Die geheimnisvolle Fremde

Erdinger könnten helfen, ein Familiengeheimnis aufzulösen

Vor über 70 Jahren war Karl Schollmeyer aus Duisburg in Erding stationiert. Damals entstand dieses Bild. Seine Tochter will heute wissen: Zeigt dieses Foto vielleicht die erste Familie ihres Vaters?	Foto: privat

Vor über 70 Jahren war Karl Schollmeyer aus Duisburg in Erding stationiert. Damals entstand dieses Bild. Seine Tochter will heute wissen: Zeigt dieses Foto vielleicht die erste Familie ihres Vaters? Foto: privat

Erding/München · Kis­ten mit doppeltem Boden und einem geheimnisvollen Inhalt gibt es normalerweise nur im Roman oder im Film.

Möchte man meinen. Eine kleine Kiste mit einem doppelten Boden hat Cornelia Schöbel zu einer abenteuerlichen Suche veranlasst, bei der alteingesessene Erdinger helfen könnten, ein Familiengeheimnis zu lüften. Aber der Reihe nach. Als ihre kleine Enkeltochter vor gut drei Jahren versehentlich eine Kiste mit Familienfotos und Unterlagen umstößt, löst sich ein doppelter Boden und bringt unter anderem eine Fotografie zutage, die die Familie von Cornelia Schöbel vor ein großes Fragezeichen stellt.

Es sieht aus wie ein typisches Familienfoto aus den 40er-Jahren: ein junges Paar, zwei kleine Kinder. Der Mann, vielleicht der Vater der beiden Kinder, in Uniform. Hat er Heimaturlaub? Diese Gedanken sind Cornelia Schöbel schon oft durch den Kopf gegangen. Denn der junge Mann auf dem Foto ist ihr Vater. Doch die Frau und die beiden Kinder kennt sie nicht. Fragen drängen sich auf.

Hatte ihr Vater, bevor er ihre Mutter kennenlernte, schon einmal eine Familie? Ihn selbst kann Cornelia Schöbel nicht mehr fragen. Er ist seit über 30 Jahren tot. Deswegen hat sich die Duisburgerin selbst auf Spurensuche gemacht und sich nun an uns gewandt. Vielleicht kann ein Leser Antworten auf ihre Fragen geben.

Der Soldat auf dem Foto heißt Karl Schollmeyer. Geboren wurde er am 3. November 1920 in Walsum am Niederrhein (heute ein Stadtbezirk von Duisburg). Von Mai 1937 bis Anfang 1940 war er Mitglied der SA-Standarte Feldherrnhalle und in Erding stationiert. »Zu seinem Arbeitsgebiet gehörte unter anderem der Einsatz als Wache vor Gebäuden in München«, so Cornelia Schöbel. Nach 1940 sei ihr Vater zu den Fallschirmjägern gegangen und nie wieder in Bayern stationiert gewesen. »Das Foto trägt das Datum 9. Juni 1940«, sagt Cornelia Schöbel. Sie sei davon überzeugt, dass es irgendwo im Süden Deutschlands aufgenommen wurde. »Mein Vater hat fast alle Unterlagen und Fotos aus Kriegszeit vernichtet.« Nur das Wichtigste habe er in der Blechkiste aufgehoben. Die Unterlagen und Fotos in dem doppelten Boden seien ihm wohl besonders wichtig gewesen. »Sonst hätte er sie nicht so gut versteckt«, sagt Karl Schollmeyers Tochter.

Das Foto mit der unbekannten Frau sei mit einem weiteren Foto in einem Umschlag gewesen. »Diese zweite Aufnahme zeigt meinen Vater mit seinen Brüdern. Es sollte wohl als Postkarte genutzt werden, wurde aber nie abgeschickt.«

Dennoch gibt es einige Hinweise: Auf der Rückseite befindet sich das Datum 12. März 1944 und als Empfängerin ist Lieselotte Wagner, Rosenheimer Straße 145, München-Ost, angegeben. »In der Rosenheimer Straße 145 befand sich damals aber ein Rüstungsbetrieb bzw. ein Lager für Zwangsarbeiter«, hat Cornelia Schöbel recherchiert. War Lieselotte Wagner eine Angestellte des Betriebs?

»Ich habe alle Archive angeschrieben, die ich anschreiben konnte«, sagt Cornelia Schöbel. Nun sei sie an ihre Grenzen gestoßen und hofft, insbesondere mit der Veröffentlichung des Fotos etwas über die unbekannte Frau und die beiden Kinder zu erfahren. »Mein Vater hat meine Mutter erst nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft im Jahr 1948 kennengelernt. Wir haben eine große Familie, aber niemand weiß etwas über dieses Foto und in welcher Beziehung mein Vater zu den Abgebildeten steht«, betont sie. Ihre Mutter sei vor 18 Jahren gestorben. Sie könne sich an keine einzige Bemerkung ihrer Mutter erinnern, die vielleicht auf eine erste Familie ihres Vaters schließen lasse. »Ich bin überzeugt davon, dass, wenn mein Vater wirklich vor uns eine Familie hatte, meine Mutter nichts davon wusste«, sagt sie.

Cornelia Schöbel möchte gerne die Wahrheit hinter diesem Foto erfahren. Nicht mehr und nicht weniger. Wer die Frau oder die Kinder auf der Aufnahme kennt, kann sich mit unserer Redaktion unter E-Mail redaktion@wochenanzeiger.de in Verbindung setzen. tab

Artikel vom 10.02.2018
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