CSU und SPD haben einen neuen gemeinsamen Gegner

Münchner Norden · Zuwachs im Haifischbecken

Ministerpräsident Edmund Stoiber. Foto: gf

Ministerpräsident Edmund Stoiber. Foto: gf

Münchner Norden · Aufgebracht stürmt er zum Rednerpult und greift nach der Hand des gefeierten Edmund Stoiber im Bierzelt auf der Dülferwiese: »Ich wähle schwarz, seit ich denken kann und heuer wähle ich Dich auch!« Stammwähler unterscheiden nicht immer zwischen Landtags- und Bundestagskandidaten und so besann sich Stoiber in den letzten Minuten seiner rund zweistündigen Rede noch einmal darauf, für seinen »Freund Johannes Singhammer« zu werben. »Geht’s zur Wahl und nehmt’s alle mit – außer ihr wisst’s, dass es SPD-Wähler sind...«

Der Landesvater mühte sich zwei Stunden lang um den »Ton der einfachen Leute«.

Und obwohl durchaus themensicher und linientreu – Nein zum Türkei-Beitritt, Ja zur Atomkraft, Mehrwehrtsteuer rauf auf 18 Prozent dafür die Arbeitslosenversicherungsbeiträge um zwei Prozent runter – applaudiert wurde vor allem, wenn Stoiber die Krawatte lockerte, das Hemd aufknöpfte, sich den Schweiß von der Stirn wischte.

Heiß war es im Bierzelt auf dem Bürgerfest Hasenbergl, als Joachim Unterländer, CSU-Bundestagskandidat Singhammer und Ministerpräsident Stoiber am vergangenen Donnerstag, 28. Juli, zum CSU-Abend luden. Zum 13. Mal gab sich der Landesvater die Ehre und sah sich gewiss, »dass ganz München heute herschaut«. Eine klare Aussage zu seinem weiteren Politischen Werdegang gab’s daher nicht.

Dafür aber jede Menge Sportvergleiche: »Alle schau’n die Tabellen an, beim Fußball, zur Tour de France, die Schwimm-WM – nur beim Vergleich Deutschland, Europa, Amerika, China, da schaut anscheinend keiner hin«, sprachs und forderte den Rücktritt vom Atomausstieg bevor »sich die Amerikaner und Inder ins Fäustchen lachen«. Derzeit mangele es an Atomphysikern aus Deutschland derart, dass es nur eine Frage der Zeit sei, »bis wir in Peking anrufen müssen, wenn wir zu Hause ein Problem haben«. Den High-Tech-Zug dürfe Deutschland nicht verpassen, plane China doch den Bau von 40 neuen Atomkraftwerken in den nächsten Jahren.

»Richtig, die wollen Atomkraftwerke bauen, zehn Stück sind geplant«, erinnert sich Dr. Axel Berg am Rande der Tour de Franz. Für ein Land wie China mit 1,4 Milliarden Einwohnern wären die Investitionen erwartet gewesen, so der Wirtschaftsexperte. »Aber die Entsorgungsfrage ist nicht geklärt. Weltweit gibt es kein Konzept zur Endlagerung von atomaren Abfallstoffen und in 20 bis 40 Jahren sind auch die Uran-Reserven erschöpft.« Spätestens dann sei die Kernenergie reif für die Geschichtsbücher, der Abfall jedoch ein Problem für Generationen. »Deshalb haben die Chinesen im Januar auch unser Erneuerbares Energiengesetz (EEG) übernommen«, konterte Berg. Deutschland müsse daher seinen Technologievorsprung in dieser Ernergiegewinnungssparte ausweiten.

Still ist es wieder geworden im Bierzelt am Hasenbergl. Ein »Weg mit der Investitionsbremse Flächentarifvertrag« lässt sich nur schwer unters Volk bringen. Besser kommen da deutliche Worte gegen den neuen politischen Gegner, WASG die Linkspartei, an. »Die gehen mit plumpen Methoden auf Stimmenfang und die Ostdeutschen fallen auf diese Dummheit rein.« Ein schmaler Grat auf dem sich die Akteure hier bewegen müssen, nicht nur retorisch.

»Das kann schon knapp werden«, runzelt nämlich auch Berg die Stirn. »Die wollen den Arbeitern und besser Verdienenden wirklich auch den letzten Cent aus der Tasche ziehen, bis es sich gar nicht mehr lohnt«, nimmt auch der SPD-Kandidat kein Blatt vor den Mund. Schließlich entschied bei der vergangenen Bundestagswahl nur eine kleine Anzahl an Stimmen über das Direktmandat zwischen Singhammer und Berg – der neue Fisch im Becken könnte in diesem Jahr allerdings das Zünglein an der Waage sein, mit enttäuschten Wählern aus dem linken Lager.

Von rechts braucht sich die Union jedenfalls – trotz Handzettelaktion der NPD auf dem Bürgerfest – keine Sorgen über Wählerdruck machen. Den meisten Applaus erntete Stoiber neben seinem »Nein« zum EU-Beitritt der Türkei, vor allem bei seiner Absage an die gleichgeschlechtliche Ehe. G. Feind

Artikel vom 02.08.2005
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