Die Schwulen und Lesben feiern sich und den „CSD“

München - A bisserl was gayt allaweil

Feste Lebenspartnerschaften: immer mehr. Trennungen: wenige. Akzeptanz: hoch. Feiern: ohne Ende. Politische Erfolge: am laufenden Band. Schwullesbisches Leben in München – das war einmal schwierig, heutzutage ist es normal.

1982 sagte der damalige CSU-Generalsekretär Edmund Stoiber, man müsse „das Homosexuellenproblem eindämmen“. Heute aber will die CSU eine „Großstadtpartei“ sein, so Rosa Liste-Stadtrat Thomas Niederbühl, „und bemüht sich daher um ein gute Zusammenarbeit.“ Ein Indiz: Erstmals steigt der jährliche „Christopher Street Day“ (CSD), ein schwullesbisches Polit-Fest, an zwei Tagen – heute wie morgen – ohne Protest der städtischen CSU-Fraktion, auf dem Marienplatz. „In München lebt es sich als Homosexueller inzwischen gar nicht mal so schlecht“, findet Niederbühl.

Zeitsprung: 27. Juni 1969, abends, Greenwich Village, New York: Nach einer Polizei-Razzia im „Stonewall Inn“, einer Stammkneipe der Schwulenszene, kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen in der Christopher Street, die sich tagelang fortsetzten. Demonstrationen gegen die Unterdrückung von Schwulen, Lesben und Transgendern hatte es schon zuvor gegeben, neu am Stonewall-Aufstand war das harte Vorgehen der Polizei – und dass sich die Szene zum ersten Mal unmittelbar dagegen wehrte: „Die Transen und Tunten dort begannen mit ihren Handtäschchen zuzuschlagen, daraus wurde eine Straßenschlacht“, erzählt Thomas Lechner von „Queerbeat“, Mit-Organisator der „Christopher Street Day“-Gedenkfeier in München.

Der Stonewall-Aufstand markierte den Auftakt zu einer weltweiten politischen Bewegung mit dem Ziel, Schwule und Lesben gleichzustellen: Fortan wurden an jedem Stonewall-Jahrestag Demonstrationen und Straßenfeste abgehalten, um die Öffentlichkeit auf das „Gay Rights Movements“ aufmerksam zu machen. In München findet der „Christopher Street Day“ heuer zum 25. Mal statt, erstmals zwei Tage in Münchens guter Stube, dem Marienplatz – mit anschließender Party im Rathaus).

Doch nicht nur in Sachen Party, auch in der Politik hat sich die schwullesbische Szene in München durchgesetzt: 1989 gründete sie die Wählerinitiative „Rosa Liste“; 1996 schaffte es der Kandidat Niederbühl erstmals in den Stadtrat; 2002 wurde er bestätigt. „Damit bin ich europaweit der einzige Abgeordnete einer schwullesbischen Wählergemeinschaft in einem Kommunalparlament“, erzählt er stolz. Und noch mehr: Mit elf Prozent der Wählerstimmen gewann die Rosa Liste im Stadtteil Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt drei Mandate, die Alexander Miklosy, Klaus Neumann und Michael Tappe ausüben. Und hier die Sensation: Seit Mai 2002 ist Miklosy Vorsitzender des dortigen Bezirksausschusses. Er wurde unter anderem mit den Stimmen der CSU gewählt.

„In den letzten Jahren hat sich politisch mehr getan, als wir zu hoffen wagten“, sagt Niederbühl. „Dass wir jemals unsere Partnerschaften fest eintragen können – das hätten wir beispielsweise nie ernsthaft er wartet.“ Der 44-jährige Stadtrat und sein Freund, mit dem er seit 16 Jahren zusammen ist, waren übrigens die ersten Münchner, die als „Mann und Mann“ den Bund fürs Leben schlossen. „Wir müssen allerdings noch darum kämpfen, in vielen Bereichen, beispielsweise im Steuerrecht, mit ‚gewöhnlichen’ Eheleuten gleichgestellt zu werden.“

Insgesamt haben in Bayern seit 1. August 2001 1.601 gleichgeschlechtliche Paare ihre „Lebenspartnerschaften“ legitimieren lassen. 22 davon sind inzwischen wieder „geschieden“ worden. „Daran sieht man: Die Trennungsquote ist im Vergleich zu Ehen relativ gering“, so Martin Schwab, von der Landesnotarkammer Bayern, die zuständig für die Eintragungen ist.

