Der Stadtteil-Jahresrückblick

Schwabing · Das war 2006

»Schwabinger Krawalle« 2006: Bis zu 100.000 Menschen machen die Leopoldstraße während der WM zur absoluten Fußgänger- und Feierzone.

»Schwabinger Krawalle« 2006: Bis zu 100.000 Menschen machen die Leopoldstraße während der WM zur absoluten Fußgänger- und Feierzone.

Besonders heftige Diskussionen gibt es 2006 um das Neubaugebiet Ackermannbogen. Daueraufreger ist der Schulweg. Riesenpfützen, Berge aus aufgeschütteter Erde und Gitterzäune machen daraus ein Hindernisrennen. Der Grund: Die Schule liegt auf der anderen Seite des südlichen Olympiaparks.

Jahresrückblicke der Münchner Wochenanzeiger

Seit ab 12. Juni die Planunterlagen für den letzten Bauabschnitt öffentlich sind, kocht – nicht immer sachlich – die Debatte um den Supermarkt-Standort. Gegen den vom Planungsreferat vorgesehenen Ort am zentralen Stadtplatz sammelt das »Forum Schwabing am Olympiaberg« 400 Unterschriften. Deren Favorit ist die Schwere-Reiter-Straße, dort würde nicht so viel Verkehr von außen ins Viertel kommen. Im Dezember hat Bezirksausschuss-Chef Walter Klein eine vielleicht alle zufriedenstellende Idee: 50 Meter westlich vom Stadtplatz, mit Zufahrt über die Ackermannstraße.

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Der erste Neubau einer Straßenbahn in München seit 32 Jahren soll die Neubaugebiete Parkstadt Schwabing mit der Innenstadt und der U-Bahn verbinden. Anfang Juli gibt die Regierung grünes Licht durch den Planfeststellungsbeschluss für die neue Linie 23. Baubeginn soll im Frühjahr 2007 sein. Vorausgegangen sind der Entscheidung gut fünf Jahre Planungen und heftige Diskussionen.

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Ab Frühjahr 2007 wird die wohl am stärksten belastete Autobahnbrücke Deutschlands, der Tatzelwurm, neu gebaut. Im Sommer stellen die Planer die Bauphasen und Umleitungen vor. Bis zu 140.000 Autos fahren täglich über die marode Konstruktion von 1960 am Föhringer Ring. 37 Millionen Euro kostet die Sanierung. Im April 2010 soll alles fertig sein. Die Planer rechnen mit einer bis zu achtmal höheren Verkehrsbelastung auf der Umleitungsstrecke. Es droht Schleichverkehr.

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In Sachen Trambahn durch den Englischen Garten haben die Stadtwerke Ende Juli eine neue Strategie eingeschlagen: Durch neue Energiespeichermedien soll die eine Kilometer lange Strecke, jetzt Busstrecke, ohne Oberleitungen fahren. Der Hausherr, Finanzminister Kurt Faltlhauser, seit Amtsantritt 1998 größter Gegner der Tram, betont daraufhin erneut, mit ihm werde es diese Tram »nie geben«. Die SWM bleiben ruhig: 2008 ist Landtagswahl.

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Der Stadtrat beschließt im Juli eine Umweltzone. Das Stadtgebiet innerhalb des Mittleren Rings ist ab 1. Oktober 2007 für Autos ohne geregelten Katalysator und Dieselfahrzeuge, die die EURO 2-Norm (bis Baujahr 1992/3) nicht erfüllen, gesperrt.

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Zukunft gesichert für Europas größte Künstlerkolonie? Ende 2007 soll das Domagkgelände abgerissen werden. Im Herbst bietet die Stadt den Künstlern einen budgetfreundlichen Erbpachtvertrag an. Zusammen mit dem Projektentwickler Comes Real überlegen die Künstler Perspektiven: Zwei Häuser, 15.000 Quadratmeter, für etwa 110 Ateliers.

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Im Herbst moniert mal wieder ein Anwohner die unerträgliche Situation durch Alkohol- und Drogenkranke am Hohenzollernplatz. Der Platz sei »objektiv sicherer« geworden, sagt die Polizei Schwabing. Deren Erklärung: Wahrscheinlich auch wegen der nach der Beschwerde häufigeren Platz-Besuche der Beamten.

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Sechsmal sorgen die »Urbanauten« im Herbst für Stimmung im öffentlichen Raum, darunter am Siegestor. Die siebte und letzte Aktion vor Weihnachten fällt aus: laut »Urbanauten« nach Diskussionen mit der Polizei, ob ein Projekt noch Kunst sei, wenn so viele Besucher kommen.

