Premiere von Bernd Seidels Inszenierung

Ottobrunn · Tierisch verliebt

Ottobrunn · Zum Auftakt der neuen Theatersaison wird Bernd Seidels Eigeninzenierung »Die Ziege oder wer ist Sylvia?« am Samstag, den 14. Oktober um 19.30 Uhr im Wolf-Ferrari-Haus (WFH) aufgeführt.

Der künstlerische Berater des Hauses bringt seit Jahren gemeinsam mit der Münchner TAT Kreativ-Akademie eigene Produktionen auf die Bühne; Stücke wie die Farce »Zu spät! Zu spät! Zu spät!« von Lothar Kittstein, der Krimi »Zwei beste Freunde« von Keith Huff oder »Amphitryon« von Heinrich von Kleist fanden beim Publikum großen Anklang.

Seidels diesjährige Eigeninszenierung wurde im Vorfeld kontrovers diskutiert. Worum geht es? Protagonist Martin ist in den besten Jahren und als Architekt sehr erfolgreich: Gerade erhielt er den prestigeträchtigen Pritzker Preis. Er ist seit langem glücklich mit seiner Frau Stevie verheiratet und der 17-jährige Sohn Billy macht das familiäre Glück vollkommen. Billys Homosexualität ist für Martin und Stevie kein Thema.

Auch die Medien interessieren sich für Martins Erfolgsgeschichte. Um ein TV-Interview mit ihm zu machen, besucht Ross, der beste Freund der Familie, Stevie und Martin. Noch scherzt Martin mit seiner Frau, doch wirkt er bereits leicht gequält und unkonzentriert, als sei er hier und doch woanders. Kaum ist er mit Ross allein, gesteht er ihm, dass er seit sechs Monaten eine Affäre hat. Zunächst scheint dieses Geständnis nicht so dramatisch. Doch handelt es sich in Martins Fall nicht nur um eine Affäre, sondern um Liebe. Martin schildert Sylvia, das Objekt seiner Liebe, auf das Liebevollste. Schließlich gibt er Ross ein Foto von Sylvia, und Ross fällt aus allen Wolken: Sylvia ist eine Ziege.

Autor spielt mit Tabus

Der vor einem Jahr verstorbene Autor Edward Albee, der bereits 1962 mit der bitteren Ehesatire »Wer hat Angst vor Virginia Woolf« für Aufsehen gesorgt hatte, thematisierte mittels dieser provokanten Geschichte um Sylvia Fragen über Liebe, über Treue und über gesellschaftliche Tabus. Die Story ist nicht auf vordergründige Brüskierung anlegt, sondern fragt: Wie weit darf Liebe gehen? Wer oder was ist diese Sylvia? Eine Offenbarung, wie Martin sagt? Oder eine Krankheit? Ein Skandal? Das Chaos, das einen heimsucht und Lebensordnung und Vernunft zerstört? Oder sucht Martin gar das Chaos, weil ihm auf der Insel seines glücklichen Lebens etwas fehlt?

Für Bernd Seidel geht es um Grenzüberschreitungen, moralische Fragen und darum, »was Liebe aus uns macht. Es ist eine Komödie mit Tiefgang, wenn nicht sogar Abgrund«, erklärt der Ottobrunner Regisseur.

Albee lässt das Stück als leicht schräge Komödie der Vergesslichkeit und des Verdrängens beginnen und führt es dann in einen Kampf, wo Worte nichts mehr lindern oder bannen, sondern in die Katastrophe führen. Die Grenzen zwischen Komik und Entsetzen werden fließend.

Auszeichnungen

»Die Ziege oder Wer ist Sylvia?« wurde im März 2002 am Golden Theatre in New York uraufgeführt und erhielt den »New York Drama Critics Award« sowie den »Tony Award« für das beste Stück des Jahres am Broadway. Die Deutschsprachige Erstaufführung hatte im Januar 2004 am Wiener Akademietheater Premiere. Ins Deutsche übersetzt wurde das Stück von Martin Walser und seiner Tochter Alissa. MO

Artikel vom 21.09.2017
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