Dass homosexuelle Paare in Bayern vom Notar, und nicht vom Standesbeamten unter die Haube gebracht werden, empfindet Schwab als Vorteil: „Zum einen gibt es mehr Notare als Standesbeamte in Bayern. Man muss sich einfach nur einen Notar seiner Wahl suchen und sich nicht vom Standesbeamten im heimischen Dorf trauen lassen.“ Zum anderen seien Notare flexibler, was die Ortswahl der „Hochzeit“ betrifft: „Neulich hat einer ein Paar am Monopteros im Englischen Garten verbandelt.“ Außerdem können Notare die homosexuellen Paare vor der Trauung juristisch beraten.

So angenehm das Recht ist, so schwer wiegen weiterhin die Gesundheitsprobleme: „Im Vergleich zu den letzten Jahren gibt es heuer wieder mehr HIV-Neuinfektionen“, weiß Stadtrat Niederbühl, der zugleich Geschäftsführer der Münchner Aids-Hilfe ist. „Pro Jahr stecken sich 150 Münchner mit dem Virus an, meist schwule Männer.“ Früher habe man sich im Umgang mit Fremden immer so verhalten, als sei der andere positiv. „Jetzt haben viele den Virus in sich, ohne es zu wissen, und infizieren nichtsahnend ihre Sexualpartner.“

Die Stadt werde daher künftig verstärkt für die Durchführung von Aids-Tests werben. „Das ist neu: Früher warben wir vor allem für Safer-Sex. Jetzt ist es wichtig, dass jeder potenziell Infizierte zum Test geht und Verantwortung trägt“, fordert Niederbühl.

Gerade Jugendliche, die den Aids-Schock in den achtziger Jahren nicht mitbekommen haben, sollen aufgeklärt werden. Und auch ansonsten soll die Jugendarbeit gestärkt werden. Jüngst wurde „Diversity“ gegründet, ein Dachverband der schwullesbischen Jugendgruppen Münchens, der Interessierte an passende Gruppen vermittelt und Termine koordiniert (siehe: www.diversity-muenchen.de). Niederbühl: „Unser Ziel ist es, ein schwullesbisches Jugendheim zu eröffnen.“

Außerdem soll dafür gesorgt werden, ältere Homosexuelle gut unterzubringen. „Ideal wäre eine Seniorenwohnanlage, vielleicht im Gärtnerplatzviertel, wo Hetero- und Homosexuelle in freundlichem Miteinander leben können.“

Alles in allem sieht man, dass Schwule und Lesben in München noch viele gemeinsame Projekte vor sich haben – im öffentlichen Bereich. Privat allerdings treffen sie sich eher weniger: „Das ist ja natürlich: Lesben wollen beim Weggehen mehr mit Frauen zu tun haben, Schwule mit Männern“, so Niederbühl.

Seine Zukunftsvision ist, dass es die „Rosa Liste“ irgendwann nicht mehr braucht: „Wenn alle Parteien die Lebensbedürfnisse von Schwulen und Lesben berücksichtigen, wenn wir selbstverständlich in jeglichen Bereichen gleichgestellt sind – dann haben wir unser Ziel erreicht.“

Von Nadine Nöhmaier

Schwule und Lesben – und der OB voran - Am heutigen Samstag gayt der Münchner „Christopher Street Day“ unter dem Motto „Young & Pride?“ los: Um 12 Uhr startet das schwullesbische Straßenfest mit der CSD-Politparade am Marienplatz. Angeführt von Oberbürgermeister Christian Ude und Thomas Niederbühl ziehen 29 kunterbunte Wagen vom Marienplatz über den Oberanger zum Sendlinger Tor, von dort zum Stachus und zurück, schließlich über Müllerstraße, Klenzestraße und Gärtnerplatz durchs Tal wieder zum Marienplatz. Einen Kilometer könnte der Zug voller Paradiesvögel lang werden, dem Gruppen wie „Sambasutra“, „Philhomoniker“, die Münchner Aids-Hilfe oder der „Gay Outdoor Club“ folgen. Anschließend gibt es ein Programm am Marienplatz: Bis 22 Uhr wird zu Live-Musik von Schlagerblödel Gildo Horn, Mystik-Popperin Luci van Org, den Comic-Drags „High Heels“ und anderen gefeiert. Anschließend steigt das „Rathaus-Clubbing“ – bis 5 Uhr morgens.

Morgen geht die Party von 12 bis 23 Uhr auf dem Marienplatz weiter. Der Höhepunkt des Festes am Sonntag dürfte das legendäre „Pumps-Race“ sein: Ab 18 Uhr stöckeln Männer auf hohen Hacken über Stock und Stein um die Wette. „Mister High Heels“ wird um 20 Uhr gekürt. nan

Artikel vom 07.07.2005
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