Interview mit Caritas-Nord-Vorstand Gabriele Stark-Angermeier zur Diskussion über Tafeln

»Forderungen an die Tafel sind fehl am Platz«

Seit kurzer Teit sind Tafeln bundesweit ein häufiges Gesprächsthema.	Foto: Laetitia Vancon/Caritas München

Seit kurzer Teit sind Tafeln bundesweit ein häufiges Gesprächsthema. Foto: Laetitia Vancon/Caritas München

München · »Wir wollen, dass wir Tafeln und Lebensmitteltische langfristig überhaupt nicht mehr brauchen«, äußert sich Gabriele Stark-Angermeier, Vorstandsfrau des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising, zur aktuellen Diskussion um die Entwicklungen in den Tafeln.

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Hintergrund der Aussage sind etwa einige Bezieher, die sich nicht mehr wohl versorgt fühlen, was zu einer etwas angespannten Atmosphäre in einigen Ausgabestellen führt. Was veranlasst sie zu diesem Statement? Was ist die Tafel eigentlich und welche Entwicklung sieht sie?

Verteilen statt vernichten

Rund eintausend Tafeln gibt es in Deutschland, in Nord wie Süd. Sie arbeiten gemeinnützig, indem sie Lebensmittel an diejenigen verteilen, die hilfsbedürftig sind. Freiwillige fahren jeden Morgen zum Beispiel zu den lokalen Supermärkten, um Lebensmittel einzusammeln, die immer noch 1A-Ware sind, aber nicht mehr verkauft werden. Anstatt sie in die Tonne zu werfen, erhalten sie die Fahrer, die die Lebensmittel mitnehmen, um sie dann wiederum in den Ausgabestellen der Tafeln zu verteilen. Diese sind beispielsweise in Pfarrgemeinden untergebracht, wie in München beispielsweise bei St. Katharina von Siena in Freimann, einem Gemeinschaftsprojekt der Münchner Tafel e.V. und des Caritas-Zentrum München-Nord.

Sieben Essensausgaben betreibt die Caritas im Landkreis München, neun sind es in der Landeshauptstadt.

Was ist das Hauptkriterium zum Bezug des Essens? Primär der Besitz eines Berechtigungsausweises. Den kann man erhalten, wenn man beispielsweise Arbeitslosengeld II bezieht oder ein Niedrigeinkommen hat. Fast zeitgleich mit der Einführung der Hartz-IV-Gesetze 2005 entstanden die Lebensmittelausgaben.

Lückenbüßer für die Politik?

»Wir merkten in der Sozialen Beratung sehr schnell, dass die Klienten nicht mehr mit den reduzierten Leistungen auskamen«, erläutert Stark-Angermeier, »insofern entwickelten sich die Tafeln zum Lückenbüßer für die Politik.« Erwartungen, Forderungen oder Vorwürfe seitens der Politik seien ihrzufolge daher fehl am Platz. Dazu sollte man sich daran erinnern, dass die Essensausgaben auf freiwilliger Basis funktionieren und zum sehr großen Teil durch Ehrenamtliche betreut werden. »Konflikte versuchen wir schnell beizulegen. Wir achten auf eine Respektskultur für alle Beteiligten«, fügt die Vorstandsfrau der Debatte hinzu.

Caritas in München und Oberbayern bietet bei ihren Tafeln auch eine Sozialberatung für die Bedürftigen an. »Darauf legen wir großen Wert, um eventuell weitere Hilfen durch das Caritas-Zentrum oder eine andere Einrichtung anzubieten oder einzuleiten.« Trotz der Diskussionen, so resümiert sie, sieht es die Tafel und Caritas als Aufgabe an, »solange es Armut gibt, arme Menschen weiterhin materiell zu unterstützen«.
Allerdings sollten die Tafeln nicht wachsen, »denn sie dokumentieren einen sozialen Missstand«.
Von Daniel Mielcarek

Artikel vom 19.03.2018
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