Wo bin ich eigentlich zuhause?

Gedanken in den letzten Tagen eines Jahres von Pfarrer Christian Penzkofer

Pfarrer Christian Penzkofer von St. Michael Perlach. 	Foto: privat

Pfarrer Christian Penzkofer von St. Michael Perlach. Foto: privat

Perlach · Wohl dort, wo ich wohne, wo ich meine Lebenserfahrungen machen kann in Arbeit und Freizeit. Ich erinnere mich noch an die Straße, in der ich meine ersten Gehversuche unternommen habe, oftmals zur Erheiterung der Nachbarn.

Der Kindergarten eröffnete mir neue Erlebnisfelder, zusammen mit bislang unbekannten anderen Kindern. Die Einschulung war in einer konkreten, damals noch »Volksschule an der Weißenseestraße«. Vier Jahre später begann der Alltag im Albert – Einstein – Gymnasium in Harlaching. Danach die Universität in München und der Eintritt in den Berufsalltag eines Priesters.

Mein ganzes bisheriges Leben kann ich an Orten festmachen. Ihnen wird es wohl ebenso ergehen. Eine Biographie ist ohne Ortsbezüge nicht denkbar, da ich ja nicht im luftleeren Raum existieren kann. Auch die Aufgabe, mich immer wieder einmal neu zu orientieren, kann nur mit besonderen »Orientierungspunkten« gelingen. Andernfalls bin ich in Gefahr, mich in der Weite und Unübersichtlichkeit dieser Welt zu verlieren. An diese Erkenntnis erinnert uns auch die Zeit um den Jahreswechsel. Wir nehmen wieder Kontakt auf mit Menschen, die in unserem Leben eine Rolle spielen; wir besuchen sie, rufen sie an oder treten in anderer Weise in Verbindung zu ihnen. Ebenso macht es der Gott, von dem uns Jesus Christus erzählt. Er macht es sogar in unüberbietbarer Art und Weise: Er wird selbst Mensch unter den Menschen. Diese wunderbare Faszination des Lebens, das von Generation zu Generation in jedem Augenblick irgendwo auf der Welt weitergegeben wird, steht in der Feier dieser göttlichen Geburt vor unseren Augen. Gott sucht die Nähe der Menschen, er kommt in einer Familie aus Nazaret in Bethlehem zur Welt, zu den Seinen.

Papst Franziskus spricht in seinem Schreiben »Amoris Laetitia« davon, dass »die Forderungen und Anrufe des göttlichen Geistes auch aus den Ereignissen der Geschichte sprechen«. Jede Geburt ist solch ein geschichtliches Ereignis, das nicht folgenlos bleibt. Was durch meine Existenz in die Welt kommt – egal, ob ich es wahrnehme – baut mit an der Schöpfung Gottes. Möglicherweise hat Ihnen in diesen Tagen jemand ein Kompliment gemacht oder auch an Ihnen Kritik geübt. Beides wäre ein Zeichen genau dafür, dass Sie Einfluss ausüben in Ihrer Umgebung. Und dass Sie diesen Menschen nicht gleichgültig sind. Sie werden wahr – genommen. Auch wenn es im kleinen Maßstab der näheren Umgebung stattfindet: Sie sind solch ein Ereignis der Geschichte. Wir dürfen historische Ereignisse nicht auf diejenigen reduzieren, die im Weltmaßstab Geschichte geschrieben haben.

Die Weihnachtszeit lenkt unsere Aufmerksamkeit ja gerade auf die »kleine Welt«, auf den Bereich, in dem ich wirksam werde, sei es segensreich, sei es unheilvoll. Damit habe ich mich auch der Verantwortung für mein Tun oder Nichttun zu stellen. Als Individuum bin ich nicht isoliert und einsam auf dieser Erde, sondern Teil einer Menschheitsfamilie, der es aufgetragen ist, Leben zu ermöglichen.

»Wo bin ich eigentlich zuhause?« lautete meine Eingangsfrage. Ich hoffe, die Antwort hat etwas mit diesem Leben zu tun. Mit dem Leben, das ich genießen darf oder auch ertragen muss, wie auch mit dem Leben, das ich selbst ermögliche oder erschwere. Die heilige Schrift verwendet die Bilder der Geburt in einem Stall wie auch der Verehrung durch die aus aller Herren Länder gekommenen Weisen, um eine Antwort zu versuchen: In der Öffnung auf den menschgewordenen Gott und seine gesamte Schöpfung entsteht auch mein zuhause.

Ich wünsche uns allen das Vertrauen, uns dem neuen Jahr 2018 und seinen Ereignissen zuversichtlich öffnen zu können! Chr. Penzkofer, Pfarrer

Artikel vom 20.12.2017
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