Ein Monat Rauchverbot: Wirte zwischen Freude und Verzweiflung

Schwabing · Riss durch Schwabing

Alter Simpl, Türkenstraße: Nachmittags blüht das Geschäft auf. Abends kommen auch Raucher. Doch wer eine rauchen will, muss vor die Tür.	Foto: ikb

Alter Simpl, Türkenstraße: Nachmittags blüht das Geschäft auf. Abends kommen auch Raucher. Doch wer eine rauchen will, muss vor die Tür. Foto: ikb

Schwabing · Der Mann ist gestresst, ja verzweifelt – man sieht es ihm an: Tiefe Stirnfalten, hohlwangige Backen. »Bitte nennen Sie meinen Namen nicht, auch nicht meine Gaststätte und die Straße. Sonst ist der Ofen bald ganz aus.« Das Ansinnen hat einen einzigen Grund: Das seit 1. August geltende strenge Rauchverbot in Bayern.

Der Mann, ein Wirt, kämpft um seine Existenz: »Etwa 60 Prozent Umsatzrückgang in einem Monat, das hält keiner aus. Ich weiß nicht mehr, wie ich künftig Bier, Lebensmittel und Pacht bezahlen soll«. Wie viele Gäste weniger gekommen sind? Der knapp 40-Jährige winkt ab: »Das spielt doch auch keine Rolle mehr.«

Die Auswirkungen des verschärften Gesetzes verspüren die Chefs hinter den Tresen extrem unterschiedlich. Einer freut sich über »das bessere Geschäft«, andere sind gelassen, meinen »das wird sich schon bald wieder einpendeln«, manch ein Wirt sieht rabenschwarz für die nächsten Monate – Bilanz eines Bummels durch Schwabinger Lokale und Kneipen. »Wir verzeichnen tagsüber zwischen 50 und 100 Prozent mehr Umsatz, vor kurzem reichte noch eine Bedienung, jetzt sind zwei da. Zu uns kommen immer mehr Ältere und Familien mit Kindern, nachmittags stehen zwischen den Tischen oft drei Kinderwagen. Und abends ist das Geschäft nicht schlechter geworden. Es fehlen nur so etwa zehn bis 15 Genussraucher an der Bar, die sonst nach der Arbeit ein Bierchen getrunken haben. Insgesamt ist die Situation besser«, fasst Axel Seidel vom Alten Simpl seine Erfahrungen zusammen. Und Stephan Gloxhuber vom Max Emanuel: »Uns hätte nichts Besseres passieren können, denn das Rauchverbot ist für uns nichts Neues. Weder beim Umsatz noch bei den Gästezahlen hat sich etwas negativ verändert«. Probleme wegen des Rauchens vor dem Lokal gibt’s keine, weder mit den Anwohnern noch mit der Polizei. Die Raucher sind diszipliniert, halten den Eingangsbereich von Asche und Kippen rein, fein säuberlich landet alles im großen Aschenbecher neben der Eingangstür. Auch der Geschäftsführer Pascale Imhoff vom Barer 47 registriert bis dato weder beim Umsatz noch bei den Gästezahlen Veränderungen. »Wer eine rauchen will, geht halt nach draußen«, erklärt der junge Mann.

So auch im Soda. Betriebsleiterin Marina Franken: »Die Leute, die zu uns kommen, wissen, dass wir seit langem ein Nichtraucherlokal sind«. Probleme? – »Wir hatten wegen der Raucher nie ein Problem, alles ist gleich geblieben,« konstatiert Steffen Irion vom Zeitgeist. Und Maria Trapsoki vom Türkenhof versichert: »Keine Auswirkungen wegen des neuen Gesetzes«. Beschwerden von Nachbarn wegen des aufsteigenden blauen Dunsts bekam Michele Macari vom Zsà Zsà schon mal zu hören. Allerdings betreibt er erst seit sechs Wochen sein Lokal und kann deshalb noch kein Fazit ziehen. Positiv aufgenommen wird das neue Nichtraucherschutzgesetz aber in erster Linie in Lokalen, in denen schon vorher nicht geraucht werden durfte.

In etwa jeder vierte befragte Wirt, Betriebsleiter oder Geschäftsführer hat ein anderes Fazit gezogen, will sich aber dazu nicht äußern. »Mir reicht der Ärger jetzt schon, es muss nicht noch mehr werden«, knurrt einer von ihnen. Mit der Zusage, weder Ross noch Reiter zu nennen, wird der Wirt gesprächiger: Ständige Klagen der Nachbarn wegen des Quatschens der Raucher auf der Straße und wegen des Kippenmülls auf dem Gehsteig, Anschwärzungen wie »in dem Laden wird geraucht« und immer die Angst vor Geldstrafen – die Skala reicht von fünf bis 1.000 Euro – sowie »eventuell viel investiertes Geld in den Sand gesetzt zu haben« verleiden das an und für sich geliebte Geschäft.

ikb

Artikel vom 31.08.2010
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