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Seit Mitte Dezember steht fest: Am 22. Januar 2007 starten die ersten zwei Areale der sechs neuen Parklizen gebiete in Schwabing: »Bayernplatz« und »WestSchwabing«. Im Frühjahr 2007 folgen Stück für Stück die restlichen Abschnitte, die vom Englischen Garten bis Schleißheimer Straße, von Parzivalstraße bis Georgenstraße reichen.

Nach über hundert Jahren bröckelt die Bausubstanz des freistehenden Turms von St. Ursula am Kaiserplatz. Zum Schutz vor herabfallenden Steinbrocken ist das 64-Meter-Trum seit Februar sicher verpackt. Die Bauarbeiten sollen drei bis vier Jahre andauern, doch sie können erst beginnen, wenn genügend Spendengelder da sind. Derzeit fehlen knapp 160.000 Euro. Die Gesamtkosten betragen 500.000 Euro. Davon muss die Pfarrgemeinde 230.000 Euro beisteuern. Seit 2. Februar 2006, Lichtmeß, erleuchtet eine Lichtinstallation des Münchner Lichtdesigners Ingo Maurer den Schwabinger Nachthimmel. Zur WM ergänzt ein unbekannter Spaßvogel den eigentlich schwer zugänglichen Turm um eine Deutschlandfahne.

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Erstmals beleuchtet ein Buch die wahre(n) Geschichte(n) der »Schwabinger Krawalle« an einem heißen Juniabend vor 44 Jahren. Das gleichnamige Werk wird Anfang Juli vorgestellt. Bei der Präsentation sind auch Zeitzeugen zu Gast. Darunter die »Auslöser«, die Straßenmusiker. Autoren sind junge Münchner Historiker um Herausgeber Gerhard Fürmetz.

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Klein, eckig, unscheinbar und rund 4.500 Mal über die ganze Stadt verstreut. Für zwölf Trafostationen der Stadtwerke München (SWM) ändert sich 2006 das dezente Erscheinungsbild. Der berühmte Münchner Graffiti-Künstler Loomit verwandelt die spannungsgeladenen Häuschen, in denen der Strom vom Mittelspannungsnetz mit 10.000 Volt auf die im Niederspannungs-Verteilungsnetz üblichen 400 Volt herunter transformiert wird, nach und nach in Kunstwerke. Ganz legal. Als erstes ist im August die Station am Habsburgerplatz dran.

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Die Schwabinger Theater-Kneipe »Heppel & Ettlich« in der Kaiserstraße feiert 2006 ihr 30-Jähriges. Bis heute stehen die Berliner Henny Heppel und Wolfgang Ettlich hinterm Tresen. OB Ude war Stammgast und Günther Jauch lernte hier seine Frau kennen.

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Seit August ist High Tech angesagt in der Stadtbibliothek Schwabing, 77 Jahre alt und eine der kleinsten Stadtbibliotheken, aber mit eine der höchsten Ausleihzahlen. Als sechste Münchner Bibliothek kann man in der Hohenzollernstraße 16 nun Medien vollkommen selbständig ausleihen, mittels Radio-Frequenz-Technik – bisher einmalig in Europa.

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»Die Schule hat mein Berufsbild entscheidend geprägt«, verrät Schauspieler Michael Lerchenberg (unter anderem »Stoiber«) im Gespräch mit den Schwabinger Seiten über seine Zeit an der Hermann-Frieb-Realschule. Seine Schulkameraden: der damalige Kinderstar Hansi Kraus und Fußballer Willi Bierofka. Im Herbst feiert das Schulgebäude an der Hohenzollernstraße 140 sein 100-jähriges Jubiläum. Das 1906 hochmoderne Jugendstilhaus, im damals dort noch unbebauten Schwabing hat eine wechselvolle Geschichte: Reformschule, in Kriegszeiten Kaserne und Lazarett, nach 1945 Krankenhaus, seit 1962 »Mittelschule für Knaben« und heute die einzige Realschule Bayerns mit musischem Zweig.

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»Der da obn moant’s guat mit mir«, so erklärt Maximilian Brückner, Schauspieler (»Boandlkramer«) am Volkstheater in der Brienner Straße, ohne Koketterie in den »Schwabinger Seiten« sein wohl bisher erfolgreichstes Jahr. Neben tollen Hauptrollen, diversen Auszeichnungen und Nominierungen, darunter für den Grimme-Preis, gibt der eingefleischte Chiemgauer im Herbst sein Debüt als bisher jüngster »Tatort«-Kommissar – als Bayer im Saarland. Im Dezember wird der 27-Jährige zum »Shooting Star 2007« gekürt. Damit gehört Brückner zu den jungen Top-Schauspielern, die Februar 2007 auf den 57. Internationalen Filmfestspielen in Berlin besonders herausgestellt werden sollen.

