Film der Schwabinger Künstlerin Y. Grimm für Filmreihe in USA ausgewählt

O-W-Spannungsfelder

Schwabing · »Jurassic Park!« – Das ist die erste Assoziation, wenn man das Atelier der Filmemacherin Yola Grimm in der Funkkaserne an der Domagkstraße betritt.

An der Eingangstür lächelt ein freundlicher Drache dem Besucher entgegen, und auch drinnen tummeln sich etliche kleine und größere Dinos: vom aufblasbaren, pinkfarbenen »Schwimmosaurus« bis hin zum Plastik-Tyrannosaurus Rex, der sich majestätisch in einer mit Sand gefüllten Schale aufbäumt.

Doch die Dekoration täuscht. Yola Grimm produziert nicht etwa monumentale Fantasy-Streifen à la Spielberg, sondern nüchterne (und ernüchternde!) Dokumentarfilme: Filme, in denen »ganz normale« Menschen zu Wort kommen, in denen Probleme unserer Zeit von verschiedenen Perspektiven aus beleuchtet werden.

In einem dieser Filme stehen fünf junge Münchner Türkinnen im Mittelpunkt, sogenannte »Gastarbeiterkinder« der zweiten Generation. Sie erzählen von ihrem Alltag, der sich zwischen so konträren Polen wie Moschee und Disko, zwischen islamischer Tradition und westlichen Modetrends bewegt. »Ich bin in einem totalen Identitätskonflikt«, bringt eine der Türkinnen die Probleme dieser »Zwischengeneration« auf den Punkt.

Diese jungen Frauen fühlen sich weder richtig türkisch noch deutsch. Einerseits versuchen sie, den Druck, den ihre Familien auf sie ausüben, abzuschütteln und sich von religiösen Zwängen zu befreien.

Andererseits sind die Bindungen an die Familie und an die islamische Kultur immer noch sehr stark, und manche ertappen sich sogar dabei, »richtig nationalistisch« zu denken, wie eine der Frauen es ausdrückt. – Gerade deshalb, weil sie in Deutschland nicht als »Inländerinnen« akzeptiert werden, obwohl sie hier geboren sind.

Yola Grimm hat sich diesem vielschichtigen Problem in ihrem Film »Dikkat! Wir kommen!« sehr behutsam und mit viel Einfühlungsvermögen genähert. Sie wertet nicht, stellt die Konflikte einfach dar. Ihr Film hinterlässt beim Betrachter viele Fragen und regt dadurch zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Thema an.

Das war wohl auch ein Grund dafür, warum das Goethe-Institut in Washington den Film als deutschen Beitrag für die derzeit laufende Reihe »Dialog mit dem Islam« ausgewählt hat. »Ich habe erfahren, dass nach der Filmvorführung ungewöhnlich lange darüber diskutiert wurde«, berichtet Yola Grimm.

Dieser Erfolg, so erklärt sie, sei auch eine Bestätigung dafür, dass eben nicht nur »Ex und Hopp-Geschichten« gefragt seien, sondern Filme von zeitlosem Wert. »Dikkat! Wir kommen!« (»Dikkat« bedeutet auf türkisch »Achtung!«) ist nämlich bereits 1994 entstanden, als Reaktion auf die Anschläge von Mölln. »Aber er ist auch heute noch hochaktuell, gerade nach den Ereignissen des 11. September«, betont die Produzentin und fügt nachdenklich hinzu: »Solche zeitlosen Stoffe liegen auch hier in München überall auf der Straße, man muss nur hinsehen.« – Yola Grimms neuester Film behandelt übrigens das häufig tabuisierte Thema Kindersuizid... rme

Artikel vom 10.10.2002
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