Christian Ude in Ostanatolien zum Ehrenbürger ernannt

Unterwegs im wilden Kurdistan

Als gelehriger Schüler erwies sich OB Ude, gerade frischgebackener Ehrenbürger von Pülümür. Im Laufe des Honigfestes wagte Christian Ude übrigens mehrere der anatolischen  Rundtänze.	 Fotos: Inés Berber

Als gelehriger Schüler erwies sich OB Ude, gerade frischgebackener Ehrenbürger von Pülümür. Im Laufe des Honigfestes wagte Christian Ude übrigens mehrere der anatolischen Rundtänze. Fotos: Inés Berber

Donnerstag: Münchner Flughafen, Terminal 1, Ebene C, beim Schalter der Turkish Airlines, 17.15 Uhr (etwa 17 Grad Celsius): Unruhig schaut Ali Kilic, der Vorsitzende des bundesdeutschen Vereins der „Deutsch-Türkischen Freundschaftsföderation“, auf die Uhr. Denn seine Hauptakteure für die nächsten fünf Tage – Oberbürgermeister Christian Ude und seine Frau Edith von Welser-Ude – sind noch nicht aufgetaucht.

Genau eine Stunde später soll die Maschine nach Istanbul losgehen, wo aber ist der OB? Da klingelt ein Handy: „Wir sind gleich da“, die Erklärung folgt: Katze Lola hatte die Abreiseambitionen von Herrchen und Frauchen genau beobachtet und sich zum passenden Zeitpunkt versteckt. Es half kein Rufen, kein Locken, sie blieb verschwunden. Voller Unruhe begab man sich doch auf die Reise und erst am Abend kam die erleichternde SMS des Sohnes: „Lola ist da, ich streichele sie gerade“.

Großes Aufatmen, die SMS kommt gegen 22 Uhr an, inzwischen sitzt man allerdings am Meeresstrand in Istanbul, im Garten eines Strandrestaurants, an einer riesigen Tafel voller Köstlichkeiten, die nur zur Vorspeise dienen. Etwa 15 türkische Top-Journalisten sitzen mit am Tisch, und bis 2 Uhr morgens muss Christian Ude unzählige Fragen beantworten.

Trotzdem hat man genügend Zeit, den in Salzteig gebackenen Meeresfisch zu genießen, die sonnengereiften Melonen als Nachtisch und überhaupt, die laue Luft – ganz anders als im kalten München. Dann ab ins Hotel, dem 89 Stockwerke hohen Polat-Hotel, wo sofort etwas augenfällig wird, die „Bierstube“, neben fünf anderen internationalen Lokalitäten, die zum Hotel gehören. „Irgendwann will ich da schon mal reingehen“, meint der OB.

Freitag, Flughafen Istanbul, 12.10 Uhr, rund 35 Grad Celsius, Abflug nach Erzurum, von wo aus der Weg mitten ins „wilde Kurdistan“ führt. Die Münchner Delegation wird in drei Privatautos verstaut, denn ganz ungefährlich ist die Chose nicht. Der Weg führt nach Pülümür, einem kleinen Städtchen mitten im kurdischen Gebirge und damit in ein Gebiet, das von der PKK oft terrorisiert wird. Zwei Stunden führt der Weg in das kurdische Gebirge, doch dann der Hammer: 26 Kilometer geht es hinauf nach Pülümür, auf einer Schotterstrecke, bei der jeder Meter Milliarden von Feinstaub-Partikeln aufwirbelt und Augen Mund und Nase völlig austrocknet.

Kurz vor Pülümür geht es vorbei an Militärposten (die dort als Abschreckung für die PKK stationiert sind) und plötzlich – unmittelbar vor der Stadt gibt es einen Stopp: Nein, keine Entführung, sondern ein herzliches Willkommen für Christian Ude. „Hosgeldin Christian!“ steht auf einem riesigen Plakat, die Musiker des Dorfes spielen auf.

Anschließend findet das Kontrastprogramm zum Luxus-Hotel in Istanbul statt: Unterbringung in einem Haus, das Mesut Coskun, der Bürgermeister von Pülümür, von deutschen Spendengeldern eingerichtet hat. Das Haus wird 24 Stunden von den Mitgliedern des Stadtrates bewacht, die im übrigen auch für das Essen sorgen. Stundenlang brieten sie Lämmer, bereiteten diverse heimische Gemüse zu und brachten als Dessert Trauben, verschiedene Melonen, Feigen. Gegen 22 Uhr geht man zu Bett, gut bewacht.

