Gradlinig und kompetent

Die neue Familienministerin Kerstin Schreyer kommt aus Unterhaching

Die frisch vereidigte Familienministerin Kerstin Schreyer hat ihre ersten politischen Schritte bei der Jungen Union in Unterhaching getan. 	Foto: hw

Die frisch vereidigte Familienministerin Kerstin Schreyer hat ihre ersten politischen Schritte bei der Jungen Union in Unterhaching getan. Foto: hw

Unterhaching/München · Fast wäre eine beispiellose politische Karriere daran gescheitert, dass die frisch vereidigte Familienministerin Kerstin Schreyer (46 Jahre) vor rund 30 Jahren zu schüchtern gewesen sei, wie sie in einem Interview mit dem Südost-Kurier verriet.

An ihrer damaligen Schüchternheit ist nämlich ihr erster Besuch bei der Jungen Union in Unterhaching gescheitert. Deren damaliger Vorsitzender Michael Stiller hatte sie zum ersten Kennenlernen zu einem zwanglosen Grillfest eingeladen, bei dem sich zufällig an diesem Abend nur Männer befunden hätten, erinnert sich die engagierte Politikerin weiter.

Grund genug damals kehrt zu machen, schmunzelt sie. Doch Michael Stiller muss geahnt haben, dass Großes in ihr steckt und lud sie kurzerhand nochmals ein. Dieses Mal kam Kerstin Schreyer auch und blieb. Das war 1988.

Von ihrem Engagement in der Jungen Union war es nur ein kurzer Weg bis zu ihrem Engagement in der CSU Unterhaching, wo sie bei den Gemeinderatswahlen im Jahr 1996 in das kommunale Gremium hineingewählt wurde. Aber nicht nur in den Unterhachinger Gemeinderat zog sie damals ein, sondern darüber hinaus auch noch in den Kreistag. Die studierte Sozialpädagogin und Familientherapeutin war auch hier goldrichtig, konnte sie doch ihr fachliches Wissen gut bei den wichtigen Entscheidungen auf politischer Ebene einbringen. Neben ihrem politischen Engagement hat sie drei Jahre lang eine psychiatrische Einrichtung geleitet und zwölf Jahre in der Jugendhilfe gearbeitet.

2003 wurde sie darüber hinaus auch in den Bezirkstag gewählt. »Ich hatte großen Respekt vor dieser Aufgabe, was typisch für Frauen ist, denn wir hinterfragen nicht selten unsere Arbeit, während viele Männer mit einem natürlichen Selbstvertrauen ausgestattet sind«, berichtet sie. »Ich arbeite einfach gerne mit Menschen«, fasst sie ihre Intention, sich immer weiter zu engagieren, zusammen. 2005 wurde schließlich ihre Tochter Corinna geboren, die gesundheitlich keinen guten Start hatte. Für Kerstin Schreyer war damals klar, dass sie alle politischen Ämter zugunsten ihrer Tochter zurückstellen will. »Jeder hat ein Recht auf Familie und Kinder haben auch ein Recht auf ihre Eltern und zwar beide. Ein wichtiger Grundsatz ist für mich, wenn ein Kind erkrankt ist, soll es den Eltern möglich sein, sich um sie zu kümmern. Ich werde es in meinem Ministerium auf jeden Fall so handhaben«, betont Kerstin Schreyer. Zum Glück entwickelte sich ihre Tochter prächtig, so dass sie sich wieder der Politik zuwenden konnte.

2008 zog sie schließlich in den Landtag ein, dazu war vorher allerdings eine parteiinterne Kampfabstimmung gegen den damaligen Bürgermeister Dr. Stefan Detig nötig, die sie knapp zu ihren Gunsten entscheiden konnte. 2013 wurde sie wiedergewählt und zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden berufen. Ein großer politischer Schritt, wie sie erklärt, sei sie doch dadurch in alle wichtigen Entscheidungen miteinbezogen worden. Bis zu ihrer Ernennung zur Integrationsbeauftragten im Jahr 2017 hatte sie das Amt inne. »Was viele vergessen, 90 Prozent der Menschen, die bei uns leben und einen Migrationshintergrund haben, sind keine geflüchteten Menschen. Auch um deren Integration muss man sich kümmern und auch diesen Menschen sein Gehör schenken«, lautet das Fazit ihrer Arbeit.

