»Der Pelikan« von August Strindberg im Wolf-Ferrari-Haus

Ottobrunn · Das Böse in Person

Sohn Frederik wagt es endlich, seiner Mutter die Wahrheit zu sagen.  Foto: TAT

Sohn Frederik wagt es endlich, seiner Mutter die Wahrheit zu sagen. Foto: TAT

Ottobrunn · Düster und karg wirkt der Raum, in dem eine mondän gekleidete Frau reglos am Fenster steht. Doch der Traum, aus dem sie hofft zu erwachen, ist kein Traum, sondern ihr mit Bitterkeit, Hass und Gier angereichertes Leben.

Jahrelang hat sie ihrer Familie nur verwässerte Essens-Reste vorgesetzt, während sie für sich selbst den Rahm von der Milch schöpfte, hat das Geld für das Brennholz unterschlagen und ihre Familie frieren lassen. Nun ist der Mann tot und sie sucht fieberhaft nach einem Testament, in der Angst, nun mittellos dazustehen.

Doch der kränkelnde Sohn (Patrick Gabriel) beginnt zusammen mit seiner Schwester Gerda (Katja Schanz) und deren Ehemann (Andreas Geißbauer) mit ihr abzurechnen, nachdem er einen Brief des Vaters gefunden hat, in dem dieser die Wahrheit über die Mutter (Rita Schlesinger-Spies) präsentiert. Nach und nach bekommt sie die Rache all derer zu spüren, die sie jahrelang belogen, betrogen und misshandelt hat, sogar von der Haushälterin (Christiane Hedtkamp) und vom Geist ihres verstorbenen Mannes – bis der Sohn durch ein Feuer dem Drama ein Ende bereitet.

Unter dem Titel »Der Scheiterhaufen« wurde das Familiendrama August Strindbergs 1908 in Wien uraufgeführt.

Regisseur Bernd Seidel inszeniert mit seinem Ensemble des TAT München unter dem Titel »Der Pelikan« mit wohl dosierten Mitteln ein unter die Haut gehendes Psycho-Drama, das nichts an Aktualität verloren hat. Durch das Spiel von Licht, kargen Bühnenelementen und Designer-Klamotten der Akteure verdeutlicht Seidel die Diskrepanz zwischen Schein und Sein, zwischen gutbürgerlichem Haus und gespenstisch wirkenden Figuren, die Opfer ihrer eigenen Verlogenheit und Verdrängung sind.

Die absolut sehenswerte Inszenierung mit einer hervorragenden Leistung aller Darsteller vermag auch ein junges Publikum zu begeistern, das ansonsten mit klassischer Literatur wenig anzufangen weiß.

Nach einer äußerst erfolgreichen Premiere in Bruckmühl wird das Stück nun am Donnerstag, 16. Oktober, um 19.30 Uhr, im Wolf-Ferrari-Haus aufgeführt. Der Eintritt kostet 22 Euro, ermäßigt 18,50 Euro. Karten können unter Tel. 6 08 08 - 3 02 reserviert werden.

Sybille Föll

Artikel vom 08.10.2008
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