Entzündlichen Darmerkrankungen vorbeugen

Medizinisches Interview: Wie Ernährung unsere Darmgesundheit beeinflusst

Dr. Peter Kreissl und Prof. Thomas Bernatik (v. li.) plädieren für eine ausgewogene Ernährung und eine regelmäßige Darmkrebsvorsorge. 	Foto: kk

Dr. Peter Kreissl und Prof. Thomas Bernatik (v. li.) plädieren für eine ausgewogene Ernährung und eine regelmäßige Darmkrebsvorsorge. Foto: kk

Ebersberg · Die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind nicht nur unangenehm für Betroffene, sie erhöhen auch das Darmkrebsrisiko.

Wir sprachen mit den beiden Ärztlichen Leitern des Darmzentrums Ebersberg, den Chefärzten Dr. Peter Kreissl und Prof. Thomas Bernatik darüber, inwieweit Ernährungsgewohnheiten und die Zusammensetzung der Darmflora Einfluss auf die Erkrankungen haben können.

Lassen sich durch eine bestimmte Ernährung entzündliche Darmerkrankungen vermeiden?

Prof. Bernatik: Nun, ganz gesichert ist diese These nicht, aber bei einigen Erkrankungen besteht auf jeden Fall ein Zusammenhang zwischen Krankheit und Ernährung, etwa bei Lebensmittelunverträglichkeiten. Bei einem Reizdarm zum Beispiel lindert eine spezielle kohlenhydratreduzierte Ernährung (Low FODMAP) die Beschwerden wie Bauchschmerzen und Völlegefühl. Es wird auch vermutet, dass die Hauptursache für eine Divertikulose eine ballaststoffarme Ernährung ist, denn die Zahl der Erkrankten ist in den letzten Jahrzehnten drastisch gestiegen, was darauf zurückgeführt werden kann, dass wir immer mehr industriell hergestellte Produkte essen. Ballaststoffe sind in Gemüse, Obst und Vollkornprodukten enthalten. Sind die Nährstoffe daraus verarbeitet, scheidet der Darm die übriggebliebenen Fasern aus. Fastfood oder Weißmehlprodukte hingegen enthalten wenige bis keine Ballaststoffe. Es bleibt nicht viel übrig, was der Darm ausscheiden könnte, die Beweglichkeit des Darms verkümmert sozusagen. Die Patienten leiden oft an Verstopfung. Dadurch können sich Ausstülpungen des Dickdarms nach außen bilden, sogenannte Divertikel, die sich bei 20 Prozent der Patienten entzünden.

Wie wird diese akute Entzündung behandelt?

Dr. Kreissl: Zunächst mit Antibiotika, bei jedem zehnten Patienten müssen die Divertikel operativ entfernt werden.

Colitis ulcerosa ist eine chronische Entzündung des Dick- und Enddarms. Hat hier die Ernährung ebenfalls einen Einfluss auf die Entstehung?

Dr. Kreissl: Bei einigen Betroffenen besteht, wenn auch nicht ursächlich, eine Laktoseintoleranz, das heißt, eine Unverträglichkeit gegenüber Milchzucker. Eine Umstellung der Ernährung kann eine deutliche Verbesserung der Symptome bringen, die von starken, schubweisen Bauchschmerzen und blutigen Durchfällen bis hin zum allgemeinen Leistungsabfall reichen. Im schlimmsten Fall kann es zu einem Darmdurchbruch kommen. Zu den Ursachen gehören aber andere Faktoren wie etwa Erbablagen und Stress. Zudem könnten bestimmte Darmbakterien und ein geschwächtes Immunsystem zu der Erkrankung führen.

Wie entstehen diese Darmbakterien?

Prof. Bernatik: Der Darm des Menschen ist mit Milliarden Mikroorganismen – genannt Mikrobiom – besiedelt, die wichtige Aufgaben erfüllen wie etwa die Verdauung von Nährstoffen, die Abwehr von Krankheitserregern und vieles mehr. Sicher ist, dass die Darmflora bei jedem Menschen anders ist und durch unsere Ernährung beeinflusst wird. Wer zum Beispiel viel Zucker zu sich nimmt, hat vermehrt Bakterien im Darm, die Zucker mögen. Die genauen Zusammenhänge und Auswirkungen des Mikrobioms auf den Körper werden derzeit intensiv erforscht. Es wird vermutet, dass nicht nur Darmerkrankungen durch eine ungesunde Darmflora begünstigt werden. Einigen Patienten mit bestimmten Durchfallerkrankungen wurde der Stuhl, der zu 95 Prozent aus Bakterien besteht, eines gesunden Menschen in den Darm verpflanzt, worauf die Erkrankung verschwand. In Tierversuchen hat man jedoch beobachtet, dass dafür andere Krankheiten übertragen wurden. Manche Forscher sind überzeugt, dass die Zusammensetzung der Bakterien nicht nur Auswirkungen auf die Gesundheit, sondern auch auf die Psyche hat. Es ist jedoch auch andersherum: Manche Erkrankungen und psychische Probleme haben Einfluss auf die Darmflora. Daher kann gesagt werden: Eine ausgewogene Ernährung, Entspannung und Bewegung beugen Erkrankungen vor - nicht nur denen des Darms.

Gilt das auch für Morbus Crohn?

Dr. Kreissl: Ja, auch wenn die Ursache für diese bisher unheilbare Darmerkrankung noch unklar ist. Vermutet wird, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt, aber auch Erbanlagen und die Psyche wichtige Risikofaktoren darstellen. Bei einigen Patienten konnten jedoch die Symptome durch eine Umstellung der Ernährung gemindert werden.

Es ist bekannt, dass Antibiotika die Darmflora zerstören. Trotzdem wird zum Beispiel eine Divertikulitis damit behandelt?

Dr. Kreissl: Ja, weil nur damit die Entzündung eingedämmt werden kann. Generell sollten Antibiotika aber nur gegeben werden, wenn es unbedingt notwendig ist. Leider ist das heutzutage nicht immer der Fall. Eine zu häufige Antibiotika-Einnahme oder bestimmte Antibiotika können sogar eine pseudomembranöse Colitis auslösen. Diese Dickdarmentzündung lässt im Darm vermehrt Clostridien entstehen, eine Bakterienart, die zu heftigen Durchfällen und Fieber führende Giftstoffe produziert.

Stellen alle Darmerkrankungen ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs dar?

Prof. Bernatik: Chronische, entzündliche Erkrankungen, die den Dickdarm schädigen, auf jeden Fall. Dazu gehört die Colitis ulcerosa, Morbus Crohn nur, wenn der Dickdarm davon betroffen ist. Bei Patienten mit diesen Erkrankungen wird daher in kürzeren Zeitabständen eine Darmspiegelung durchgeführt als bei Nichtbetroffenen.

Dr. Kreissl: Wir empfehlen jedoch auch gesunden Menschen ab 50 Jahren eine Darmspiegelung vorzunehmen, bei genetischer Vorbelastung sogar noch früher. Polypen im Darm können entarten! Bei der endoskopischen Untersuchung werden sie gleich entfernt. Immer mehr Menschen nehmen dieses Angebot, das von jeder Krankenkasse übernommen wird, wahr - dadurch konnte die Darmkrebsrate in den letzten Jahren merklich abgesenkt werden. Das Gespräch führte Sybille Föll

Artikel vom 01.03.2018
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