Krieg und Wiedergutmachung: Georg Rabich blickt auf bewegende Jahrzehnte

Freimann · Erinnerungen an 100 Jahre

Seit 59 Jahren glücklich verheiratet: Elisabeth und Dr. jur. Georg Rabich, der im August seinen 100. Geburtstag feierte. 	Foto: sl

Seit 59 Jahren glücklich verheiratet: Elisabeth und Dr. jur. Georg Rabich, der im August seinen 100. Geburtstag feierte. Foto: sl

Freimann · Dr. jur. Georg Rabich lebt mit seiner Frau Elisabeth im Betreuten Wohnen in der Burmesterstraße in Freimann und feierte im August seinen 100. Geburtstag. Bundespräsident Christian Wulff und Ministerpräsident Horst Seehofer würdigten dieses besondere Ereignis mit einem Glückwunschschreiben.

Oberbürgermeister Christian Ude ließ seine Glückwünsche durch Stadtrat Dr. Reinhard Bauer (SPD) überbringen. Für den Jubilar war sein 100. Wiegenfest Anlass genug, um die vergangenen zehn Jahrzehnte Revue passieren zu lassen.

Der Thüringer kam bereits in jungen Jahren nach München und sein geschichtliches Interesse war stets sehr ausgeprägt. Die Nazi-Zeit in Deutschland verdrängt er nicht: »Ich war von Anfang an ein entschiedener Gegner. Meine ganze Familie war gegen Hitler«. Aus diesem Grund zog er sich auch von Winifred Wagner zurück, die nach dem Tod ihres Mannes Siegfried, die Bayreuther Festspiele bis 1944 leitete. »Ich kannte Winifred ganz gut, aber nachdem sie sich so deutlich zu Adolf Hitler bekannte, legte ich keinen Wert mehr auf diese Bekanntschaft«. Während des Krieges verhalf Rabich zudem einem jüdischen Ehepaar zur Flucht. Er sorgte dafür, dass sie mit ordentlichen Pässen auswandern konnten. »Ich hab später von ihnen gehört, dass sie gut im Exil angekommen sind. Darüber hab ich mich sehr gefreut«, lächelt der 100-Jährige. Doch der Krieg geht auch an dem Juristen nicht vorbei. Er muss nach Russland, wegen eines Augenleidens aber nicht an die Front. Nach Kriegsende gerät er in Gefangenschaft und kehrt erst 1948 nach München zurück. Seine Ehe, aus der eine Tochter hervorging, zerbricht. Was in Deutschland zwischen 1933 und 1945 passiert ist, lässt den Freimanner nicht mehr los. Er wird bis zu seiner Pension im Jahr 1975 bei der Oberfinanzdirektion arbeiten. Hier ist Rabich mit dem Wiedergutmachen an jüdischen Familien beziehungsweise an ihren Angehörigen betraut. Eine Aufgabe, die ihm besonders viel gibt: Ein bisschen Unrecht wieder gut zu machen, das hat mich beflügelt in meiner Arbeit«.

So war er zum Beispiel mit dem Fall Uhlfeld betraut. Die Familie Uhlfeld, die Rabich noch persönlich kannte, besaß ein Kaufhaus am Jakobsplatz, das den Nazis in der Pogromnacht zum Opfer fiel. Auch wenn Georg Rabich mit zunehmendem Alter das Lesen und Schreiben immer schwerer fiel, was er außerordentlich bedauerte, so will er nicht vergessen. Und vor allen Dingen möchte er seinen Nachfahren ein Stück Geschichte hinterlassen. In mühevoller Kleinarbeit schreibt er sein Leben, aufgeteilt in mehrere Stationen, nieder. Die Manuskripte ließ er nie veröffentlichen. »Dazu ist er viel zu bescheiden«, erklärt Ehefrau Elisabeth, mit der Rabich seit 1951 verheiratet ist.

In Ansbach lernten sie sich kennen und sie will gar nicht so schnell heiraten, aber Rabich lässt nicht locker. »Ich hatte Angst, dass jemand sie mir wegschnappt.« Das Paar bekommt zwei Töchter, die heute längst verheiratet sind und den Rabichs zwei Enkelsöhne und eine Enkeltochter beschert haben. Fast 60 Jahre sind die beiden nun schon verheiratet und pflegen seitdem eine besondere kleine Tradition: Jeden Abend bekommt die 87-Jährige einen Handkuss von ihrem Georg.

Silke Leuendorf

Artikel vom 07.09.2010
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