Haarer Schüler helfen Eisdiele Energie zu sparen

Haar · Süßer Klimaschutz

Marie Hermann vom Projekt »Carrotmob« und Eisdielenbesitzer Ivan Grassi sowie Mitarbeiter (v. re.) sind »Klimahelden«.	Foto: ikb

Marie Hermann vom Projekt »Carrotmob« und Eisdielenbesitzer Ivan Grassi sowie Mitarbeiter (v. re.) sind »Klimahelden«. Foto: ikb

Haar · »Mmmhhh, schmeckt das gut!« Die Augen der kleinen Nina funkeln, sie strahlt übers ganze Gesicht, und schleckt und schleckt. Die Farbe ihres Regenmäntelchens geht fast nahtlos in die ihrer süßen Speise über – Erdbeereis. Was sie nicht weiß: Sie schleckt für den Klimaschutz.

»Carrotmob macht Schule« heißt die Aktion der Umweltorganisation Green City, an dem sich am vergangenen Wochenende drei Schulen beteiligten, unter anderem das Ernst-Mach-Gymnasium (EMG) in Haar. Vier Stunden hatten die Schüler Zeit, möglichst viele Menschen zum Eiskauf zu bewegen, denn die zuvor ausgesuchten Eisdielen – für den Münchner Osten war es das Il Gelato Italiano an der Wasserburger Landstraße – hatten sich verpflichtet, zwischen 50 und 55 Prozent ihres Umsatzes in dieser Zeit in Energiespar-Maßnahmen zu investieren. Doch Petrus machte einen kleinen Strich durch die Rechnung.

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Mit finsterer Miene stiert Eisdielenbesitzer Ivan Grassi, ein gebürtiger Friauler, am frühen Nachmittag in den Himmel und stöhnt: »Regän, immer nur Regän. Und 13 Grad, das ist doch gemein«. Doch als ein Stammkunde kommt, der gleich sechs Becher zum Mitnehmen bestellt, lächelt er schon wieder ein wenig. Ob des Regens ist auch Mitorganisatorin Dorothee vom EMG traurig: »Bei Sonnenschein wäre die Aktion ein Selbstläufer geworden, hätten die Kunden Schlange gestanden.« Zusammen mit ihren Freundinnen Stephanie und Rebecca sowie Julian – er hatte über einen Lehrer »Wind von dem Projekt bekommen« – hatte sie sich informiert, engagiert und Mitschülerinnen zum Mitmachen bewegt, 250 Plakate in Haarer Geschäften ausgehängt und dazu 10.000 papierne Werbe-Schlüsselanhänger verteilt. Plakate und Anhänger hatte Julian entworfen – damit wurde für Carrotmob geworben.

Die vier Jugendlichen bemühen sich redlich, zwischen 14 und 18 Uhr trotz Regen so viele Menschen wie möglich in die Eisdiele zu locken. Und am Ende ist Grassi so begeistert vom Engagement des Quartetts und der anderen Helfer, so dass er nicht, wie ursprünglich angekündigt, 55 Prozent der Einnahmen, sondern gleich alle Einnahmen dieser Zeit in den Klimaschutz stecken will – 535 Euro zählte er nach dem Kassensturz. Bei den zwei anderen in München verlaufenden Aktionen kamen 451 Euro zusammen. Das Haarer Ergebnis kann sich also mehr als sehen lassen.

Doch was ist Carrotmob genau? »Carrotmob ist das Umweltbildungsprojekt von Green City e. V.«, erläutert Svenja von Gierke, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit. Green City ist seit 1990 als Umweltorganisation in München mit den Schwerpunkten Mobilität, Klimaschutz und Stadtgestaltung aktiv, wobei die Inhalte auf lokaler Ebene umgesetzt werden. Die Redewendung »Zuckerbrot und Peitsche« ist allseits bekannt; auf Englisch heißt sie »carrot and stick«. »Dahinter steckt die Idee«, so Marie Herrmann aus der Sparte Umweltbildung, »dass man einen Esel auf zwei Arten ans Ziel bringen kann: Entweder man lockt ihn mit einer Karotte oder zwingt ihn mit Peitschenschlägen. Damit ist der Carrotmob die umgekehrte Form des Boykotts«. Klimaschutzaktivisten belohnen also ein Unternehmen, das bereit ist, in Klimaschutz zu investieren. Und »mob«? »Das steht einfach für Menschenmasse«, erklärt die junge Frau. Julian erklärt: »Bei ›Carrotmob macht Schule‹ kann man selbst aktiv werden, andere einbinden und zum Mitmachen bewegen. Die Aktion beweist, dass jeder einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann«.

Die vier Haarer »Carrotmobber« baten mehrere Ladenbesitzer vorab um ein Angebot, wie viel Prozent ihres Umsatzes ihnen der Klimaschutz wert sei. Der Meistbietende, hier also Il Gelato Italiano, war dann für einen Tag das Einkaufsziel. Möglichst viele Menschen wurden vernetzt, dort am Aktionstag Eis zu kaufen. Das Quartett bereitete sich knapp drei Monate vor, investierte viel Zeit und noch mehr Arbeit in diverse Workshops, machte sich fit in Sachen Strom und Energie, checkte und errechnete gemeinsam mit Energieberater Wolfgang Wulfes, wie viel Kohlendioxid durch Verbesserungen eingespart werden kann.

»Ein Vorschaltaggregat für die Beleuchtung in diesem Eiscafé spart 30 Prozent«, sagt Julian. Oder umgerechnet 1.500 Euro im Jahr, bei einer Investition von 600 Euro. Wird Ökostrom verwendet, »gleicht sich die Ersparnis aus, es fallen aber jährlich 15 Tonnen weniger CO2 an«, konstatiert der Gymnasiast. Auch das Kühlgerät für die Vitrine mit den zwei Dutzend Eissorten, installiert in einem Nebenraum, nahmen die Jugendlichen unter die Lupe. »Da wäre effektiv Besseres zu machen, ist aber sehr schwierig und sehr teuer«, urteilt Julian. Ivan Grassi nickt bei dieser Aussage. Offensichtlich hat der smarte Italiener sich darüber auch schon Gedanken gemacht.

Mittlerweile haben die Mädchen über ihre sommerlichen grünen T-Shirts mit dem Aufdruck »Klimaheld – Carrotmob für cooles Klima« Fliesjacken oder Kapuzenpullis gezogen. »Ich hätt’ gern ‘ne Kugel Malaga«, strahlt eine der jungen Damen Ivan Grassi an. Und schon reicht er das gefüllte Hörnchen über die Theke. Eis schmeckt eben lecker – und bei jedem Wetter. »Noch nie war Klimaschutz so süß«, versichert Projektleiterin Vanessa Mantini.

ikb

Artikel vom 27.07.2010
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