Die Lange Luther-Nacht

Die Evangelische Kirche in München feiert den Reformator

Die Figur des Martin Luther ist der Verkaufsrenner im Playmobil-Sortiment. Erhältlich ist sie unter anderem online bei der Congress- und Tourismus-Zentrale Nürnberg. Foto: © Playmobil – geobra Brandstätter Stiftung & Co. KG, Zirndorf

Die Figur des Martin Luther ist der Verkaufsrenner im Playmobil-Sortiment. Erhältlich ist sie unter anderem online bei der Congress- und Tourismus-Zentrale Nürnberg. Foto: © Playmobil – geobra Brandstätter Stiftung & Co. KG, Zirndorf

München · War er stur und bockig oder einfach nur willensstark und überzeugt von seinen Vorstellungen? Martin Luthers 95 Thesen haben die christliche Kirche beeindruckt und geprägt, so stark, dass diesem Beginn der Reformation noch 500 Jahre später gedacht wird.

Am Freitag, 27. Oktober, richtet der Evangelisch-Lutherische Dekanatsbezirk München eine »Lange Luther-Nacht« mit Veranstaltungen in ganz München aus. Der zentrale Reformationsgottesdienst mit Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler wird am Dienstag, 31. Oktober, um 10 Uhr, in St. Lukas (Mariannenplatz Lehel) gefeiert. Der Termin mitten an einem Wochentag ist auch für die meisten Münchner kein Problem, denn der 31. Oktober ist dieses Jahr anlässlich des 500-jährigen Reformationsjubiläums in ganz Deutschland ein Feiertag.

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Ob Luther dereinst tatsächlich zu Hammer und Nagel gegriffen und seine Thesen gegen den Ablasshandel, das Freikaufen von Sünden, an der Wittenberger Schlosskirche angebracht hat, ist heute stark umstritten. Die Symbolik dieser Handlung ist gewaltig, doch was in der Folge geschah, war nicht alles im Sinne des Reformators. Er hatte eigentlich im Sinn, die christliche Kirche zu erneuern, nicht zu spalten. Letzteres ist geschehen und Katholiken und Protestanten standen sich Jahrhunderte lang unversöhnlich gegenüber.

Höhepunkt der Auseinandersetzung war der 30-jährige Krieg von 1618 bis 1648, ein Eroberungs- und Religionskrieg in Mitteleuropa, in dessen Folge weite Landstriche des heutigen Deutschlands verwüstet wurden. Seit gut 100 Jahren nähern sich die beiden Glaubensrichtungen wieder an, das ist das Ziel der Ökumenischen Bewegung. So feiert auch das überwiegend katholisch geprägte München nicht nur das zu Ende gehende Lutherjahr und das Reformationsfest, sondern bereits vier Tage vorher die Lange Luther-Nacht von 18 bis 24 Uhr mit 49 Veranstaltungen im ganzen Dekanatsbezirk.

Dort begegnet den Besuchern viel Musik, dazu Gespräche, teilweise Filme, die sich mit Luther auseinandersetzen. Aus dem Programm sticht eine Inszenierung der Gustav-Adolf-Kirche Ramersdorf heraus. Hier darf Katharina von Bora, die Luther im Jahr 1525 heiratete, aus ihrem Leben erzählen. Für sie spricht die Schauspielerin Sieglinde Meyer. Wie hat die einstige Nonne die Reformation erlebt, nachdem sie 1523, ermutigt durch Luthers Schriften, das Kloster verlassen hatte? Der Eintritt ist frei. Wegen der begrenzten Platzkapazitäten bitten die Veranstalter die Gäste um Anmeldung unter der Telefonnummer 0 89 / 68 72 53.

Ein Himmelsspektakel verspricht die Lutherkirche in Giesing ebenfalls ab 18 Uhr. Es ist die einzige Kirche in München, die den Namen des Reformators trägt.

Das Reformationsfest 2017 ist Höhepunkt und Abschluss des Lutherjahres und der Lutherdekade, die 2008 begonnen hat. Große Ehre für einen, der Gedanken laut geäußert hat, die zu keiner Zeit christlich waren und heute in keiner Weise tolerabel sind. Martin Luther – und das muss man im Kontext seiner Zeit sehen, was aber längst nicht alles entschuldigt – war ein Judenfeind und Antisemit. Mit scharfen Tönen hat er seinerzeit die Juden angegriffen. Die Evangelische Kirche in Deutschland distanziert sich ausdrücklich von der Art und dem Inhalt der Aussagen Luthers und bezeichnet diese Haltung des Reformators als »schwieriges Erbe«.

Die Evangelischen Kirchen stimmen nicht in allem mit Martin Luther überein

Die Regionalbischöfin der Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, Susanne Breit-Keßler, hat 2014 in einer Predigt versucht, zu erklären, was da heutzutage passiert: »Luther war ein mittelalterlicher Mensch. Neuzeitliche Erwartungen kann man an ihn nicht einfach herantragen. Dass man es dennoch immer wieder tut und an Bruder Martinus postmodern herumzerrt, das hat damit zu tun, dass er an anderen entscheidenden Stellen mitreißend alles umgerissen hat, was man damals so dachte, redete und tat. Luther weckt Erwartungen – deshalb ist man enttäuscht, wenn er sie nicht allenthalben erfüllt. Gut. Das lässt uns selber denken, selbst- und fremdkritisch werden.«

So dient Luther quasi auch mal als schlechtes Beispiel, das heute lehrt, wie man es besser machen kann. Aber verdient hat er es nicht, wenn man nur das in ihm sieht. Mit seinen Thesen kritisierte Luther den geradezu boomenden Ablasshandel seiner Zeit. Die Sünder konnten sich direkt bei der Kirche freikaufen und sich einen Platz im Himmel sichern. Das war einfacher als auf das Sündigen zu verzichten. Dass die Kirche dieses Verhalten aufgrund ihres finanziellen Bedarfs unterstützte, ging Luther gegen den Strich, und zwar allein aus christlich-ethischen Gründen. Er prangerte das System an, wurde unter Druck gesetzt und verfolgt. Er hielt stand und begab sich damit in Lebensgefahr, mutmaßlich allein aus seinen Überzeugungen heraus. Das wagen nicht viele.

Luther war Anfang des 16. Jahrhunderts bei Weitem nicht der einzige Reformator, in den deutschen Ländern wohl aber der einflussreichste. Die vielen Seiten des Gelehrten spiegeln sich in dem vielseitigen Programm der Langen Luther-Nacht. Lesen Sie mehr darüber in den Lokalausgaben der Münchner Wochenanzeiger am kommenden Mittwoch. Von Carsten Clever-Rott

Artikel vom 20.10.2017
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