Konzert im Wohnzimmer

Wie das »Sonic« aus einem Café eine »Konzerthalle« macht

Flaws aus Forstinning war die erste lokale Band, die hier spielen durfte, bei funzeliger ­Beleuchtung, sparsamer Tontechnik, aber mit viel Liebe gespielter Musik. 	Foto: kw

Flaws aus Forstinning war die erste lokale Band, die hier spielen durfte, bei funzeliger ­Beleuchtung, sparsamer Tontechnik, aber mit viel Liebe gespielter Musik. Foto: kw

Erding · Die Bretter, die für die Akteure die Welt bedeuten, bestehen hier aus einer Lage Euro-Paletten, immerhin mit einem Teppich darüber. Das ganze nennen sie selbstbewusst »Bühne«.

Auch die »Beleuchtungsanlage« hat in etwa diesen Standard: Sie ist so schwach auf der Brust, dass die Mitglieder des Fotoclubs Erding, die hier bisweilen im Einsatz sind, schier verzweifeln am Lichtmangel, der selbst von den Koryphäen der fotografierenden Zunft das Beste abverlangt. Aber gemütlich sind sie, die »Wohnzimmerkonzerte« im Jugend- und Kulturhaus Erding, dem ­»Sonic« an der Dorfener Straße. So werden die vermeintlichen Defizite der Location zu Merkmalen für die Atmosphäre, die Musikern wie Besuchern wichtig ist.

Die Gäste fläzen sich in den durchgesessenen Sofas, kauen Gummibärchen, haben verträumt die Augen geschlossen: Kopfkino an, Alltag aus. Wenn 20 Zuhörer kommen, wird es kuschelig, ab 30 droht Überfüllung. Das Sonic-Team hat mit diesen Mini-Konzerten ein Format geschaffen, das erkennbar ankommt, und die, die auf den genannten Paletten das Kopfkino möglich machen, kommen zumeist aus der Region. Zuletzt war es »Ama Pola« aus Berglern, aber auch schon »Flaws« aus Forst­inning haben aufgespielt. Nach dem Start der neuen Reihe mit »Nick and June« aus Nürnberg konzentriert man sich jetzt wieder verstärkt auf die lokalen Künstler, gibt ihnen eine Möglichkeit zum Auftritt, was der ganzen Szene gut tut. So gab die Berglernerin Bianca Rondan Sanchez alias »Ama Pola« – das spanische Wort für »Mohnblume« – zu, noch nie in Erding gespielt zu haben, gerade mal sieben Kilometer von ihrer Heimatgemeinde entfernt.

Alles wirkt improvisiert, herrlich unprofessionell, der Name »Wohnzimmerkonzert« ist Programm.

Der geringe technische Aufwand hat etwas für sich, ist es doch für die organisierenden jungen Leute, die die Infrastruktur der städtischen Jugendeinrichtung nutzen, dann leichter, selbst etwas auf die Beine zu stellen, ein Kulturangebot für ihre Generation zu bieten. Das passt zum Konzept des Hauses, das Möglichkeiten zur Gestaltung schaffen und nicht bloß Konsumangebote bereitstellen will. Das Konzept geht erkennbar auf, das Format stimmt, auch wenn der Vorsitzende des Fotoclubs inständig darum bat, doch etwas an der Beleuchtung zu machen und um jedes Lux kämpfte. Aber harte Bühnenbeleuchtung hätte die Wohnzimmeratmos­phäre, die hier bewusst geschaffen werden soll, gestört, genau wie Boxentürme. Der Mann am kleinen Mischpult ist hier nicht so sehr herausgefordert wie in großen Sälen. Selbst »unplugged« geht hier wunderbar.

Hier treffen Musiker aufeinander, die plötzlich gemeinsam auf der Bühne stehen und spontan zeigen müssen, was sie drauf haben, wie gut sie sich aufeinander einstellen können. Das war bei Ama Pola der Fall, weil »Francis« aus Landshut sich als weit mehr als bloß ein »Support Act« herausstellte und die Berglerin zum Mitmachen einlud. Da ließen die anderen, die ihre Instrumente schon wieder im Auto verstaut hatten, sich nicht lange bitten, und es kam richtig Stimmung auf im »Wohnzimmer«, das im Regelbetrieb des »Sonic« das Café ist.

Das nächste Wohnzimmerkonzert im Sonic, Dorfener Straße 13, findet am Samstag, 10. Februar, ab 20 Uhr statt. Auf der Bühne steht dann ­Maria Rui. Sie ist eine klassische Singer/Songwriterin, kommt aus Portugal und ist des Studiums wegen in München gelandet. Und demnächst auch in Erding zu hören. kw

Artikel vom 19.01.2018
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