Münchens Bürger sortieren „Papi-ertüten“ und „Kaff-eefilter“ aus

München - „Weltmeister im Mülltrennen“

Sie können nicht vernünftig arbeiten, wenn Autofahrer Müllcontainer zuparken: Münchens Müllmänner. Foto: awm

Sie können nicht vernünftig arbeiten, wenn Autofahrer Müllcontainer zuparken: Münchens Müllmänner. Foto: awm

248 Kilo Müll produziert der Münchner im Jahr: und damit 133 Kilo weniger als der Kölner, 130 Kilo weniger als der Hamburger und 110 Kilo weniger als der Gelsenkirchener. Auch produziert der Münchner von heute halb so viel Müll wie der Münchner von vor 15 Jahren: Der städtische Abfallwirtschaftsbetrieb (AWM) ist höchst zufrieden mit dem „Mülltrenn-Verhalten“ der Münchner Bevölkerung.

Hiesige Müllmänner haben dennoch Grund zur Klage: täglich kämpfen sie mit Falschparkern – und ihrem Image.

„Papi-ertüte“, „Kaff-eefilter“ und „Klor-olle“: Was seit wenigen Monaten auf den 180 Münchner Müllautos und allen 390.000 Restmüll-, Bio- und Papiertonnen der Stadt zu lesen ist, sind keine neuen Auswüchse der Rechtschreibreform – es handelt sich hierbei um die neue Kampagne der Stadt zur besseren Mülltrennung. „Wir haben für diesen Werbefeldzug fast ausschließlich positives Feedback bekommen“, sagt Arnulf Grundler, Pressesprecher des städtischen Abfallwirtschaftsbetriebes, und fügt grinsend hinzu: „Allein Münchens Lehrer haben anfangs geschimpft – aus Sorge, die Schüler könnten unsere Trennungsregeln übernehmen.“ Ziel der Kampagne sei es, die Münchner zu noch besserer Mülltrennung zu animieren – wovon jene übrigens selbst profitieren würden: denn wer noch mehr Papier in den Papiermüll, Glas in den Container und Biomüll auf den Kompost bringt, kann letztlich auf eine kleinere Restmüll-Tonne umsatteln. „Die kostet natürlich weniger“, erklärt Grundler.

Allerdings will der AWM-Pressesprecher die Münchner nicht schelten: „Wir sind Weltmeister im Mülltrennen“, sagt er. Denn während der Durchschnitts-Münchner 248 Kilo Restmüll im Jahr produziert, bringt er stolze 199 Kilo Wertstoffe in die vorgesehenen „richtigen“ Container; von dort aus werden sie in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt. Sprich: wirft der Münchner Altglas in die entsprechenden Container, entstehen daraus neue Flaschen. Übrigens besteht auch das SamstagsBlatt zu 90 Prozent aus Altpapier, das Sie, liebe Leser, zuvor in die Papier-Tonne gegeben hatten, damit es recycelt werden kann.

Die Münchner vermindern durch die Mülltrennung nicht nur die sogenannte Restmüll-Menge, sie schützen auch die Umwelt – und lassen beim Abfallwirtschaftsbetrieb die Kassen klingeln: rund 5 Millionen Euro jährlichen Umsatz macht er durch den Weiterverkauf der Wertstoffe. Insgesamt werden pro Jahr 100.000 Tonnen Papier, 40.000 Tonnen Sperrmüll, 36.000 Tonnen Biomüll, 26.000 Tonnen Altglas – und weitere „kleinere“ Mengen Müll wiederverwertet.

Bereits seit über hundert Jahren beschäftigten sich die Deutschen mit der geordneten Beseitigung von Müll. Aus gutem Grund: Abfall verursacht Gestank und Krankheiten. Im Jahr 1893 wurde in Hamburg nach einer Cholera-Epidemie die erste Müllverbrennungsanlage Deutschlands gebaut, etwa zur selben Zeit ging in München die erste Hausmüllsortierung für Glas, Papier, Lumpen, Metall und Knochen in Betrieb. Aber erst im Jahr 1972 trat das erste bundesweite Abfall-Beseitigungsgesetz in Kraft: 98 Prozent der Bundesbürger waren fortan an eine geordnete Müllabfuhr angeschlossen.

In München konnte innerhalb der letzten 15 Jahre – nach dem Antritt von Rot-Grün – der Müllberg um die Hälfte verkleinert werden: „Wesentliche Gründe hierfür waren die Einführung des 3-Tonnen-Systems: die Münchner unterscheiden seither ihre Abfälle in Rest-, Papier- und Biomüll“, führt Grundler aus. „Ferner wurden in den letzten Jahren zwölf neue Wertstoffhöfe in der Stadt gebaut; auch wurde die Trennpflicht von Gewerbebetrieben verschärft – und bei Großveranstaltungen auf öffentlichem Grund ist seit geraumer Zeit der Einsatz von Einweg-Verpackungen untersagt.“ Die Maßnahmen waren so erfolgreich, dass dem Heizkraftwerk Nord der Müll zum Verbrennen ausging – bis Sommer 2005: „Seither darf nichts deponiert werden, was nicht vorbehandelt wurde“, erklärt Grundler. Was bedeutet, dass seither viele Münchner und auswärtige Firmen so viel Müll zum Verbrennen ankarren, dass jener teilweise im Entsorgungspark Freimann zwischengelagert werden muss, bis ein Heizofen frei wird. „Es ist seither wieder wichtiger geworden, dass auch Unternehmen verstärkt den Müll trennen.“

Und auch bei Weltmeistern ist nicht alles perfekt, wie Grundler klagt. Vor allem sperrmüllbeladene Müllcontainer bereiteten große Probleme. „Das geht auf Kosten der Allgemeinheit, weil die Nachbarn ihren Müll dann nicht mehr unterbringen.“ Und auch die Männer an der Müllfront haben Sorgen: „Viele Bürger halten uns scheinbar für blöd. Sie beschimpfen uns auf primitivste Weise, wenn unser Müllwagen in ihrer Straße steht und unter Umständen für einen kurzen Stau sorgt – dabei müssen wir unsere Arbeit machen“, sagt ein Vorarbeiter eines Müllautos gegenüber dem SamstagsBlatt.

Überhaupt sei das Arbeiten auf der Straße anstrengend: oftmals seien die Müllcontainer zugeparkt, so dass die Müllmänner keinen Zugriff darauf haben – und die Falschparker ließen sich alle Zeit der Welt, um endlich wegzufahren. „Und wenn ich Autorasern sage, dass sie nur in Schrittgeschwindigkeit an unserem Müllauto vorbeifahren dürfen, reden sie uns schwach an“, klagt er. „Es gibt Menschen, die würden sich nie von einem Müllmann korrigieren lassen – auch nicht, wenn wir im Recht sind.“ Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 18.01.2007
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