München hat ein Freiflächenproblem

Mehr Grün anstiften

Aktiver Kampf für mehr Grün vor der Haustür: Haidhauser Anwohner beim Guerilla Gardening. Foto: js

Aktiver Kampf für mehr Grün vor der Haustür: Haidhauser Anwohner beim Guerilla Gardening. Foto: js

München - Guerilla Gardening, Wanderbäume und Gemeinschaftsgärten – auch wer in der Großstadt wohnt, will auf Grün nicht verzichten. Diese Woche erst haben Vertreter des Planungsreferats bei einer Diskussion in der Muffathalle Projekte vorgestellt, in denen Anwohner an der Bepflanzung des öffentlichen Raums beteiligt werden sollen. Initiativen wie „Green City“ und „Anstiftung und Ertomis“ finden indes, es wird noch nicht genug getan.

Wo es in München sprießen und blühen soll, entscheidet eigentlich der Stadtrat. Doch nicht immer sind die Bürger mit den Beschlüssen auch zufrieden. In Haidhausen nehmen viele die Sache selbst in die Hand und verschönern Grünstreifen mit Blumen und anderen Gewächsen, die sie zum Beispiel in der Pariser Straße auf eigene Faust angepflanzt haben. Der Fachbegriff dafür: Guerilla Gardening, mittlerweile eine weltweite Bewegung, und jetzt auch in München angekommen. Um graue Häuserschluchten mit Leben zu füllen, stellt der Verein „Green City“ auf den Bürgersteigen eingetopfte Bäume auf, sogenannte Wanderbaumalleen, derzeit im Westend. Und auch auf den Bürgerversammlungen der Stadtteile gehört die Forderung nach mehr Grün häufig zu den Hauptanliegen.

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Die Stadt bemüht sich, den Wünschen der Bürger entgegenzukommen. So können Anwohner etwa Patenschaften für öffentliche Grünflächen übernehmen. „Eine echte Beteiligung ist das aber nicht“, kritisiert Silvia Gonzalez von Green City. Die ehrenamtlichen Paten sind dafür zuständig, das Areal sauber zu halten und Vandalismus zu melden – anpflanzen dürfen sie dort jedoch nichts. Die Gestaltung des öffentlichen Raums und seiner Grünflächen unterliege dem demokratischen Entscheidungsprozess, erklärt Jürgen Marek, Sprecher des Baureferats: „Basis ist die politische Willensbildung im Stadtrat, nicht der Geschmack des einzelnen Bürgers.“ Gelegenheit zum Gärtnern werden die Bürger allerdings im geplanten Neubaugebiet in Freiham haben. Dort soll es öffentliche Anbauflächen für Obst und Gemüse geben. Mit einer eigens dafür eingerichteten Trambahn werden die Nahrungsmittel anschließend zum Viktualienmarkt gefahren und verkauft. Wer jetzt schon Ackerbau auf öffentlichem Grund betreiben will, kann sich zum Beispiel an den interkulturellen Gemeinschaftsgärten der Stiftungsgemeinschaft „Anstiftung und Ertomis“ beteiligen. Unter anderem in der Gotteszeller Straße in Berg am Laim, auf dem Gelände des Ökologischen Bildungszentrums in Englschalking und auf einer ehemaligen Straßenbahntrasse zwischen dem Petuelpark und der Spielmeile in Milbertshofen pflanzen Migranten gemeinsam mit Deutschen Kräuter, Obst und Gemüse aus ihrer Heimat an. „Es ist kaum zu glauben, was hier alles wächst“, sagt Christa Müller von der Stiftungsgemeinschaft. So gedeihen etwa arabische Minze und kurdischer Koriander ganz hervorragend auf Münchner Boden. Allerdings sei für den Anbau eine gewisse Fachkenntnis nötig. Gerade dieses Wissen rund ums Gärtnern traut die Stadt ihren Bürgern jedoch nicht zu. Um die richtigen Pflanzen auszuwählen, müsse man Experte sein, sagt Nina Lindinger vom Baureferat: „Die städtische Baumschule sorgt dafür, dass pflegeleichte Gewächse genommen werden, die viel Regen vertragen.“ Dennoch versuche das Baureferat, die Bewohner mit einzubinden. Etwa bei der Bepflanzung des Karl-Preis-Platzes in Ramersdorf hätten die Bürger ihre Vorstellungen im Rahmen von Workshops einbringen können. Allerdings ist dies nicht die Regel. Bei der Begrünung der Richard-Strauss-Straße und des Böhmerwaldplatzes in Bogenhausen, wo im kommenden Oktober rund 1.000 Linden eingesetzt werden sollen, dürfen die Anwohner nicht mitreden. Wichtig sei jedoch nicht nur die Beteiligung der Bürger, mahnt Müller. Gemeinsame Gartenarbeit schaffe im öffentlichen Raum sozialen Zusammenhalt und steigere die Lebensqualität. Daher halte sie es nicht für sinnvoll, die vorhandenen Freiflächen wirtschaftlichen Interessen zu opfern. Die vermeintlich so grüne Isar-Metropole ist eine der dichtbesiedelsten Großstädte des Landes mit vergleichsweise wenig Freizeitflächen. „München ist ein teures Pflaster“, erklärt Christa Müller. Daher gebe es deutlich weniger brach liegende Grundstücke als etwa in Berlin: „Hier einen Platz unbebaut stehen zu lassen kostet sehr viel Geld.“ Ihr Fazit: Um den Bestand von Grünflächen müsse man kämpfen. Ein Englischer Garten reicht halt nicht für alle.

Von Julia Stark

Artikel vom 12.08.2010
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