„Ich wäre jederzeit zu einem weiteren Einsatz bereit“, erklärt die Münchner Krankenschwester Carola Gerhardinger. Zwei Wochen lang war sie für die Hilfsorganisation Lands Aid in Haiti und arbeitete auf der Cholera-Station des Krankenhauses „St. Philomena“ in der Hauptstadt Port-au-Prince. Lands Aid unterstützt hier das Projekt seiner Partnerorganisation „nph deutschland“, die sich für die zahlreichen Cholera-Patienten in Haiti einsetzt.
Vor drei Jahren erschütterte das große Erdbeben die Insel, danach wütete Hurrikan „Sandy“ und verschlimmerte die Situation in der Region. „Zerstörte Ernten, verendetes Vieh, steigende Nahrungsmittelpreise, eine drohende Hungersnot. Auch die Cholera breitet sich aus. Denn das Risiko, sich durch verschmutztes Trinkwasser mit dem Cholera-Erreger anzustecken, steigt mit starkem Regen. Die Zahl der Infizierten hat sich gegenüber den Vormonaten bereits verdoppelt“, berichtet die Hilfsorganisation. Medizinische Hilfe wird dringend benötigt. Als Carola Gerhardinger gefragt wurde, ob sie bereit wäre über die Weihnachtsfeiertage nach Haiti zu reisen, um dort zu helfen, entschied sie ohne zu zögern: „Es war gar keine Frage, dass ich sofort wieder dabei bin.“ Bereits zum dritten Mal setzte sich die Krankenschwester für das Projekt ein und half vor Ort. Eine Erfahrung, die die Dreißigjährige nachhaltig prägte. Denn trotz der großen Probleme, der Not und der tragischen Einzelschicksalen, überwog die Hoffnung und die Zuversicht der Haitianer, erklärt Gerhardinger: „Was bei mir zurückbleibt, ist ein sehr positiver Eindruck. Der Wille und der Kampfgeist der Einheimischen ist bemerkenswert. Das ist etwas, das man mitnehmen kann und auch auf das Leben hier übertragen kann.“
Am 14. Dezember machte sich Carola Gerhardinger gemeinsam mit ihrer Kollegin Gabriele Breuckmann aus Meppen für Lands Aid auf den Weg nach Haiti. Seit Gerhardingers letztem Einsatz in Haiti, wo sie in mobilen Kliniken half, die Einheimischen medizinisch zu versorgen, hat sich vieles verändert. „Die Weiterentwicklung, die in den letzten zwei Jahren dort passiert ist, hat mich sehr beeindruckt“, erklärt sie. Ein festes Gebäude sei zwischenzeitlich errichtet worden, in dem Helfer aus aller Welt gemeinsam arbeiteten. Strukturiert und gut organisiert seien nun die Abläufe.
Um 6 Uhr morgens beginnt der Tag für Carola Gerhardinger in Haiti. Nach dem Aufstehen wird eine Morgenmesse abgehalten, „bei der auch die Verstorbenen der letzten Nacht gesegnet werden.“ Ein kurzes Frühstück, dann macht sich die Krankenschwester an die Arbeit im Cholerabereich der Klinik. Desinfizieren, den Zustand der Patienten überprüfen, neue Patienten untersuchen und aufnehmen oder Infusionen wechseln – feste Bestandteile eines Arbeitstages in der Klinik. Zunächst werden die Patienten per sogenannter Blickdiagnostik eingestuft, erklärt Gerhardinger, „denn die Mittel werden knapp“. Flacher Puls und trockene Zunge, Durchfall und Erbrechen deuten auf eine Cholera-Infektion hin, die mit Salzlösung und Antibiotika behandelt wird. Ein langer und harter Arbeitstag in der Klinik, der meist erst bei Einbruch der Dunkelheit zu Ende geht und der durchaus Spuren hinterlässt: „Unter den Patienten gibt es einzelne Fälle, an denen man schon zu kauen hat. Besonders wenn es um Kinder geht. Das geht einem sehr ans Herz. Aber das Team fängt sehr gut auf.“ Dominiert wird der Alltag dennoch von dem Gefühl, dass man „wirklich etwas Sinnvolles macht“, so Gerhardinger. „Die Haitianer sind fantastisch, sehr offen und trotz allem sehr positiv. Es ist toll dort zu arbeiten, auch wenn es anstrengend ist.“ Die Arbeit in Haiti sei unmittelbarer, wodurch man enger zusammenrücke: „Körperlich, geistig und seelisch geht man an die Grenzen. Daher ist man sowohl mit den Patienten als auch mit den Kollegen nah. Speziell zu Weihnachten.“
Vormittags noch wurden die rund 80 Patienten im Cholerabereich der Klinik versorgt, danach setzten sich die Kollegen zusammen. „Einer der Einheimischen hatte Geburtstag an diesem Tag und deshalb gab es Kuchen. Mit dem Kuchen sind wir dann nach City Solei (Slum) gefahren und haben dort mit den Kindern zusammen gefeiert und Fußball gespielt“, erinnert sich Gerhardinger. Erstaunt aber auch offenherzig seien die Kinder auf die große, weiße Frau zugegangen, die mit ihnen Fußball spielte. Danach fuhren die Helfer in die Berge und besuchten ein Waisenhaus, wo gemeinsam ein Weihnachtsgottesdienst nach haitianischer Tradition gefeiert wurde. Land und Menschen hat Carola Gerhardinger längst ins Herz geschlossen und das besondere Weihnachtsfest wird sie nicht vergessen.
Derzeit studiert die gelernte Krankenschwester Soziale Arbeit im 3. Semester in München. Die nächste Gelegenheit, um die Menschen in Haiti nach Kräften zu unterstützen, will Gerhardinger jedoch jederzeit wieder ergreifen. Für sie steht fest: „Das, was ich vom Gefühl her zurückbekommen, ist viel, viel mehr, als ich gebe, obwohl ich sehr viel arbeite.“
Informationen zur Hilfsorganisation gibt es unter www.LandsAid.org .