(Un-)Sinn von Smartphones

GMM erklärt Smartphones: Fluch und Segen zugleich

Smartphones überall – auch im Klassenzimmer. Das GMM sieht sich als Schule, die stark und frühzeitig Digitalisierung erkannt hat und nun Medienkonzepte entwickelt. 	Foto: Mielcarek

Smartphones überall – auch im Klassenzimmer. Das GMM sieht sich als Schule, die stark und frühzeitig Digitalisierung erkannt hat und nun Medienkonzepte entwickelt. Foto: Mielcarek

Moosach · Das Thema »Digitalisierung« ist das »Megathema« der Gesellschaft und vor allem der Bildungspolitik. So sieht das Dr. Stefan Illig, der seit 2016 Schulleiter des Gymnasiums München/Moosach (GMM) ist und wichtig findet, dass die Schulen von heute mit dem Zeitgeist von morgen mitgehen.

So fand neulich auf dem GMM der »Medientag« statt, an dem die Schüler über Möglichkeiten der Digitalisierung aufgeklärt werden – vor allem über den Sinn und Unsinn von Smartphones in der Schule.

»Jugendliche ab zehn Jahren werden durch das Smartphone mit Informationen überflutet. Sie haben oftmals das Bedürfnis, ständig kommunizieren zu müssen, sich zu informieren, was so in ihren Kreisen läuft. Dies kann unter Umständen nicht nur das Lern-, aber auch das Schlaf- und sogar Essverhalten beeinflussen,« konstatiert Illig. Er beobachtet, dass Schüler ihre Telefone nicht nur im Unterricht rauszucken, sondern vor allem die Pausen für sie opfern: »Ich würde sagen, es sind schon um die 90 bis 95 Prozent, die eines besitzen.«

Der Schulleiter hat selbst ein Smartphone, daher will er sie nicht partout verteufeln. Aber im Klassenzimmer haben sie (noch) nichts zu suchen. Daher hat er entsprechende Workshops in der Schule eingeführt: »Man muss sich bewusst machen, wo Sie helfen, aber auch, wo es eine Grenze gibt.« Das Gymnasium München/Moosach frequentieren 1.100 Schüler in den Klassen fünf bis zwölf. Die Schule begreift sich als Vorreiter in Sachen Digitalisierung und klärt über deren Stärken und Schwächen auf. So stand letztens im Schulkalender der Medientag an. Lehrer und geladene Experten klärten die Kinder und Jugendlichen zur Mediennutzung und -wirkung auf.

Nebst den Vorträgen und praktischen Workshops veranstaltete die Schule auch einen Elternabend, der im Zeichen dieses Themas stand. Digitaltrainer und Medienpädagoge Daniel Wolff klärte unter andrem die Eltern über Smartphone-Nutzung auf. »Die Eltern müssen sich bewusst machen, dass sie der Dreh- und Angelpunkt sind. In der Schule sind die Schüler nur eine begrenzte Zeit. Wir können das Smartphone-Verhalten in der Schule kontrollieren, aber zu Hause sind die Eltern gefragt«, daher appelliert der Schulleiter an verantwortungsvolle Erziehungsmaßnahmen bereits im Elternhaus. Er selbst ist Vater von drei Kindern.

»Die ›Smartphone-Aufklärung‹ beginnt am GMM bereits in der sechsten Klasse. Da laden wir zum Beispiel Polizisten ein, die die Kinder über rechtliche Fragen aufklären. In der neunten Klasse besprechen wir dann das Thema ›Sucht‹, das eben auch bei Smartphones auftreten kann«, so der Gymnasiumsleiter, der auch darauf hinweist, dass es momentan noch ein grundsätzliches Verbot von Smartphones gibt. Nach dem Gesetz ist die Benutzung auf dem Schulgelände nur zu unterrichtlichen Zwecken erlaubt. Somit gehört die Zukunft trotz allen Risiken dem Smartphone. Es könne und werde im Unterricht sinnvoll eingesetzt werden. »Wir führen bald ein WLAN-Netzwerk auf dem Schulgelände ein, allerdings gesichert und geschützt.«

Das GMM will schließlich die Trends der Digitalisierung nicht verschlafen. Schon jetzt nimmt sie an einer Internet-Plattform teil, die Lehrer und Schüler nutzen. Das bayrische Kultusministerium hat jüngst das Portal »Mebis« gelauncht, an dem derzeit über 3.000 Schulen teilnehmen. Es beinhaltet eine Lernplattform, ein Infoportal, eine Mediathek und ein Prüfungsarchiv. Es unterstützt und begleitet den Unterricht, indem es beispielsweise über Themen aus dem Bereich der Medienbildung informiert, Material zur Verfügung stellt und alte Tests veröffentlicht. Lehrer können hierüber Aufgaben und Material bereitstellen und die Schüler am Computer die Antworten hochladen.

»Ich empfehle nicht, für solche Zwecke andere Portale zu nutzen, daher kann ich mir auch nicht vorstellen, zum Beispiel eine WhatsApp-Gruppe für die Klasse zu eröffnen. Schließlich ist die Weitergabe von Daten im Internet nach wie vor oft problematisch.« Eine weitere Möglichkeit, um über die Hausaufgaben oder etwa die Abiturvorbereitung zu sprechen wirkt heute leider eher altmodisch, ist aber ein altbewährter Klassiker – und darauf sollten sich die Kinder und Jugendlichen wieder mehr besinnen: Die Schüler können ja auch miteinander sprechen – ohne Smileys und Emoticons. Auch im modernen Klassenzimmer von morgen.

