Im Gespräch mit Ludwig Webel alias Leslie West, Western-Autor aus München

Wildwest aus Oberbayern

Der bodenständige Münchner Ludwig ­Webel ist der Westernromantiker Leslie West.	Foto: Anna-Lena Mitteregger

Der bodenständige Münchner Ludwig ­Webel ist der Westernromantiker Leslie West. Foto: Anna-Lena Mitteregger

München · »Missouri 1830. Als der junge Kit Carson in einer Sattlerei mit einem Giganten namens Seth McClusky zusammenstößt, ahnt er noch nicht, dass dieser zu seinem Todfeind werden wird.

Zwei Jahre später erhält er den Auftrag, einen Treck einzuholen, der von einem verräterischen Scout ins Verderben geführt werden soll. Sein Name: Seth McClusky!«

So beginnt eine Erzählung über das Leben und Wirken des Mountain Men Kit Carson in der Neuen Welt des beginnenden 19. Jahrhundert.

Auf meiner Recherchereise durch Deutschland auf der Suche nach dem Außergewöhnlichen lernte ich in München Leslie West, Autor zahlreicher Westernromane, kennen. Wir trafen uns zu einem mehrstündigen aufschlussreichen Gespräch im Zentrum in einem traditionellen Münchner Bierlokal.

Der Münchner Western-Schriftsteller Ludwig Webel alias Leslie West kommt schnell auf den Punkt. »Ich bin mit Herzblut ›Münchner‹, liebe meine Stadt, obwohl ich an vielen Schauplätzen der westlichen Welt auf den Spuren von Kit Carson zugegen war.« Nicht im herkömmlichen Sinne, wie ich im Verlauf des Gesprächs erfuhr. Es ist eher selten, dass Ludwig Webel die Koffer packt und auf Reisen geht, meist hält er sich in seiner angestammten Heimat auf. Seine Entdeckungstouren führen ihn durch Bibliotheken, Archive und ausgewählte exotische Buchhandlungen. Dort ist er zuhause, dort wird seine Phantasie beflügelt, dort entstehen die Ideen für seine geschichtsträchtigen literarischen Werke über den »Wilden Westen« zwischen 1830 und 1860. Sein Protagonist ist Kit Carson, ein amerikanischer Pionier, der tatsächlich existierte. Er lebte von 1809 bis 1868.

Die Legendenbildung um Kit Carson begann schon vor seinem Tod. Über 25 Romane über Kit Carson sind zwischen 1849 und 1923 erschienen, von »Prince of the Gold Hunters« bis zu »King of Scouts«. Auch heute gibt es sie noch, die klassischen Westernserien. Man muss sie nur finden.

Der Western hat seine ­Faszination nicht verloren, aber er führt heute nur noch ein Nischen-Dasein

Herr Webel, wann haben Sie damit begonnen, Western zu schreiben?

Ludwig Webel/Leslie West:Meine ersten Western schrieb ich in den frühen 80ern. 31 Hefte »Kit Carson und Washakie, der Schoschonenhäuptling« erschienen in der nostalgischen Aufmachung der 30er Jahre, weitere in mehreren »Rio Concho«-Serien von Alfred Wallon, aus denen später die E-Book-Serie »San Angelo Country« wurde. Unsere Leserschaft blieb treu, aber dreistellig. Wegen der »Uralt-Aufmachung« von »Kit Carson« hatte ich sehr viele sehr betagte österreichische Leser, die nicht alle das Ende der Serie erlebten…

Sind Westernserien tot?

Webel: Nein, aber zum großen Teil gut versteckt. Man muss dazu kleinere Sender abchecken, was das Fernsehen betrifft, und an den Kiosken gibt es weit weniger Serien als im Internet. Mammut-TV-Serien wie die »Die Leute von der Shiloh Ranch«, »Bonanza«, und »Rauchende Colts« wird es freilich nie wieder geben. Neu geschrieben werden fast nur noch Erotik-Western, was dem Ruf des Genres sicher nicht förderlich ist. Marktführer ist seit Jahrzenten »Lassiter« mit über 2.600 Heften und Taschenbüchern. Taschenbücher gibt es heute praktisch überhaupt nicht mehr, nur noch die Hefte an den Kiosken.

