Frieden braucht Mut

Zorneding · Gedanken zum Weihnachtsfest von Pfarrer Mathias Häusl

»Weihnachten geht es ums Leben. Im wahrsten Sinn des Wortes. Und es geht um den Frieden. Im Kleinen wie im Großen«, sagt Pfarrer Häusl.	  Foto: Stefan Dohl, Gemeinde Zorneding

»Weihnachten geht es ums Leben. Im wahrsten Sinn des Wortes. Und es geht um den Frieden. Im Kleinen wie im Großen«, sagt Pfarrer Häusl. Foto: Stefan Dohl, Gemeinde Zorneding

Zorneding · Wie in unserer Ausgabe am Mittwoch wollen wir auch in der Wochenendausgabe vor dem Heiligen Abend einen geistlichen zu Wort kommen lassen. Diesmal konnten wir Pfarrer Mathias Häusl für eine persönliche Weihnachtsbotschaft gewinnen.

Erst Ende September trat Häusl – zuletzt Pfarrvikar in Höhenkirchen-Siegertsbrunn – seinen Dienst in der katholischen Gemeinde in Zorneding an.

Wie weit ist es her mit dem Weihnachtsfrieden – oder anders gefragt: Woher kommt der Begriff »Weihnachtsfrieden«? Nun zuerst würde uns natürlich einfallen, dass dieser Friede schon etwas mit der Geburt Christi zu tun hat. Wir feiern die Ankunft Jesu, Sohn Gottes, des Friedensfürsten in unserer Welt. Und das sollte Konsequenzen haben. Eben die, dass es wirklich Frieden wird auf der Erde. Wir sind nicht naiv. Wir wissen nur allzu gut, dass sich dieser Friede nicht einstellen wird. Es wird Krieg, Vertreibung, Verfolgung, Ausgrenzung, Verrat, Vergewaltigung, Hetze und Terror auch an Weihnachten geben. Wenn nicht gerade in unserer unmittelbaren Umgebung, so doch irgendwo auf der Welt. Das ist die Realität. So sieht es eben aus, bei uns Menschen. Auf der Suche nach dem historischen Kern des Wortes »Weihnachtsfrieden« gehen wir 103 Jahre zurück in eine tragische Zeit. In die Zeit des ersten Weltkrieges. Es ist Dezember 1914.

Die Situation beschreibt Erich Maria Remarque in seinem Roman »Im Westen nichts Neues«: »Unsere Hände sind Erde, unser Körper Lehm und unsere Augen Regentümpel. Wir wissen nicht, ob wir noch leben«. 750.000 Soldaten hatten ihr Leben bereits verloren. Deutsche, Engländer, Belgier, Franzosen. Dabei hatte Kaiser Wilhelm und seine Generäle versprochen, dass die Schlacht schnell geschlagen und man zu Weihnachten wieder zu Hause sei. »Stille Nacht« tönt es an Heilig Abend bei Armentières aus den deutschen Unterständen, erst leise, dann aus Hunderten Deutschen Kehlen. Die Engländer stimmen mit ein. Die Deutschen zünden einen Christbaum an. Alle kamen aus den Schützengräben, bewegten sich frei und es wäre nicht einem in den Sinn gekommen zu schießen.

Aus einem Feldpostbrief können wir lesen: »Die gaben sich die Hand und umarmten sich (…). Und plötzlich kam der Gesang aus allen Schützengräben. Man muss sich vorstellen: Das war von der Nordsee bis zur Schweizer Grenze – 800 Kilometer.« Ein anderer schreibt: »Dennoch gab es Beispiele von Frontabschnitten an der Westfront, wo dieser Frieden nicht nur eine Woche oder zwei Wochen, sondern wo die sich untereinander abgesprochen haben. Hört mal zu, Jungs, wir müssen zwar wieder schießen. Die Befehle sind da. Aber wir schießen über den Kopf hinweg und ihr macht es bitte genauso. Und das hielt auch vor, es hielt auch vor.«

Die Feldpostbriefe und die Zeitungen berichteten natürlich davon und so erfuhren die Familien der Frontsoldaten auch zu Hause von dem Weihnachtswunder und dem Weihnachtsfrieden. Also es gibt ihn schon, diesen Weihnachtsfrieden. Nicht nur dergestalt, dass in der Woche vor Weihnachten und bis zu Neujahr Behörden auf die Zustellung von Bescheiden gerade in dieser Zeit verzichten. Es wäre zu kurz gegriffen, würden wir diesen Begriff so reduzieren. Nein, es geht um Wesentliches. Es geht ums Leben. Im wahrsten Sinn des Wortes. Und es geht um den Frieden.

Im Kleinen wie im Großen. In mir selbst und in unseren Familien und auf der Welt. Aber: Es ist eben kein Automatismus, der ab dem Heiligen Abend eintritt. Da werden wir uns schon anstrengen müssen. Oder über so manchen Schatten springen, aufeinander zugehen, vielleicht? Wie die Frontsoldaten im Ersten Weltkrieg. Und so manches ignorieren, wie diese Soldaten die Befehle ihrer Vorgesetzten ignoriert haben. Das braucht Mut. Weihnachten ist eben nichts für Feiglinge.

Artikel vom 22.12.2017
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