graue Hose, braune Schuhe und Keferloher Hut. »Mei, is’ der chic«, hauchte bewundernd ein junges Dirndl. Der Bodyguard an der Seite des in München geborenen zu Guttenberg konnte sich dabei ein Lächeln nicht verkneifen. Zuvor staunten die vielen Besucher beim Rahmenprogramm. So galt es beispielsweise, das Gewicht des stattlichen Bullens William, kurz Willi genannt, zu schätzen, der morgens 1181 Kilogramm auf die Waage brachte. Gleich drei Frauen schlugen die männlichen Fachleute ins Feld. Und kaum zu glauben: Die sechsjährige Katharina lag um lediglich ein Kilo daneben, gewann freudestrahlend den Wettbewerb. Bewundert und beklatscht wurde auch der Auftritt der Goaßlschnalzer. Grasbrunns Bürgermeister Klaus Korneder war rundum beruhigt, als er vormittags im Radio die Nachrichten hörte und »nicht irgendwo auf der Welt eine Krise ausgebrochen war«, die zur Absage des Minister-Besuchs hätte führen können. Landrätin Johanna Rumschöttel entpuppte sich als Meisterin des Begrüßens vieler Personen, erinnerte daran, dass der Keferloher Montag älter als das Oktoberfest ist.

Und schließlich Bayerns Stellvertretender Ministerpräsident, der Liberale Martin Zeil: »Lieber Kollege zu Guttenberg, ich freue mich, jemanden zu treffen, der sich gegen große Teile der CSU durchgesetzt hat«. Ob Wirtschaft, Bildung, Arbeitsplätze oder Technologie: Martin Zeil – einige trauten sichtlich ihren Ohren nicht – lobte in allen Belangen den Freistaat über den grünen Klee, lobte die jüngste Entscheidung zur Energiepolitik, lobte das Urteil im Brunner-Prozess. Das wollen die Leute hören. 14.42 Uhr: Zu Guttenberg, den Keferloher Hut auf dem Haupt, geht ans Rednerpult. Ein, zwei Minuten Warten, Winken und Lächeln, bis der Applaus abschwillt. »Ein herzliches Grüß Gott, ich freue mich, auf bayerischem Heimatboden zu sein. Mein erster Gruß gilt der kleinen Katharina aus Neukeferloh« – sie hatte wie erwähnt das Gewichtschätzen des Bullens gewonnen – »ich kann ihren zukünftigen Mann nur beglückwünschen«. Der Ex-CSU-Generalsekretär, der Ex-Wirtschaftsminister kann reden – und wie: Schnell, deutlich, betonend, verbindlich, ist rhetorisch fast perfekt, braucht kein Manuskript, lässt fortan kaum ein Themenfeld nationaler wie internationaler Politik aus. Der Mann mit den zehn Vornamen, der aus einer der 300 reichsten Familien der Bundesrepublik stammt, ist Christ, erzählt, dass er vor seinem Auftritt einen »Zwischenstopp in der Wallfahrtskirche Möschenfeld eingelegt hat«. Und an Zeil gewandt: »Das ist heute ein Beweis, dass man einen CSUler und einen FDPler länger als eine halbe Stunde in ein Zelt sperren kann und alles gut geht«.

Seit 28. Oktober 2009 ist der Freiherr Verteidigungsminister. Seine Erkenntnis zur politischen Weltlage aus dieser Zeit: »Das Unberechenbare ist das Berechenbarste geworden.« Sein Blick schwenkt sodann von links nach rechts über den Blumenschmuck auf dem Podium, hellt sich auf, feixend sagt Guttenberg: »Ich bin selten von so viel Grün umgeben«. Lachen, Klatschen. Und weiter geht’s, Thema Finanzmärkte: »Wir müssen die Zocker und Jongleure wieder einfangen!« Und: »Stellt man die Frage nach dem Erfinder der sozialen Marktwirtschaft, muss man schon froh sein, wenn die Antwort statt Ludwig Erhard Heinz Erhardt lautet.« Die Entwicklung bei Karstadt »gibt mir das Gefühl, in der Vergangenheit nicht ganz Unrecht gehabt zu haben« und »der Automobilkonzern mit den vier Buchstaben – Gott sei Dank hat der Steuerzahler die Milliarden nicht gegeben«. Auch die Politikverdrossenheit treibt zu Guttenberg um: »Wir müssen unbequeme Themen benennen, dürfen den Menschen nicht das Gefühl geben, dass sie das Maul halten müssen.« Pause, Prost, Blick in und auf den Keferloher: »Viel Schaum, wenig Bier und keiner merkt’s. Das ist der Becksteinsche Kanon…« Thema Terrorismus Afghanistan, Verteidigung, Bundeswehrreform, Internet. Der Minister redet sich heiß, ein kleiner Krug Wasser wird gereicht. »So was bekomm’ ich sonst nur in Schleswig-Holstein«, spricht’s und stellt den Krug neben das Rednerpult. 15.42 Uhr – nach genau einer Stunde zieht der Minister die Trachtenjacke aus, bekommt eine frische Maß, nimmt einen großen Schluck: »Danke, alles Gute, Gottes Segen.« Die Besucher erheben sich fast ausnahmslos, zu Guttenberg winkt mit dem Keferloher Hut.

ikb

Artikel vom 08.09.2010
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