Interview: Kreisklinik Ebersberg verzeichnet steigende Zahlen

Ebersberg · Unerfüllte Kinderwünsche

Die Chefärztin der Gynäkologie und Geburtshilfe in der Kreisklinik Ebersberg, Prof. Cornelia Höß, und die leitenden Oberärztin Dr. Helen Budiman.	Foto: Sybille Föll

Die Chefärztin der Gynäkologie und Geburtshilfe in der Kreisklinik Ebersberg, Prof. Cornelia Höß, und die leitenden Oberärztin Dr. Helen Budiman. Foto: Sybille Föll

Ebersberg · In der Kreisklinik Ebersberg sind im letzten Jahr 673 Kinder zur Welt gekommen, 24 mehr als ein Jahr zuvor. Ein neuer Höchstrekord. Doch auch die Zahl der Paare mit unerfülltem Kinderwunsch ist in den letzten Jahren größer geworden.

Eine der Ursachen ist, dass das Durchschnittsalter von Erstgebärenden ansteigt – in Bayern lag es 2015 laut Statistischem Bundesamt bei 31,1 Jahren –, die Fruchtbarkeit im Alter jedoch abnimmt. Aber es gibt vielfältige andere medizinische Gründe, wieso auch bei jüngeren Frauen eine Schwangerschaft ausbleiben kann. Darüber sprach Sybille Föll mit der Chefärztin der Gynäkologie und Geburtshilfe in der Kreisklinik Ebersberg, Prof. Cornelia Höß, und der leitenden Oberärztin Dr. Helen Budiman.

Föll: Frau Dr. Budiman, welche Ursachen kann eine Unfruchtbarkeit haben?

Budiman: Zunächst sollte man wissen, dass es zu einem Drittel an der Frau, zu einem Drittel am Mann und zu einem weiteren Drittel an beiden liegen kann. Konnte beim Mann durch Tests eine Unfruchtbarkeit ausgeschlossen werden sollte sich die Frau untersuchen lassen. Mögliche Ursachen können hormonelle Störungen sein. Mechanische Ursachen sind zum Beispiel gutartige Wucherungen in der Gebärmutter, etwa Myome, die sich aus Muskelgewebe bilden, oder Polypen.

Wie werden diese diagnostiziert und behandelt?

Budiman: Eine Hormonuntersuchung wird in der Regel vom niedergelassenen Frauenarzt vorgenommen. Bei Verdacht auf Myome oder Polypen nehmen wir eine Gebärmutterspiegelung vor, genannt Hysteroskopie. Bei diesem minimalinvasiven Eingriff, der ambulant vorgenommen wird, können wir die Wucherungen gegebenenfalls gleich entfernen, sofern sie in der Gebärmutterhöhle liegen. Befinden sich die Myome in der Gebärmutterwand oder außen, werden sie mittels einer Bauchspiegelung ausgeschält. Das empfiehlt sich jedoch erst ab einer gewissen Größe.

Welche Ursachen gibt es außerdem?

Budiman: Vorangegangene Eileiterentzündungen können zu einer Verklebung der Eileiter führen und somit eine Schwangerschaft verhindern. Viele Frauen bemerken eine solche Clamydieninfektion gar nicht. Weitere Ursachen sind Zysten an den Eileitern oder -stöcken oder auch eine Endometriose. Bei dieser Erkrankung befindet sich Schleimhaut, die eigentlich nur in die Gebärmutter gehört, im gesamten Bauchraum.

Mit welchen Verfahren können Sie diese Ursachen diagnostizieren und therapieren?

Budiman: Die Endometriose, die sich oft schon durch sehr starke Schmerzen zur Periode hin bemerkbar macht, können wir ebenfalls minimalinvasiv mithilfe einer Bauchspiegelung mit je einem kleinen Schnitt im Bauchnabel und im Unterbauch feststellen und die Schleimhautpartikel dabei gleich entfernen. Die Durchgängigkeit der Eileiter untersuchen wir mittels einer Chromopertubation. Bei diesem Verfahren wird ebenfalls eine Bauchspiegelung vorgenommen und zusätzlich über die Scheide eine blaue Farbstofflösung in die Gebärmutterhöhle gegeben, die dann durch die Eileiter fließt. Am Bildschirm können wir so sehen, ob ein Verschluss vorliegt. Ist das der Fall, besteht die Möglichkeit einer sogenannten Refertilisation, ein spezielles Operationsverfahren, bei dem die Eileiter wieder durchgängig gemacht werden. Heutzutage wird das jedoch nur noch selten durchgeführt, wir empfehlen in diesem Fall eher eine künstliche Befruchtung.

Warum kann der Kinderwunsch ab 40 problematisch sein?

Höß: In der Regel nimmt die Fruchtbarkeit der Frau ab dem 35. Lebensjahr deutlich ab. Ab einem Alter von 40 Jahren liegt die Chance, schwanger zu werden, selbst bei einer künstlichen Befruchtung bei nur noch rund 20 Prozent. Das liegt daran, dass die Qualität der Eizellen nachlässt. Sie bilden sich schon im Embryostadium und erneuern sich nicht im Laufe des Lebens. Sie altern mit, das Erbgut verändert sich, das Risiko von genetischen Defekten des Kindes steigt. Das ist auch der Grund, warum Frauen ab Mitte 30 öfters Fehlgeburten haben als jüngere Frauen. Das ist eine Regelung der Natur. Nur ein Prozent aller zur Welt gekommenen Babys von Müttern über 40 haben einen Gendefekt oder eine Fehlbildung.

Bestehen auch gesundheitliche Risiken?

Höß: Sehr viele Frauen über 40 bringen problemlos gesunde Kinder zur Welt. Bei uns waren 2016 von den insgesamt 649 Müttern 24 über 40 Jahre alt. Dennoch ist es so, dass das Risiko möglicher Komplikationen mit zunehmendem Alter ansteigt. Vor allem, wenn schon altersbedingte Erkrankungen bestehen, etwa Stoffwechsel- und Herz-Kreislauferkrankungen, verengte Blutgefäße – auch Übergewicht und Diabetes Typ 2 sind in diesem Alter nicht selten. Einige Symptome können sich während der Schwangerschaft verstärken. Manche Frauen entwickeln auch eine Gestose. Das ist der Sammelbegriff für schwangerschaftsbedingte Erkrankungen wie Bluthochdruck, Ödeme, krankhafte Veränderungen der Plazenta und eine erhöhte Eiweißausscheidung im Urin, verursacht durch geschädigte Nieren.

Mittlerweile gibt es die Möglichkeit, das Problem alternder Eizellen zu umgehen, richtig?

Höß: Ja, das »Social Freezing«. Wir bieten es nicht an, aber in darauf spezialisierten Einrichtungen können junge Frauen ihre Eizellen einfrieren lassen, um sich die Option auf eine spätere Schwangerschaft offen zu halten. Das minimiert das Risiko für Fehlbildungen des Kindes. Dass die Frau zum Zeitpunkt der Schwangerschaft dann älter ist und andere Risiken bestehen, wird oft außer Acht gelassen. Es bleibt also zu diskutieren, ob das der richtige Weg ist. Für Frauen mit Krebserkrankungen hingegen ist die Methode ein Segen. Nach der Therapie kann sie sich die Eizellen einpflanzen lassen.

Artikel vom 02.02.2018
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