Worin bestand oder besteht die Faszination von Westernserien?

Webel: Es ist wohl, wie beim Kinowestern, der Dreiklang aus Landschaft, Helden und Abenteuern. In den Serien gab es als Hauptfiguren Sheriffs und Marshals, Texas Rangers, Kopfgeldjäger und unschuldig Verfolgte. In »Shenandoah« war ein Mann, der sein Gedächnis verloren hatte, auf der Suche nach seiner Identität. In »Die Spur des Jim Sonett« suchten Großvater und Enkel nach dem verschollenen Vater. Solche Handlungsbögen hatten schon etwas Episches. Der längsten Beliebtheit erfreuten sich die Ranch-Western, wo Familien oder Mannschaften im Mittelpunkt standen. Im Fernsehen waren das noch »Big Valley« und »High Chaparral« mit jeweils über 100 Folgen. An den Kiosken brachten es »Tombstone« und die »Red Rock Ranch« auf über 100 Hefte, die »Skull Ranch« auf genau 200.

Wie kam es zum Niedergang des Genres?

Webel: Das hatte mehrere Gründe. Die Thematiken waren irgendwann in den Siebziger Jahren alle abgearbeitet. Das Zuschauerinteresse tendierte stärker in Richtung Krimis und Science Fiction. Die 68er-Generation wollte Neues. Der Italo-Western gab dem Genre neue Akzente, inspirierte in Deutschland die Heftserien »Ronco« und »Lobo«, die es gemeinsam und getrennten Abenteuern auf insgesamt 800 Romane brachten. Seitdem haben es neue Western-TV-Serien und Kioskserien nur noch auf zweistellige Folgenzahlen gebracht. Neu aufgelegt werden bis heute die über 300 »Wyatt Earp«-und »Doc Holliday«-Romane.

Damit sind wir praktisch in der Gegenwart. Wie sieht es heute aus?

Webel: Inzwischen hat auch der Serienwestern den Sprung in die elektronische Gegenwart vollzogen. Den E-Book-Verlagen ist es zu verdanken, dass alte Schätze ins Heute gerettet werden. Besonders erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang die Edition Bärenklau…

… in der auch die Westernserie »Kit Carson« eines gewissen Leslie West erscheint…

Webel: Richtig, das ist mein Baby, an dem ich seit Jahrzehnten arbeite. Bei Bärenklau sind bisher über ein Dutzend Bände erschienen. Zudem spielt Kit Carson in meinen Romanen für die Parallelserie »San Angelo Country« mit, die von meinem Freund Alfred Wallon ebenfalls bereits vor Jahrzehnten konzipiert wurde und ebenfalls bei Bärenklau erscheint. Verlagsleiter ist der rührige Jörg Munsonius, der inzwischen auch zahlreiche klassische deutsche Westernautoren in sein Programm aufgenommen und damit vor dem Vergessen gerettet hat.

Kit Carson ist eine historische Figur. Sind auch die Romane historisch?

Webel: Der Rahmen ja, die Jahreszahlen stimmen alle. Kit Carson war Treckbegleiter, Mountain Man, Scout, Indianeragent und Brigadegeneral im Bürgerkrieg. Da ist viel Potenzial drin. Bereits im 19. Jahrhundert erschienen so zwischen 50 und 70 Romane über ihn. Bis heute kommen neue hinzu. Mein Kit Carson ist ein wenig idealisiert und um mehr Handlungsfreiheit zu haben, nehme ich die Lebensjahre, die nicht lückenlos dokumentiert sind.

Warum erscheint als Autorenname Leslie West und nicht der bürgerliche Name Ludwig Webel?

Webel: Amerikanische Pseudonyme haben bei Western seit vielen Jahrzehnten Tradition, um eine höhere »Authentizität« zu beschwören. Mein Namensvorbild, der begnadete Hard-Rock-Gitarrist Leslie West, heißt übrigens auch anders.
Von Peter Fritschi

Zur Person
Ludwig Webel, geboren 1957 in München, lebt in München und arbeitet seit 1985 im Tourismusamt der Landeshauptstadt.

Artikel vom 06.03.2018
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