Kirchenküche für die Dankeskirche als Reaktion auf wachsende Armut

Milbertshofen · Einmal pro Woche warm

Noch sind die Töpfe und Pfannen leer – doch Pfarrer Christian Weigl und Diakon Alexander Dvorak (stehend) freuen sich über die neue Küche. Foto: em

Noch sind die Töpfe und Pfannen leer – doch Pfarrer Christian Weigl und Diakon Alexander Dvorak (stehend) freuen sich über die neue Küche. Foto: em

Milbertshofen · Kalt ist es an diesem Montag in Milbertshofen, sehr kalt. Doch im Gemeindesaal der Dankeskirche wird es dem Bundestagsabgeordneten der CSU für den Münchner Norden, Johannes Singhammer, »warm ums Herz«, wenn die UBS-Bank und das Einrichtungshaus Böhmler der Kirche eine Küche stiften, um voraussichtlich ab 1. März einmal pro Woche eine »Kirchenküche« anbieten zu können, bei der Bedürftige für einen symbolischen Euro ein warmes Mittagessen bekommen.

»Dafür muss man nichts vorzeigen oder so, jeder kann einfach kommen, und wenn er keinen Euro mehr hat, kriegt er auch sein Essen«, betont Pfarrer Christian Weigl gegenüber der Münchener Nord-Rundschau.

Ein »freudiger Tag« für Milbertshofen sei dies, meint Singhammer anlässlich der Küchenübergabe. Doch ob für die Betroffenen, Weigl rechnet mit 50 bis 60 Essensgästen, die wöchentliche Essensausgabe wirklich ein Grund zur Freude sein wird, lässt sich bezweifeln. Eine Frage der Würde. Dass immer mehr Menschen in Milbertshofen auf solch ein Angebot angewiesen sind, ist jedenfalls sicher kein Grund zur Freude. Viele Fragen nach Gerechtigkeit.

Den Spendenanteil der UBS in Höhe von 7.500 Euro haben die Mitarbeiter selbst aufgebracht. »Wir sitzen wenig mehr als vielleicht drei Kilometer weit weg, beim Friedensengel«, sagt Stephan Rupprecht; Managing Director bei der UBS. »Da kann man sich eine solche Armut, wie es sie hier in Milbertshofen gibt, gar nicht vorstellen. Das hat sicher auch etwas mit Privilegien zu tun«, wird er nachdenklich. Doch die Frage der Nord-Rundschau, ob bei ihm als Banker angesichts der Banken- und Wirtschaftskrise Zweifel am Verantwortungsbewusstsein derer aufkommen, die statt mit einstelligen regelmäßig mit mindestens siebenstelligen Eurobeträgen umzugehen haben, beantwortet er ausweichend: Wichtig sei ein »gutes Einvernehmen zwischen Wirtschaft und Staat«.

Ähnlich sieht es Johannes Singhammer – und verweist auf die Frage, wie man bedürftigen Milbertshofenern helfen könne, auf die aktuellen Konjunkturpakete der Bundesregierung. Darauf angesprochen, dass Einkommenssteuerentlastungen und höhere Freibeträge den Besuchern von Kirchenküchen aber kaum helfen, da sie für sie gar nicht relevant sind, betont er, dass sich vor allem Leistung lohnen müsse. Auf der anderen Seite ist er aber für die Förderung von Arbeitsverhältnissen durch den Staat, deren Entlohnung auch bei Vollzeitbeschäftigung so gering ist, dass ein Auskommen unmöglich ist. Hier solle der Staat den Lohn aufstocken – das viel diskutierte »Kombilohn«-Modell. Außerdem sieht er die Kommune in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass München das selbst gesteckte Ziel von 7.000 neuen Wohnungen pro Jahr erreicht (zuletzt waren es knapp über 4.000), um durch ein größeres Wohnraumangebot die Mieten bezahlbar zu halten.

Einen Anreiz, auch private Anbieter für Sozialwohnungsbau zu interessieren, sähe Singhammer darin, nicht mehr als 25 Prozent einer Sozialwohnungssiedlung mit Migranten zu belegen. In Milbertshofen-Am Hart, dem elften Bezirk, wohnen zu 35,2 Prozent Ausländer.

Dazu kommen 16 Prozent Deutsche mit Migrationshintergrund (jeweils Stand 31. 12. 2007, Statistisches Amt München). Zusammen bilden sie also die Mehrheit der Stadtteilbevölkerung. Laut Armutsbericht 2007 der Stadt München haben »Bürgerinnen und Bürger mit nicht-deutschem Pass (…) ein doppelt so hohes Armutsrisiko wie Deutsche.« Doch der traurige zweite Platz des Stadtteils im Münchner Armutsbericht wäre auch mit einem geringeren Ausländeranteil möglich – denn die Frage, wo man hinzieht, ist eben auch für Deutsche gerade im elften Stadtbezirk häufig eine Frage des Geldes.

»In Milbertshofen weiß man, warum man ›Kirche‹ ist«, beschreibt es Pfarrer Christian Weigl im Interview nach der Küchenübergabe – und erzählt, wie er zunächst nur die lebenswerten Seiten des Viertels kennengelernt hat, erst nach und nach als Pfarrer mit der versteckten Armut vieler Menschen, die hier leben, konfrontiert wurde. Er ist froh, dass Singhammer den Kontakt zu den beiden Spendern hergestellt hat, damit er das Projekt Kirchenküche starten kann. »Der Bedarf wächst«, stellt er fest. Initialzündung für die Idee einer eigenen Kirchenküche war die steigende Nachfrage bei dem Angebot der »Münchner Tafel«, die sich gezwungen sieht, ihren Mittagstisch in Milbertshofen zweimal statt einmal pro Woche anzubieten.

»Hartz IV produziert langfristig Armut – und wir spüren es hier in Milbertshofen«, stellt Weigl fest. Bei denen, die die Gesetze betreffen, sei die Politik mit einem resignierten »Für uns taugt das alles nichts« abgeschrieben. »Und im Grunde stimmt das«, fügt der Pfarrer hinzu. Er fordert, jeden Betroffenen als Einzelfall zu behandeln, nicht bloß zu verwalten. Dafür müsse in den Arbeitsagenturen und besonders den »ARGEn« das Personal aufgestockt werden.

Zu den Zahlenspielen von Politik und Wirtschaft äußert sich Diakon Alexander Dvorak: »Diejenigen, die beschließen, dass ihnen die erzielten Prozentpunkte an Rendite immer noch nicht reichen, sollten sich einmal überlegen, ob sie bereit wären, auch nur ein paar Wochen von dem Geld zu leben, dass sie ihren Angestellten zahlen. Deutschland ist Exportweltmeister und eines der reichsten Länder der Erde – da sollte es doch möglich sein, von 40 Stunden Arbeit in der Woche zu leben – und zwischendurch auch einmal in den Urlaub zu fahren!« Überhaupt sieht Dvorak in der »Unsichtbarkeit« von Armut einen Grund, weshalb viele Menschen noch zu wenig zum Teilen bereit seien. Und fügt hinzu: »Aber alle sind herzlich eingeladen, sich die Situation bei unserer ersten Kirchenküche-Essensausgabe anzuschauen.« Das gilt sicher auch und besonders für Entscheider in Wirtschaft und Politik. Eva Mäkler

Artikel vom 13.01.2009
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