Altbürgermeisterin Sabine Kudera wird Ehrenbürgerin

Ottobrunn · »Ich konnte etwas für die Ottobrunner tun«

Bürgermeister Thomas Loderer gratuliert seiner Amtsvorgängerin Prof. Dr. Sabine Kudera zur Ehrenbürgerin.	Foto: MO

Bürgermeister Thomas Loderer gratuliert seiner Amtsvorgängerin Prof. Dr. Sabine Kudera zur Ehrenbürgerin. Foto: MO

Ottobrunn · 18 Jahre war Sabine Kudera als Erste Bürgermeisterin der Gemeinde Ottobrunn im Amt (1989 bis 2007). Zehn Jahre nach ihrem Abschied wird sie nun am 25. Oktober offiziell mit der ­Ehrenbürgerwürde ausgezeichnet.

Im Gespräch mit ihrem Nachfolger Thomas Loderer, der als gelernter Journalist für Mein Ottobrunn die Rolle des Fragenden übernahm, erinnert sich Prof. Dr. Sabine Kudera an ihre politischen Anfänge, lässt ihre Amtszeit Revue passieren, und erzählt von ihrem Engagement in Siebenbürgen (Rumänien).

MO: Frau Professor Kudera, was bedeutet Ihnen die Ehrenbürgerwürde der Gemeinde Ottobrunn?

Sabine Kudera: Das bedeutet mir viel – und kommt für mich ganz unerwartet.

MO: Wie kam es dazu, dass Sie 1988 Bürgermeisterkandidatin geworden sind?

Sabine Kudera: Das war eher Zufall und ganz überraschend. Dem ging voraus, dass der Bürgermeisterkandidat der SPD ein halbes Jahr vor der Wahl aus beruflichen Gründen abgesprungen war. Die SPD stand plötzlich ohne Kandidaten da. Man war dann froh, dass man ersatzweise mich zur Kandidatur überreden konnte. Ich lebte zu diesem Zeitpunkt erst sechs Jahre in Ottobrunn – ich war wegen meiner Berufung an die Bundeswehr-Universität Neubiberg hergezogen.

MO: Was war das Ungewöhnliche an Ihrer Kandidatur?

Sabine Kudera: So ziemlich alles: Ich war »Preußin«, Frau, mit 47 damals relativ jung, bei der SPD und nicht in der Kirche. Als ich nach der Wahl realisiert hatte, dass ich gewählt war, war ich regelrecht erschrocken.

MO: Waren Sie davor auch schon politisch aktiv gewesen?

Sabine Kudera: SPD-Mitglied war ich schon seit meiner Studienzeit in München. Ein maßgeblicher Grund, mich politisch zu engagieren, war für mich die »Spiegel-Affäre«, die ich noch in Hamburg auf der Abendschule miterlebte.

MO: Was war Ihnen in Ihren ersten 100 Tagen im Amt besonders wichtig?

Sabine Kudera: Das Thema Wasserqualität war damals »heiß«. Bei den Nitrat- und Atrazinwerten des Hohenbrunner Wassers waren die Richtwerte überschritten. Es gab in den Tagen vor der Wahl deswegen Unruhe in der Bevölkerung. Direkt nach meiner Wahl habe ich als Sofortmaßnahme zwei öffentliche Wasserzapfstellen mit Münchner Wasser im Gymnasium Ottobrunn und in der Grundschule an der Lenbachallee installieren lassen, so dass beunruhigte Bürger dort zum Wasserzapfen hinkommen konnten. Vor allem setzte ich mich dafür ein, dass für die Wasserversorgung von Ottobrunn-West durch Hohenbrunn neue Brunnen gebohrt wurden.

MO: Auf welche Erfolge als Bürgermeisterin waren und sind Sie heute noch stolz?

Sabine Kudera: Wir haben gleich zu Beginn meiner Amtszeit die zweite Kinderkrippe im Landkreis gebaut. Da waren wir mit Vorreiter. Und schon im Wahlkampf hatte mich die Ottobrunner Kindergarteninitiative »Pusteblume« angesprochen, da sie aus den bisherigen Räumlichkeiten in Riemerling raus musste. Wir haben schnell das Grundstück in der Einsteinstraße aufgetan, bebaut und eröffnet – ein unmittelbares Erfolgserlebnis, ganz im Gegensatz zur Rosenheimer Landstraße …

MO: Warum gestaltete sich die Erneuerung der Rosenheimer Landstraße so schwierig?

