Notaufnahme oder Bereitschaftspraxis?

Das sollten Patienten für die Wahl der richtigen Anlaufstelle wissen

Prof. Thomas Bernatik (li.) und Dr. Artur Klaiber weisen auf die Bereitschaftspraxis in der Klinik hin, die abends und am Wochenende geöffnet ist.	Foto: kk / sf

Prof. Thomas Bernatik (li.) und Dr. Artur Klaiber weisen auf die Bereitschaftspraxis in der Klinik hin, die abends und am Wochenende geöffnet ist. Foto: kk / sf

Ebersberg · Die Zentrale Notaufnahme (ZNA) der Kreisklinik Ebersberg ist stark belastet, die Zahl der Patienten steigt stetig an: von 20.412 im Jahr 2014 auf 22.722 im vergangenen Jahr.

Ein Grund ist, dass außerhalb der Sprechzeiten niedergelassener Ärzte viele Patienten mit Beschwerden in die Notaufnahme kommen, die auch in der Bereitschaftspraxis oder am nächsten Werktag beim Hausarzt behandelt werden könnten. Hier ist mehr Aufklärung nötig, meinen der Leiter der ZNA in der Kreisklinik Ebersberg, Dr. Artur Klaiber, und sein Stellvertreter Prof. Thomas Bernatik.

Sybille Föll: Dr. Klaiber, wieso ist Ihrer Meinung nach nachts und am Wochenende die Notaufnahme die erste Anlaufstelle für viele Patienten?

Dr. Artur Klaiber: Dafür gibt es viele Gründe: Einige Patienten können nicht abschätzen, ob ihre Beschwerden oder Verletzungen schlimm sind, andere kommen, weil sie keine Alternative kennen. Vielen ist auch gar nicht bewusst, dass wir keine Rund-um-die-Uhr-Praxis für jede Art von Beschwerden sind, sondern dass die ZNA ausschließlich der medizinischen Versorgung von Patienten mit schweren Erkrankungen dient. Um Leben retten zu können, ist die ZNA rund um die Uhr mit Ärzten aus der Inneren Medizin, Chirurgie, Orthopädie und Gynäkologie besetzt. An einem grippalen Infekt Erkrankte zum Beispiel müssen nicht in der Notaufnahme behandelt werden.

Prof. Bernatik: Wir haben jede Nacht zwischen sechs und zehn Fälle, die nicht in die Notaufnahme gehören. Die Folgen für Patienten sind lange Wartezeiten, auch für diejenigen, die tatsächlich dringend Hilfe benötigen. Ende des Jahres werden wir daher ein System einrichten, das Patienten nach einer Ersteinschätzung in Dringlichkeitsstufen von 1 bis 5 unterteilt. 1 bedeutet nicht dringend behandlungsbedürftig, 5 sehr dringend beziehungsweise akute Lebensgefahr.

Welche Fälle gehören nicht in die Notaufnahme?

Prof. Bernatik: Patienten, die eine ärztliche Beratung, eine Krankschreibung oder ein Rezept für ein bestimmtes Medikament benötigen, sind klare Fälle für den Hausarzt. Ebenso leichte Schmerzen, kleine Wunden ohne hohen Blutverlust, grippale oder leichte Magen-Darm-Infekte, Blasenentzündungen, Insektenstiche ohne lebensbedrohliche Folgen wie Luftnot, chronische Rücken- oder Gelenkschmerzen sowie die Kontrolle einer OP-Wunde oder das Fädenziehen nach einer OP.

Und was mache ich, wenn ich abends plötzlich starke Schmerzen bekomme?

Dr. Klaiber: Zunächst sollte man auf einer Skala von 1 bis 10 für sich selbst einschätzen, wie stark die Schmerzen sind. Liegen sie unter 7, handelt es sich meist um keinen Notfall. Dann empfehlen wir entweder, die Bereitschaftspraxis in der Klinik aufzusuchen, die bis 21 Uhr geöffnet ist, oder am nächsten Tag zum Hausarzt zu gehen. Besteht Unsicherheit oder der Patient fühlt sich nicht in der Lage, außer Haus zu gehen, kann auch der Notfall-Fahrdienst für einen Hausbesuch angerufen werden.

Prof. Bernatik: Wo der Patient richtig ist, ist letztendlich abhängig von der Art der Beschwerden und dem Krankheitsbild, das kann im Einzelfall mitunter schwer zu entscheiden sein. Wir appellieren jedoch an die Landkreisbürger, wegen eindeutig leichten Erkrankungen und Beschwerden nicht in die Notaufnahme zu kommen, sondern andere medizinische Angebote wahrzunehmen. sf

Artikel vom 30.10.2017
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