Im Landkreis Ebersberg sind nicht alle reich: Fachtag in Poing soll aufklären

Poing/Landkreis · Armut hat viele Gesichter

Armut gibt es auch im wirtschaftlich starken Landkreis Ebersberg. Lena Wirthmüller, Esther Gajek und Jens Tönjes (oben, v. l.) diskutieren in Poing über Gründe und Lösungsansätze. Fotos: CC0, Caritaszentrum Dachau, Peter Ferstl, Kinderschutzbund

Armut gibt es auch im wirtschaftlich starken Landkreis Ebersberg. Lena Wirthmüller, Esther Gajek und Jens Tönjes (oben, v. l.) diskutieren in Poing über Gründe und Lösungsansätze. Fotos: CC0, Caritaszentrum Dachau, Peter Ferstl, Kinderschutzbund

Poing/Landkreis · Mit Recht stolz sind die politischen und wirtschaftlichen Entscheider des Landkreises Ebersberg auf die herausragenden Positionen im Ranking der erfolgreichsten Landkreise Deutschlands.

Im vorigen Jahr nahm der Landkreis sogar die Spitzenposition ein, in diesem Jahr liegt er unter den Top drei, zählt damit also zu den wirtschaftsstärksten Landkreisen Deutschlands.

Doch auch in einem wirtschaftlich starken Landkreis wie Ebersberg leben Menschen, die nur über ein geringes Einkommen verfügen oder in einer prekären Situation leben. Nicht umsonst gibt es in fast allen größeren Gemeinden des Landkreises eine Lebensmittelausgabestelle, die zahlreich und regelmäßig von Menschen mit kleinem Geldbeutel in Anspruch genommen wird. Wann genau jemand »arm« ist, ist nur schwer zu definieren, da die Armut ein komplexes Phänomen ist. Bezogen auf die Kaufkraft gelten in der Region München immerhin rund zwölf Prozent der Einwohner als »arm«. Das geht aus dem Sozialbericht 2015 für den Landkreis Ebersberg hervor.

Am Freitag, 13. April, wollen im Poinger Pfarrheim Rupert Mayer (Gebrüder-Asam-Straße 2) das Kreisbildungswerk (KBW) und das Caritaszentrum Ebersberg das Thema »Armut« mit seinen verschiedenen Facetten in den Blick nehmen und dafür sensibilisieren. Da Armut viele Gesichter hat, gehen drei Fachleute in ihren Vorträgen auf die jeweiligen Armutsfelder ein.

Lena Wirthmüller, beim Caritaszentrum Dachau für die sozialen Belange zuständig, insbesondere für die Schuldnerberatung, erstellte bereits vor sechs Jahren – damals stand die Aufklärungsarbeit auf kommunaler Ebene noch ganz am Anfang – im Auftrag des Caritaszentrum für ihren Landkreis einen eigenen Armutsbericht.

»Natürlich gibt es Armut, aber die Armut ist anderswo – vielleicht in Afrika, aber nicht bei uns in Deutschland, nicht bei uns im Landkreis«, schallte es ihr dabei häufig entgegen.

Gerade in den eher wohlhabenden Gemeinden auf dem Land sei Armut ein Tabuthema, meint Wirthmüller. Aber ohne das Bewusstsein, dass Armut auch in der eigenen Kommune existiere, »ist nicht damit zu rechnen, dass Maßnahmen ergriffen werden, um diese Armut zu bekämpfen oder weitere Armut zu verhindern«, ergänzt die Caritas-Mitarbeiterin. Solange Armut nicht sichtbar sei, werde sie auch oft geleugnet.

Mit dem Thema Altersarmut, insbesondere bei Frauen, befasst sich Esther Gajek, Lehrstuhlinhaberin an der Universität Regensburg. Seit 2015 arbeitet die Kulturwissenschaftlerin für ihre Universität an dem Forschungsprojekt der LMU München »Prekärer Ruhestand. Arbeit und Lebensführung von Frauen im Alter«. Die Studie widmet sich dem brisanten Problem, von dem immer mehr ältere Frauen in Deutschland betroffen sind oder sein werden. Denn zunehmend erleben Frauen im Alter aufgrund ihrer Erwerbs- und Familienbiografien, dass sie nicht mehr materiell abgesichert und stark armutsgefährdet sind. Laut dem Rentenreport Bayern war 2015 fast jede vierte Frau über 65 von Armut bedroht.

Dass aber nicht nur Frauen armutsgefährdet sind, sondern auch Kinder und Jugendliche, will Jens Tönjes vom Deutschen Kinderschutzbund Landesverband Bayern verdeutlichen. »Armut grenzt aus – auch und besonders Kinder und Jugendliche«, stellt der stellvertretende Vorsitzende fest. Die negativen Folgen für das kindliche Wohlbefinden reichen vom schlechteren Gesundheitszustand über beengte Wohnverhältnisse bis hin zu geringerer sozialer Teilhabe. »Wir dürfen, sollten und können es uns nicht leisten, auch nur ein Kind zurückzulassen«, sagt Tönjes.

Nach den Impulsreferaten werden die drei Experten mit den Teilnehmern verschiedene Armutsaspekte analysieren und diskutieren, um so Lösungsansätze zu entwickeln. Der Fachtag Armut läuft am Freitag, 13. April, von 16 bis 20 Uhr. Die Teilnahmegebühr beträgt 5 Euro.

Um Anmeldung beim KBW Ebersberg unter Telefon 0 80 92/ 85 07 90 wird gebeten. red

Artikel vom 11.04.2018
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