Im Rahmen des »Medientages« am Gymnasium München/Moosach initiierte Schul­leiter Illig einen Elternabend: Der Digitaltrainer und Medienpädagoge Daniel Wolff informierte über 200 interessierte und besorgte Eltern über die enormen Risiken und erstaunlichen Chancen der Smartphone-Nutzung – und gab ganz konkrete Tipps für einen besseren »digitalen Alltag« auf dem GMM, aber auch zu Hause.

Viele Eltern haben wenig Einblick in die digitale Lebenswelt ihrer Kinder und in sehr vielen Familien ist die Diskussion um die »richtige« Smartphone-Nutzung täglich Thema Nummer 1. Es liegt an den Eltern, einen vernünftigen Weg für die eigene Medienerziehung zu finden. Um dies zu tun, müsse man laut Wolff aber erst einmal verstehen, was die Kinder im Internet eigentlich tatsächlich machen – denn mit dem Smartphone könne man natürlich viel mehr tun als nur mobil zu telefonieren.

YouTube, Instagram, Snapchat und Musical.ly. Für viele Eltern offenbart dieser Ausflug in die digitale Lebenswelt der Jugend völlig neue Erkenntnisse – was zeigt, wie wenig viele Eltern über den digitalen Alltag ihrer Kinder tatsächlich wissen. Auch viele Kinder wissen nicht, wer mit ihnen im Internet Geld verdient. Laut Wolff fehlen aber auch den Schülern grundlegende Kenntnisse über die Medien, die sie tagtäglich viele Stunden nutzen: So berichtete der frühere IT-Journalist und Gymnasiallehrer Wolff von den vorangegangenen Schüler-Workshops, dass kein einziges Kind in den 5. Klassen bis dahin wusste, wie Google und Facebook – ihres Zeichens die Mutterkonzerne von YouTube und Whatsapp – Geld verdienen: Nämlich indem sie von jedem einzelnen Nutzer extrem detaillierte Daten-Profile anlegen und diese sehr lukrativ an die Werbeindustrie verkaufen. Die Kinder zahlen also für die Nutzung der großen Internet-Plattformen: Zwar nicht mit Euro, aber mit ihren privaten Daten.

Außerdem berichtete Wolff, dass der Großteil Kinder angäbe, von ihren Eltern nicht oder zu wenig darüber informiert worden zu sein, welche Inhalte man im Internet ansehen dürfe und welche nicht – denn mit dem Smartphone lassen sich kinderleicht nicht altersgemäße Inhalte wie Erotik- oder Gewaltvideos ansehen. Der Medienpädagoge führte aus, dass dieser »medienerzieherische blinde Fleck« an der anderen Erfahrung der Eltern in deren eigener Kindheit liege: Damals gab es noch keine Smartphones, so dass das Verständnis für diese Risiken teilweise völlig fehle.

Eine ähnliche elterliche Unbekümmertheit gelte für das zeitliche Ausmaß der Nutzung digitaler Medien: Dreiviertel der Kinder in den Workshops zuvor hatten angegeben, dass sie keinerlei Zeitlimit einhalten müssten und das Smart­phone sogar nachts im oder am Bett behalten dürften. Schlafmangel und Konzentrationsschwächen seien die Folge. Wolff empfahl daher sehr eindringlich, alle Smartphones der Familie über Nacht im Wohnzimmer oder Flur aufzuladen – natürlich müssten das dann auch die Eltern tun.

Ein trauriger »Trend« ist das so genannte »Cybermobbing«, also das absichtliche Beleidigen, Belästigen oder Bedrohen von Personen (meist Mitschülern) im Internet. Vielen ist in der Regel überhaupt nicht klar, welche extreme soziale Wucht Cybermobbing entwickeln kann – vor allem, weil der Täter die Reaktion des Opfers nicht sehen kann und das Opfer nicht weiß, wer die Beleidigungen noch alles gesehen hat. Cybermobbing kann zu Despressionen und Aggressionen führen.

Hier hilft, sich zunächst selbst zu informieren, seinen Kindern dauerhaft und genau zuzuhören – und im Falle eines Falles seine Kinder zu unterstützen. Allerdings öffnen sich laut dem Experten Kinder nur, wenn sie zu ihren Eltern ein vertrauensvolles Verhältnis haben und keine Angst, dass ihre Eltern ihnen das Smart­phone abnehmen.

Wegsperren ist aber ohnehin keine Lösung: Wolff führte aus, welch enormes Potenzial neue digitale Technologien wie Big Data, Virtual Reality oder 3D-Druck für Gesellschaft und Wirtschaft haben werden. Daher gehört das Smartphone hoffentlich mehr wohl als übel fest in die Zukunft, so auch im Schulalltag des GMM.

Info kompakt
Erste (Smartphone-) Hilfe Schülern und auch verunsicherten Eltern sind Webseiten mit weiteren Tipps zur Smartphone- und Mediennutzung geboten.
Ein Regelwerk bietet die Webseite www.mediennutzungsvertrag.de), Anleitungen gibt es auch auf www.klicksafe.de - www.medien-sicher.de oder www.handysektor.de

Artikel vom 18.04.2018
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