Sabine Kudera: Die vom Gemeinderat zu beschließenden Bebauungspläne für die RoLa mit den üppigen Breiten für Geh- und Radwege sowie Baumgräben lagen bei meinem Amtsantritt ja schon länger vor. Der Entscheidungsprozess war aber enorm erschwert durch die Uneinigkeit vor allem in den Verkehrsfragen – Ampelkreuzungen oder Kreisverkehre, Busbuchten oder –kaps sowie das Thema Parkmöglichkeiten – und durch die Tatsache, dass ich keine »eigene« Mehrheit im Gemeinderat hatte und man mir – erklärtermaßen! – das Leben möglichst schwer machen wollte. Da die RoLa damals Staatsstraße war und erst zur Kreisstraße abgestuft werden musste, deren »Ersatz« die Ortsumgehung mit dem Bundes-Autobahn-Anschluss war, waren ungewöhnlich viele Instanzen – vor allem Landkreis, Regierung von Oberbayern und der Bund – beteiligt, was den Fortgang natürlich erschwerte.

MO: In Ihrer Amtszeit brannte 1996 das Hallenbad ab. Wie schwer fiel die Entscheidung, ein neues Bad zu bauen?

Sabine Kudera: Zunächst war der Wiederaufbau aus wirtschaftlichen Gründen sehr umstritten. Für mich war klar, dass das Bad nur dann Bestand haben kann, wenn es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geplant und privatwirtschaftlich geleitet wird. So sollten beispielsweise die Sauna und die Gastronomie größer werden, da in diesem Bereich höhere Einnahmen zu erzielen waren.

Nach einigen Diskussionen ließ sich der Gemeinderat überzeugen und beschloss im März 1997, dass die dafür eigens gegründete, gemeindeeigene privatrechtliche »Sportpark Ottobrunn GmbH« den Bau – und später auch den Betrieb – übernehmen sollte. So eine kommunale GmbH war damals noch unüblich und wir waren damit absolute Vorreiter.

Nicht unwichtig war auch die Überführung des Wolf-Ferrari-Hauses in einen kommunalen Eigenbetrieb mit eigener Rechnungslegung im Jahre 1998.

MO: In unserem Siedlungsraum sitzen die Gemeinden dicht aufeinander. Wie haben Sie die Koexistenz erlebt?

Sabine Kudera: Die Ottobrunner Grenzen sind eine Katastrophe, weil zwangsläufig konfliktträchtig. Zu meiner Amtszeit war aber eine neue Gebietsreform nach der von 1972 kein Thema.

MO: In Ihrer Abschiedsrede sagten Sie, dass Ihnen als jemand, der aus der Wissenschaft kam, der Bereich der Politik »innerlich letztlich fremd geblieben« ist. Was meinten Sie damit?

Sabine Kudera: Ich sah mich selbst immer zuerst als Bürgermeisterin und Verwaltungschefin. Parteipolitik lag mir nie so richtig.

MO: Sie sagten damals auch, es sei Ihnen ein »Herzensanliegen gewesen, das Gefühl der Fremdheit zu überwinden, das alteingesessene Ottobrunner« Ihnen gegenüber »zunächst empfinden mussten«. Ist Ihnen das Ihrer Meinung nach gelungen?

Sabine Kudera: Ich hoffe es zumindest. Nach meiner Wahl bin ich gerade auch auf die Traditionsvereine wie die Soldaten- und Kriegerkameradschaft, den Trachtenverein (mittlerweile aufgelöst; Anmerkung der Redaktion) oder den Sängerkreis zugegangen.

MO: Ist Ihnen der Abschied aus dem Amt leicht oder schwer gefallen?

