Leben und Sterben aus Sicht des Medienwissenschaftlers: Bernhard Goodwin studierte von 1999 bis 2005 Kommunikationswissenschaft an der LMU München, 2011 schloss sich die Promotion an. Wir wollten von ihm wissen: Unser Fernsehprogramm ist voller Krimis, Forensiker, Mord und Leichen. Warum ist das so und warum ziehen wir den Schwanz ein, wenn es um das Thema Sterben „in echt“ geht?
Bernhard Goodwin, Geschäftsführer des Instituts für Kommunikationswissenschaft an der LMU: In München geschehen weniger Morde in Wirklichkeit als in den verschiedenen hier spielenden Krimis. Das wissen wir Zusehenden ja auch. So kann sich in der Sicherheit unserer eigenen Couch unser Herz mit den tiefen Gefühlen der Krimifiguren auseinandersetzen, unser Bauch die Spannung und garantierte Entspannung genießen und unser Kopf miträtseln. Der Tod ist hier nur ein dramaturgisches Mittel zum Zweck. Er ist nur ein Weg, um die Betroffenheit für die Beteiligten zu erhöhen. Die Angehörigen sind tiefer verstört. Für die Ermittelnden ist die Dringlichkeit höher. Wer verurteilt wird, muss mit schärferen Strafen rechnen. Alle Beteiligten haben so tiefere Gefühle – statt uns. Ganz anders die Auseinandersetzung mit dem Tod in der Wirklichkeit: Da wird es für uns existenziell. Da hat das Sterben die tatsächliche Bedeutung, die es sich im Krimi nur ausleiht. Glücklicherweise betrifft es uns ja meistens nicht als Mord und Totschlag. Aber auch die am Ende eines langen Lebens friedlich eingeschlafene Großmutter ist uns ganz entrissen. Ihr Leben und ihre Spuren zu bedenken kann helfen, mit dieser Trauer umzugehen.