Die Flüchtlingswelle habe eine neue, nicht begrüßenswerte Entwicklung mit sich gebracht, stellt sie weiter fest. »Es muss gewährleistet sein, dass es eine Meinungsvielfalt gibt und geben darf. Auch seine Ängste muss man in der Öffentlichkeit äußern dürfen, leider ist das oft nicht mehr so«, bekennt sie.

Die Aufgabe der Politik sei es hier, die Ängste der Bürger ernst zu nehmen und Antworten auf die Fragen zu geben oder zu finden, die die Bürger umtreiben. »Für diese wichtige und schwierige Arbeit gab es sowohl Schelte von Links als auch von Rechts«, erinnert sie sich. Die Aufgabe der Politiker sei es zwar Antworten zu finden, allerdings könne die Politik nicht immer garantieren, dass alle Menschen auch zufrieden mit den Antworten seien.

»Ich bin sehr gradlinig und direkt. Nicht jeder kommt damit gut klar, aber ich finde es wichtig, niemand etwas zu versprechen, was ich am Ende nicht halten kann«, fasst sie ihr Credo zusammen. Die Arbeit sei hier vielfach erst am Anfang, Ziel sei es, jedem Menschen die Möglichkeit zu bieten, dass er seinen Platz in der Gesellschaft finden könne. Dieser Ansatz zieht sich auch wie ein roter Faden durch ihre Arbeit als Ministerin. Es gehe um Teilhabe, darum, das Leben der Menschen tatsächlich und spürbar zu verbessern. Das Familiengeld ist so eine Sache.

Statt vieler einzelner Anträge für verschiedene Leistungen schwebe ihr ein Familiengeld vor, das die Eltern bei ihren Aufgaben unterstützen solle. Als Ministerin wolle sie auch dafür Sorge tragen, dass die verschiedenen Familien-Modelle zu ihrem Recht kommen. Sowohl die besonderen Bedürfnisse von Ein-Eltern-Familien wie von Großfamilien wolle sie verstärkt berücksichtigen. Darüber hinaus sei es wichtig die finanzielle Ausstattung von Angestellten im Bereich der Kinderbetreuung zu verbessern. »Viele Menschen, die in einem erzieherischen Beruf arbeiten, wechseln nach fünf Jahren ihr Fach, das liegt in vielen Fällen an der Bezahlung«, informiert Kerstin Schreyer.

Zwar wolle und könne sie nicht in die Tarif-Autonomie der Vertragspartner eingreifen, doch könnte man durch ein Bonus-System Anreize schaffen. Auch das Thema Obdachlosigkeit soll intensiv bearbeitet werden, obwohl dies in erster Linie in die Zuständigkeit der jeweiligen Kommunen falle. Hier wolle man Studien anfertigen, die genau darüber Aufschluss geben, wer und warum obdachlos geworden sei. Kein Schnellschuss aus der Hüfte sei hier geplant, sondern Entscheidungen aufgrund fundierter Analysen. Ihre beruflichen Erfahrungen kommen ihr bei ihrem neuen Amt sehr zu Gute. Auch dem Thema der Bekämpfung von Gewalt in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen wird sich die Ministerin annehmen.

Stolz ist sie in das in sie gesetzte Vertrauen von Ministerpräsident Markus Söder. »Er hat sein Kabinett nicht danach besetzt, wer sich in der Vergangenheit besonders loyal verhalten hat, sondern danach, wen er für welches Amt besonders kompetent hält. Ein großer Wurf für Bayern«, ist sich Kerstin Schreyer sicher.

Besonders stolz hat sie aber das Lob ihrer Tochter gemacht, die es ganz toll findet, dass ihre Mutter nun Ministerin sei. »Leider konnte meine Tochter bei der Vereidigung nicht dabei sein, sie war gerade beim Schüleraustausch in Frankreich«, berichtet Kerstin Schreyer. Dann muss sie auch schon zum nächsten Termin, die Zeit für das Interview ist vorbei. Es gibt viel zu tun, Kerstin Schreyer packt es an. Heike Woschée

Artikel vom 09.04.2018
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