Das Sommermärchen 2006: Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land. Dem WM-Fieber von 9. Juni bis 9. Juli kann sich kaum jemand entziehen, Nicht zuletzt wegen des gigantischen Sommerwetters spielt sich das Leben auf der Straße ab. Ideal dafür: der Schwabinger Boulevard, zur Leo-Podolski-Straße und zeitweilig zur absoluten Fußgängerzone umfunktioniert. Die Polizei ist voll im Einsatz, aber trotz bis zu hunderttausend Menschen auf der Straße muss sie selten einschreiten. Alles bleibt weitgehend friedlich. Was nervt: zerbrochene Flaschen auf der Straße, an denen sich manche im Getümmel verletzen. Fast in Sichtweite finden im neuen Stadion die herrlichsten Spiele statt, etwa das Eröffnungsspiel Deutschland gegen Costa Rica oder das Superspiel gegen Schweden. Ein kollektiver, glückseliger, harmonischer Fußballrausch mit einer Ernüchterung am Ende. Für manche war die WM-Euphorie dann irgendwie vorbei: Deutschland Dritter, aber auf alle Fälle der Weltmeister der Herzen.

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Trotz einer Demo von 200 Jugendlichen gehen in der Euro Skate Halle in der Leopoldstraße 250 am Freitag, 31. März, die Lichter aus. Über zwei Jahre hatten Euro Skate und die Arbeitsgruppe Buhlstraße e.V. gegen die Schließung gekämpft – und schließlich doch verloren. Jetzt müssen die Jugendlichen wohl auf Straßen, Tiefgaragen und U-Bahnhöfen skaten.

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Das Wochenanzeiger-TriTop-Team, darunter Leserin Stefanie Mahler aus Schwabing, erregt beim Jedermannrennen der Deutschlandtour in Bad Tölz bewunderndes Staunen: 40 Kilometer auf einem Bonanzarad mit drei Gängen über Berg und Tal – statt mit Hightech-Rennmaschine wie die anderen Hobbyfahrer.

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Mit einem großen, mehrtägigen Fest feiert der FC Schwabing Mitte Juli sein 50-jähriges Bestehen. Gut 30 Jahre führte der Verein ein Nomadendasein, heute sitzt er in der Guerickestraße. Auch 2007 gibt es für den FC Anlass zur Freude. Im Herbst macht der Stadtrat 850.000 Euro locker für die langersehnte Instandsetzung der Bezirkssportanlage. Im Sommer 2007 soll der Sportplatz fertig sein.

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Superrasen statt Betonpiste auch im Olympiapark: Der Schauspieler Oliver Korittke eröffnet im Oktober den sanierten Bolzplatz nördlich des Tollwoodgeländes. Im Frühjahr sollen kleine und große Fußballfans dort wieder gescheit kicken können. Die Gesamtkosten von 30.000 Euro zahlen der Bezirksausschuss Schwabing-West, die Stadt und eine Jeansfirma.

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Sie sind erst diesen Sommer nach einer Spielrechtsübertragung von der FTM Schwabing zum MTV München gekommen. Jetzt überwintern die MTV-Volleyballer an der Tabellenspitze. So lautet die beeindruckende Bilanz der Regionalliga-Mannschaft des Vereins, die in der Häberlstraße, Isarvorstadt, trainiert und spielt. Der MTSV Schwabing hat sich 2006 durchgebissen: Mit Sandra Carroll vorneweg sind die Basketballerinnen in der Bundesliga auf direktem Kurs Richtung Playoffs. Für die Basketballerinnen des MTSV Schwabing ist dieses Jahr deshalb ein gutes Jahr gewesen. Nach ihrem Aufstieg in die Erste Bundesliga schaffen die Spielerinnen in der Runde 2005/06 den Klassenerhalt. Dazu kommt als Belohnung auch noch das Erreichen des Finalturniers im Pokal. Im kommenden, zweiten Jahr will der Schwabinger Verein den Schritt in die Playoffs machen. Und auch da ist Schwabing mit aktuell 10:14 Punkten auf einem sehr guten Weg. Alles, was der MTSV erreichen wollte, hat er 2006 geschafft. So kann es weiter gehen. ms

Artikel vom 27.12.2006
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