Daniel Sell ist Jungenbeauftragter der Moosacher Artur-Kutscher-Realschule

Moosach · Nichts für Mädchen

Gewalttätige Medien-»Helden« sind keine Vorbilder: Das will der Jungenbeauftragte Daniel Sell seinen Schülern verdeutlichen.	Foto: ras

Gewalttätige Medien-»Helden« sind keine Vorbilder: Das will der Jungenbeauftragte Daniel Sell seinen Schülern verdeutlichen. Foto: ras

Moosach · Älterwerden – das fiel noch keinem leicht. Ein richtiges Problem allerdings sei das Heranwachsen in der heutigen Zeit vor allem für männliche Jugendliche, wie der Moosacher Lehrer Daniel Sell überzeugt ist: Denn viele Buben wachsen vaterlos auf, sind bereits in der Kindheit mit Gewalt konfrontiert oder befürchten, in diesen Zeiten der Arbeitslosigkeit künftig keine eigene Familie ernähren zu können.

Sell konnte dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen und ist daher seit sechs Jahren als Jungenbeauftragter der Artur-Kutscher-Realschule Ansprechpartner für die Sorgen und Nöte von Buben. In dieser Funktion versucht er, seine »Klienten« zu sensiblen, selbstbewussten Menschen zu erziehen.

Es klingt so schön: Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen, Chancengleichheit für Männer und Frauen zu haben. Doch vor allem Buben, da ist Sell überzeugt, bekommen die Kehrseite des beruflichen Erfolges beider Elternteile zu spüren: »Traditionelle Rollenverständnisse gibt es nicht mehr. Das führt zu Orientierungslosigkeit bei den Buben«, glaubt der Moosacher Deutsch- und Kunstlehrer. Viele männliche Heranwachsende befänden sich in einem Identitätskonflikt: Wenn Familien unter Erfolgsdruck auseinander brechen, ist der Vater oft nicht mehr präsent. Die Buben suchen sich Ersatzvorbilder »und finden sie in den Medien. Dort sind der coole US-Rapper und Straßenjungen, die sich in Großstädten Bandenkriege liefern, angesagt.«

Der Pfeife rauchende Papa hingegen, der sich zumindest abends um die Belange der Kinder kümmert, sei eine aussterbende Spezies: Ein Großteil der Familienväter sei überarbeitet, wolle am Feierabend seine Ruhe – oder verbringe jenen jobbedingt in einer anderen Stadt. Die Folgen seien gravierend: »Weil Filmhelden oftmals mit Gewalt ans Ziel kommen, versuchen das auch die Jugendlichen.«

Und genau hier setzt Sells Arbeit an: Mit projektbezogenen Workshops will er den Schülern verdeutlichen, dass Gewalt die schlechteste aller Lösungen sei. Sell will Alternativen aufzeigen – auch bei der Berufswahl: »Es gibt nicht nur den Mechatroniker, es gibt auch den Sozialpädagogen. Durch Rollenspiele will ich den Jugendlichen solche Möglichkeiten aufzeigen. Einmal habe ich die Buben auch dazu aufgefordert, einem Teddybären die Windeln zu wechseln«, schildert Sell und lacht. Und weil die Fähigkeit, freundlich auf andere zuzugehen, auch mit Sprache zu tun habe, hat er ein »Schimpfwörter-Projekt« ins Leben gerufen: Eine Gruppe von Achtklässlern sollte sich unflätige Ausdrücke zurufen. Das Ergebnis: »90 Prozent der Schüler sagten, dass sie die Wörter, die sie benutzten, selbst nicht hören wollen.« Mit einem »Vertrag«, den die Schüler schlossen, verpflichteten sie sich daraufhin zu einem respektvolleren Umgang miteinander.

Simon Heimath und Patrick Smolick, beide Schüler von Sell, sind begeistert von den Projekten: »Wir waren bei vielen Workshops dabei, alle haben Spaß gemacht«, schwärmen die beiden 14-Jährigen. Und wer weiß, vielleicht arbeiten sie eines Tages wirklich als Arzthelfer oder Sekretäre. Rafael Sala

Artikel vom 14.11.2006
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