Samstag, Pülümür: Nach dem Frühstück geht es zur Grundsteinlegung für das künftige „Christian Ude-Kulturzentrum“. Eingebettet ist die Veranstaltung in das große Honigfest von Pülümür. In seiner Ansprache erinnert Christian Ude daran, dass er vor genau 33 Jahren zum ersten Mal hier in der Gegend gewesen war – als Student und Journalist.

Bei dieser Gelegenheit lernte er die Gastfreundschaft der Familie Kilic kennen. Und er nahm etwas mit, das ihn die weiteren 33 Jahre begleitet: Seinen Schnauzbart. Die ständige Frage „Du Tourist?“ ging ihm so auf die Nerven, dass er sich kurzerhand den damals landesüblichen Bart wachsen ließ. Zu Udes Überraschung wird er auch noch zum Ehrenbürger von Pülümür ernannt.

Nach vielen Reden der örtlichen Politiker und Abgeordneten des türkischen Parlaments macht sich die Münchner Delegation auf eine ganz geheime Tour. Denn keiner sollte wissen, dass sich der Münchner Oberbürgermeister, der dieses kleine alevitische Städtchen so ins Herz geschlossen hat, sich noch weiter in das „wilde Kurdistan“ hinein wagt. Denn dort oben in den Bergen – auf etwa 2.000 Metern Höhe – lernte er den damals siebenjährigen Ali Kilic kennen, der nun unter anderem zusammen mit seinem Bruder eine Gebäudereinigungsfirma in München leitet. Und dort lebt noch immer die Familie der Kilic.

Und hier ist die Idylle perfekt: Picknick im Freien, mit allem, was es hier in den Bergen gibt: Honig in Waben aus eigenen Bienenstöcken, selbstgemachter Ayran, Schafskäse von den eigenen Schafen, selbstgebackenes Brot. „Ein wahres Schlaraffenland“, meinen Edith von Welser-Ude und ihr Mann unisono. Die Rückfahrt nach Pülümür ist abenteuerlich: Am besten Augen zu und durch, nicht darauf achten, dass die Straße nicht nur unbefestigt und schmal ist, sondern der steile Abhang ganz nah.

Sonntag, Erzurum/Istanbul: Zurück in der Metropole und im feudalen Hotel folgt ein Interview auf das andere, der Münchner Oberbürgermeister ist in der Türkei ein gefragter Mann.

Montag, Istanbul: Der Oberbürgermeister von Istanbul stellt für das Ehepaar Ude und Begleitung Dienstwagen zur Verfügung. Viele Einkäufe in Bazaren. Am späten Abend findet ein spontanes Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan statt (beide Ehefrauen verstehen sich auf Anhieb – auch ohne Worte). Ude bringt all das an, was er dem Ministerpräsidenten (dessen Charisma sich keiner entziehen kann) unbedingt sagen will. Dass er darauf drängen solle, den moslemischen Frauen, die nach Deutschland gehen, die deutsche Sprache zu lernen, damit ihre Kinder davon profitieren und so eher einen Arbeitsplatz in Deutschland bekommen.

Und dann kommt der Ehrenbürger von Pülümür zu Wort: „Sie haben Istanbul zu einer prosperierenden Stadt gemacht. Ist es vielleicht auch möglich, dass nach 33 Jahren die 26 Kilometer lange Schotterstraße nach Pülümür ausgebaut wird?“ In perfektem deutsch antwortet Erdogan: „Ich werde mich dafür einsetzen“.

Dienstag, Istanbul: Rückflug der Münchner Delegation in die kalte und regnerische Landeshauptstadt– von 40 Grad auf 12 Grad! Das Ehepaar Ude macht sich auf nach Athen, von wo aus es zum Ferienhäuschen auf Mykonos geht. Übrigens: Am Abend vorher wurde das Abendessen sehr spät, aber umso fröhlicher – in der Bierstube im Hotel eingenommen. Mit dem einheimischen Efes-Bier und köstlichem Wiener Schnitzel.

Artikel vom 25.08.2005
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