Sabine Kudera: Der Abschied ist mir leicht gefallen; geradezu eine Befreiung. Aber ich bereue keinen einzigen Tag. In den 18 Jahren konnte ich etwas für die Bürgerinnen und Bürger tun – verschiedene wichtige Sachen, die zu erwähnen hier den Rahmen sprengen würde. Das Amt war hochinteressant – aber mit der Zeit auch sehr belastend.

MO: Sie engagieren sich ehrenamtlich für Menschen in Rumänien. Wie ist es dazu gekommen?

Sabine Kudera: Das hat angefangen, als mich die inzwischen verstorbene Waltraud Rudert um Unterstützung für den von ihr gegründeten Verein »Freunde von Tohan Vechi« bat. Tohan Vechi ist ein heute überwiegend von Roma bewohntes Dorf in der Nähe von Brasov/Kronstadt. Bei einer Reise nach Rumänien »entdeckte« ich für mich die überwältigende deutschsprachige Kultur der Siebenbürger Sachsen, insbesondere die Weltkulturerbe- Kirchenburgen, in denen sie in ihrer fast 900-jährigen Geschichte Mongolen, Osmanen und vielen anderen Völkern getrotzt haben.

Mir war es eine große Freude, mithilfe des von mir 2010 gegründeten Kontaktkreises Siebenbürgen e.V. aus Ottobrunn und den umliegenden Gemeinden sehr gut erhaltene Schul- und Bürgerhaus-Möbel, Computer etc. an die ev.-luth. Kirchengemeinden und an rumänische Gemeinden im Kreis Kronstadt liefern zu können. Auch der Jugendaustausch konnte, wenn auch recht aufwändig, organisiert werden. So konnten sächsische und rumänische Volkstanzgruppen beim Kultursommerfest in Ottobrunn auftreten. Besonders begeistert war ich davon, dass sich die Blaskapelle Höhenkirchen-Siegertsbrunn kurzerhand entschloss, in großer Besetzung nach Wolkendorf/Vulcan zu reisen, wo sie in mehreren Städten großartige öffentliche Konzerte gaben – inklusive Alphornblasen in den Karpaten. Besonders die von mir seit 2013 in Zusammenarbeit mit den sächsischen Freunden organisierten Reisen nach Rumänien fanden großen Anklang bei den Teilnehmern und öffneten ihnen die Augen für diese großartige deutschsprachige Kultur und das hochinteressante multiethnische Rumänien.

MO: Haben Sie mit Blick auf Siebenbürgen weitere Projekte oder Reisen geplant?

Sabine Kudera: Ehrlich gesagt, wäre ja mein Traum, dass Ottobrunn zu einer der Gemeinden in Siebenbürgen eine Partnerschaft aufbaut, ganz im Sinne des Zusammenwachsens Europas. Mit einer Gruppe von Gleichgesinnten halte ich weiterhin Kontakt. Und die nächste Reise steht auch schon unmittelbar bevor: Wir fahren mit Freunden nach Konstanza am Schwarzen Meer und nach Brasov/Kronstadt, um zum Reformationsjubiläum in der Schwarzen Kirche, dem bedeutendsten gotischen Kirchenbau Südosteuropas, ein Orgelkonzert zu erleben.

MO: Vielen Dank für das Gespräch!

Kurzlebenslauf von Prof. Dr. Sabine Kudera
gebürtige Hannoveranerin
aufgewachsen in Hamburg
Abendschule und externes Abitur

  • 1964-69 Studium der Soziologie (Diplom) in Hamburg und München
  • 1970-82 - wissenschaftliche Assistentin an der Ludwig-Maximilians-Universität und Projektleiterin im sozialwissenschaftlichen Sonderbereich
  • 1975 - Promotion in München
  • 1982 - Berufung als Professorin an die Universität der Bundeswehr München in Neubiberg
  • 1989-2007 - Ottobrunner Bürgermeisterin
  • seit 2006 - Ehrenmitglied der Freiwilligen Feuerwehr Ottobrunn
  • 2007 - Verleihung des Ehrentitels der Altbürgermeisterin
  • seit 2010 - ehrenamtliches Engagement in Siebenbürgen
  • 2017 - Verleihung der Ehrenbürgerwürde

Artikel vom 04.10.2017
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