Robert Reisinger als Präsident des TSV 1860 München bestätigt

Löwen-Mitglieder haben genug von Investor Ismaik

Meinungsstark: Die Mitglieder des TSV München von 1860 e.V. auf ihrer Jahreshauptversammlung 2017. Foto: Anne Wild

Meinungsstark: Die Mitglieder des TSV München von 1860 e.V. auf ihrer Jahreshauptversammlung 2017. Foto: Anne Wild

München/Giesing · 1.359 stimmberechtigte Mitglieder und über zweihundert nicht stimmberechtigte Zuhörer fanden sich am Sonntag in der Kulturhalle Zenith ein, um leidenschaftlich über die Zukunft des TSV München von 1860 e.V. zu streiten, einen Präsidenten für den nach dem Abstieg zurückgetretenen Peter Cassalette zu bestätigen und vier Nachrücker für den Verwaltungsrat zu wählen. Es sollte ein denkwürdiger Tag für die Löwen werden.

Eine lange Aussprache begleitete die Berichte des Präsidiums und des Verwaltungsrats. Nicht jedem engagierten Redner aus dem Auditorium schien dabei der Unterschied zwischen dem gemeinnützigen Verein und der Profi-Fußballgesellschaft klar zu sein. Als es darum ging, den vom Verwaltungsrat vorgeschlagenen Präsidenten Robert Reisinger von den Mitgliedern bestätigen zu lassen, stieg die Spannung im Saal merklich. Zumal der Vorstand des Fanklubverbands ARGE – in dem einige Fanklubs des TSV München von 1860 organisiert sind – als bekennende Sympathisanten von Investor Hasan Ismaik, ihre Anhänger zur Nichtbestätigung Reisingers aufgerufen hatte. Doch die Mehrheitsverhältnisse zeigten sich bei der Abstimmung erstaunlich deutlich. Reisinger hatte es mit seiner pragmatischen Bewerbungsrede verstanden, Unentschlossene zu überzeugen. 844 Ja-Stimmen bestätigten ihn im Amt. 365 Mitglieder stimmten gegen ihn, 150 enthielten sich.

Der Geschäftsführer der Profi-Fußballtochter, Markus Fauser, hatte der Versammlung zuvor von seinen Sanierungsbemühungen berichtet. Nach dem sportlichen Abstieg aus der Zweiten Liga wollte oder vermochte Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik keine ausreichenden finanziellen Mittel für die Dritte Liga mehr zur Verfügung stellen. Daraufhin erhielten die Löwen keine Lizenz und waren zu einem Neuanfang in der Regionalliga Bayern gezwungen. Eine drohende Insolvenz der KGaA wurde durch die Stundung eines Darlehens Ismaiks und weiterer Zahlungsverpflichtungen anderer Gläubiger erreicht. Auch der e.V. stundete finanzielle Forderungen gegenüber der KGaA. Fauser trug vor, dass er unter anderem üppige Verbindlichkeiten aus früheren Vertragsverhältnissen mit Spielern und Angestellten vorgefunden habe. Die Hire-and-Fire-Politik Ismaiks hatte offenbar ein großes Loch in die Kasse gerissen, das der Jordanier nicht aus eigener Tasche zu schließen bereit ist. Allein für die vergangene Saison 2016/2017 seien Verluste in Höhe eines hohen zweistelligen Millionenbetrags zu erwarten – ein verheerendes wirtschaftliches Ergebnis. Der Etat für die kommenden zwei Jahre wurde am Ende mit Hilfe des Hauptsponsors »Die Bayerische« ermöglicht.

