Gedanken zu Weihnachten von Pfarrer Rainer Maria Schiessler, St. Maximilian München

Glockenbachviertel · Friede in unseren Herzen

Seit 1993 ist der gebürtige Münchner Rainer Maria Schiessler Pfarrer in St. Maximilian im Glockenbachviertel. 	Foto: Pfarramt

Seit 1993 ist der gebürtige Münchner Rainer Maria Schiessler Pfarrer in St. Maximilian im Glockenbachviertel. Foto: Pfarramt

Glockenbachviertel-Isarvorstadt-München · Liebe Leserin, lieber Leser, ein Stern leuchtet auf – und ein Kind wird geboren. Beides war in der alten Zeit Zeichen für eine Zeitenwende, eine neue Epoche in der Weltgeschichte. Beides war Anlass zu Freude und Dankbarkeit!

Der Stern ist nicht einfach ein astronomisches Gebilde. Er ist der Stern der über uns aufgegangenen Liebe, die alles überstrahlt, wie ein Stern eben hoch oben am Firmament. Es geht um die alternativlose Liebe Gottes zu uns Menschen und um eine Liebe, die wir Menschen gar nicht genug beschreiben können. Diesen Gott erlebten Menschen nämlich immer auch zweiseitig: mal gütig und hilfreich, dann wieder ungerecht und furchtbar.

Was uns aber nun mit dem Weihnachtsgeschehen geschenkt wird, ist ein vollkommen neues Gottesbild, ein Gottesbild der Alternativlosigkeit. Eben nicht ein Gott, der einmal liebt und dann wieder droht, sondern ein Gott, der bedingungslos liebt. Der bloße menschliche Geist kann dies an sich gar nicht erfassen. Wir brauchen Bilder dazu, so wie sie uns die Weihnachtsgeschichte liefert: ein wehrloses Kind, ein schutzloses Menschenpaar, Menschen wie Hirten und Könige, die auf der Suche sind. Doch wir dürfen nicht bei den Bildern stehen bleiben. Eigentliches Ziel ist es, diese Liebe Gottes begreifen zu lernen. Das ist nicht leicht, da wir doch in einer Erfahrungswelt leben, die so sehr von Liebesunfähigkeit geprägt ist. Wie sollen wir da empfänglich sein für eine alles umfassende, bedingungslose Liebe Gottes?

Es ist schon komisch: Wir Menschen sind auf allen Ebenen unterwegs, unterwegs in eine bessere Zukunft, zu neuen technischen Errungenschaften, unterwegs zu mehr Mitmenschlichkeit. Das ist unbestreitbar. Aber haben wir eigentlich gelernt zu lieben und geliebt zu werden?

Auch das bedeutet Weihnachten: Lernen, von Gott geliebt zu werden, denn das ist alles andere als selbstverständlich. Weihnachten nimmt uns in die Schule, um seine Liebe an uns heranzulassen, so wie man ganz vorsichtig ein kleines Kind auf den Arm nimmt und ans Herz drückt. »In deine Lieb versenken will ich mich ganz hinab«, so singen wir in einem alten Weihnachtslied. Die Menschen früher haben es auch schon gewusst, worauf es ankommt: Liebe ist und bleibt ein Lernprozess. Wir sind Schüler der Liebe Gottes, machen heute einen Schritt nach vorne und gleichzeitig über uns hinaus, über eine Welt hinaus, in der es immer noch so viel Lieblosigkeit gibt. Wir meinen schnell zu wissen, worum es in der Liebe geht und wie wir sie meistern können, aber das ist ein Trugschluss.

Weihnachten verkündet zuerst: Nicht wir lieben, Gott liebt uns zuerst. Das ist der Lernprozess der Liebe, der an Weihnachten so geheimnisvoll beginnt.

Die Botschaft der Weihnachtsgeschichte

Damit dieser Lernprozess gelingt, dürfen wir uns auf keinen Fall so benehmen wie andere, absolut abstoßende Gestalten in dieser Weihnachtsgeschichte: Ein König Herodes, der keinerlei Konkurrenz zu seiner Macht dulden wollte und dafür nicht vor Mord und Totschlag zurückschreckte. Die doch eigentlich gebildeten Theologen und Schriftgelehrten, die eigentlich aus ihrem Wissen um das Kommen Gottes Konsequenzen der Liebe hätten ziehen müssen, nach Bethlehem aufbrechen, um dem Neugeborenen zu huldigen. Doch ihr Wissen bleibt steril und fruchtlos, sie bleiben in der Welt der Diktatur und der Angst. Ganz Jerusalem, heißt es, erschrickt wegen der Geburt des Kindes.

Weihnachten ruft es deutlich aus: Benehmt Euch nicht wie diese Menschen, die zwar viel wissen und doch nichts tun! Zieht Konsequenzen aus Eurem Wissen! Macht das vor allem im Verhältnis der Weltreligionen untereinander: Findet zueinander, so wie Gott Euch in diesem Kind findet! Lernt voneinander, gebt jede dem anderen etwas von seinem Besitz weiter, so wie dieses Kind auch von seinen Menscheneltern lernen wird. So kann der Friede in dieser Welt Einzug halten und Wirklichkeit werden, was dieser Stern bedeutet: Friede auf Erden, Friede in unseren Herzen. In uns selbst müssen wir den Anfang dieses Friedens machen, damit er in der Welt eine Chance hat.

Das ist auch der Grund, warum wir uns jedes Jahr ganz bewusst ein friedliches Weihnachtsfest wünschen. Dies ist auch mein ganz besonderer Wunsch an alle Leserinnen und Leser: Frohe Weihnachten!

Artikel vom 20.12.2017
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