OB Ude macht „Außenpolitik“ zum Wahlkampfthema

Wie viel München steckt in Europa?

Oberbürgermeister Ude wünscht sich, dass München in Europa mitredet. Weil er sich nicht  „von oben“ diktieren lassen will, was „unten“ nicht oder ganz anders funktioniert. Montage: clash

Oberbürgermeister Ude wünscht sich, dass München in Europa mitredet. Weil er sich nicht „von oben“ diktieren lassen will, was „unten“ nicht oder ganz anders funktioniert. Montage: clash

Willkommen im Wahlkampf-Wunderland! Zumindest die Startphase beim Rennen um die Münchner Oberbürgermeister-Krone verläuft gerade vergleichsweise überraschend: Die Münchner CSU etwa ernannte vor wenigen Tagen ihren OB-Kandidaten Josef Schmid zum Vorsitzenden – ohne jeglichen Streit! Dafür hakeln sich die Grünen, weil beinahe ein jeder von ihnen zum aussichtslosen Kandidaten gekürt werden will. Und der ewige Ude setzt im Wahlkampf unter anderem auf ein Thema, das erst mal sonderlich und ein bisserl größenwahnsinnig klingt: er will mehr München in der EU.

80 Prozent der Europäer wohnen in Städten und Ballungsräumen; in der Bundesrepublik vertritt der Deutsche Städtetag die Interessen von 4.700 Gemeinden mit ihren insgesamt 51 Millionen Einwohnern. Und Münchens Oberbürgermeister Christian Ude ist Präsident des Städtetags und tritt dabei aktiv für die kommunale Selbstverwaltung ein. Auf gut Deutsch: Die Städte und Gemeinden wollen möglichst eigenständig entscheiden: Strom, Wasser und der MVV sind nur einige Beispiele, wo zunehmend der Einfluss der EU droht.

Natürlich sei Europa wichtig und richtig, heißt es beim Städtetag. Aber bei der länderübergreifenden Arbeit dürfe nicht vergessen werden: Etwa 60 Prozent der europäischen Regelungen wirken bis auf die kommunale Ebene herunter; daher müssten die Erfahrungen der Stadtbewohner beim Gesetzmachen berücksichtigt werden. Ude: „Auf der örtlichen Ebene erweist sich in der Praxis, ob die Normen und Vorgaben der EU sinnvoll und lebensnah sind.“

Vor allem im Sozial- und Gesundheitsbereich wünscht sich der OB weniger EU: Die Arbeit von lokalen, historisch gewachsenen sozialen Institutionen sei oft nicht regelkonform, aber trotzdem ausgezeichnet. In anderen Punkten hingegen erhofft sich Ude mehr aktive Einmischung: Zum Beispiel bei der Einhaltung der Feinstaub-Grenzwerte. Denn „isolierte kommunale“ Maßnahmen wie Fahrverbote oder eine City-Maut könnten nicht alleine für eine frische Luft sorgen: nur ein Bündel von Maßnahmen, bei denen Stadt, Bund, EU und Industrie an einem Strang ziehen, könnten dem Feinstaub Herr werden.

Das sieht Udes Konkurrent Schmid genau so. Doch: „Es zeichnet Herrn Ude nicht aus, dass er um mehr Rechte und Zuständigkeiten für die Stadt kämpft“, wie er sagt. „Das würde jeder Oberbürgermeister tun.“ Überhaupt sei die gesamte Stadtverwaltung bereits seit Jahren damit beschäftigt, an Europa mitzuarbeiten.

Und tatsächlich kümmert sich jedes Referat in Eigenregie um Europa-Angelegenheiten; das Referat für Arbeit und Wirtschaft ist für die Koordinierung der städtischen Europa-Aktivitäten zuständig. Eurocities heißt etwa der Zusammenschluss großer Europa-Metropolen, darunter München. „Für die politischen Akteure der Landeshauptstadt wird es immer wichtiger, sich frühzeitig über die Verhandlungen zu neuen politischen und legislativen Initiativen der Europäischen Kommission zu informieren und gegebenenfalls auf europäischer Ebene ‚Verbündete’ zu suchen“, betont Reinhard Wieczorek, Chef des Referats für Arbeit und Wirtschaft. Daher hätten die städtischen Referate in den vergangenen Jahren den Stadtrat zu aktuellen EU-Gesetzgebungsverfahren „verstärkt detailliert informiert“ und die politischen Kontakte der Landeshauptstadt mit europäischen Institutionen in Brüssel intensiviert.

Was bei all der Arbeit für Europa allerdings nicht aus dem Blick geraten darf, sei die Arbeit in München, wie CSU-Mann Schmid sagt. Er kritisiert, dass Ude in seiner Funktion als Städtetagspräsident „so oft in Deutschland unterwegs ist, dass es auf Kosten seiner Termine in München geht.“ Des öfteren hätten Münchner Vereine beklagt, dass sie seit Udes bundesweitem Engagement kein Gehör mehr bekämen. „Entscheidend ist, dass Ude trotz seines Städtetags-Mandats die Probleme der Stadt im Blick behält und nicht nur nach Höherem strebt.“ Schmid schlägt daher augenzwinkernd vor, dass er sich künftig als OB um die städtischen Angelegenheiten kümmern könnte – und sich Ude als Städtetagspräsident weiter in Europa einmischt.

Dieser Wunsch allerdings dürfte dem CSU-Kandidaten in dieser Form nicht erfüllt werden: Sollte Ude 2008 nicht mehr zum OB gewählt werden, müsste er nach Angaben des Städtetag-Sprechers Volker Bästlein auch auf sein Mandat als Städtetags-Präsident verzichten: jenes dürfe nur von einem aktiven Oberbürgermeister ausgeübt werden. Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 14.12.2006
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