Doch auch Positives bekamen die Mitglieder zu hören. In der Fröttmaninger Arena habe man in der Zweiten Liga in der vergangenen Saison 6.600 Dauerkarten verkauft – in der Regionalliga Bayern seien es für die Heimspiele im Grünwalder Stadion über 8.000. Man hätte noch mehr verkaufen können, wolle aber Tageskarten vorhalten. 2.000 bis 3.000 Tickets pro Heimspiel sollen in den freien Verkauf gehen – Vereinsmitglieder würden dabei bevorzugt. »Karten bei 1860 sind im Gegensatz zu früher plötzlich wieder etwas wert, davon profitieren der Klub und die Marke«, glaubt Fauser. Auch die Entwicklung bei der Mitgliederzahl offenbart einen nicht erwarteten Trend. Mehr als 2.000 Neumitglieder hätten sich seit dem erzwungenen Abstieg beim TSV 1860 München angemeldet. Die Auflösung des Mietverhältnisses der Löwen mit dem Betreiber der Arena beschrieb Fauser als wirtschaftlich sinnvollste Lösung. Trotz stark reduzierter Mietkonditionen und möglicher höherer Werbeerlöse hätte ein weiterer Verbleib am nördlichen Stadtrand den Klub pro Saison eine Million Euro mehr gekostet.

Für den Verwaltungsrat des TSV München von 1860 e.V. waren vier Posten neu zu besetzen. Gewählt wurden von den Mitgliedern Sascha Königsberg mit 682 Stimmen, Nicolai Walch (628), Sebastian Seeböck (562) und Athanasios Stimoniaris (473). Hasans Bruder Yahya Ismaik, der sich ebenfalls für den Verwaltungsrat aufstellen ließ, schaffte den Sprung in das Gremium trotz persönlicher Wahlempfehlung des ARGE-Vorstands nicht. Seine Bewerbung war von den Mitgliedern auch deshalb kritisch bewertet worden, weil der Jordanier als einziger Kandidat im Vorfeld keinerlei Angaben zu seiner Vita machte. Auf die Nachfrage eines Mitglieds an ihn, ob er sich nicht möglicherweise in einem Loyalitätskonflikt befinden würde, wenn er als Angestellter seines Bruders gleichzeitig im Verwaltungsrat des Mitgesellschafters säße, ließ er über seinen Dolmetscher erklären, er wünsche ernsthaftere Fragen. Königsberg, Walch und Seeböck waren von der Fanitiative »PRO1860« als Reaktion auf die Wahlempfehlung der ARGE unterstützt worden.

Nach den Wahlen zog es etwa die Hälfte der Mitglieder vor, die Versammlung zu verlassen. Dabei standen noch eine Reihe von Anträgen auf dem Programm, die für Aufsehen sorgen sollten. Ein Antrag, der Verein solle sich jetzt und auch in Zukunft aktiv für die Erhaltung der 50+1-Regel im Deutschen Fußball einsetzen und keinesfalls an ihrer Aufweichung, Unterlaufung oder Abschaffung mitwirken, erhielt eine 96-prozentige Mehrheit. Knapper beschieden, aber auch angenommen, wurde ein Antrag der beiden frisch gewählten Verwaltungsräte Sascha Königsberg und Sebastian Seeböck. In der Mitgliederversammlung soll künftig für Vorgänge, die das Vereinsvermögen betreffen, wie etwa der Kauf- oder Verkauf von Grundstücken und Immobilien, die Belastung derselben oder die Beteiligung an Gesellschaften, künftig eine Dreiviertelmehrheit der anwesenden wahlberechtigten Mitglieder erforderlich sein. Im Anschluss kam ein Antrag zur Abstimmung, der Verein möge den bestehenden Kooperationsvertrag mit dem umstrittenen Investor Hasan Ismaik binnen der kommenden sechs Monate kündigen. Mit 85-prozentiger Mehrheit der Anwesenden wurde auch dieser Antrag gegen die Stimmen des Präsidiums angenommen. Welche juristischen Folgen er hat, ist unklar. Mindestens ist er ein unmissverständliches Zeichen der Mitglieder in Richtung Abu Dhabi. Ismaik hatte im Jahr 2015 erklärt, er würde sich aus dem Klub zurückziehen, wenn die Mehrheit der Mitglieder dies wünsche und er seine Darlehen und den Kaufpreis aus dem Jahr 2011 in voller Höhe zurückbekäme. Ersteres hat er nun schriftlich. Zweiteres dürfte nach dem Fall in die Regionalliga utopisch sein.

(as)

Artikel vom 25.07.2017
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