Große Leistung – von allen!

Ghizals langer Weg von Afghanistan zum Traumabitur

Geballte Freude im Rathaus Brunnthal: Ghizal mit Hilde Miner vom Helferkreis (li.) und Bürgermeister Stefan Kern sind stolz auf die großartige Leistung.	Foto: RedB

Geballte Freude im Rathaus Brunnthal: Ghizal mit Hilde Miner vom Helferkreis (li.) und Bürgermeister Stefan Kern sind stolz auf die großartige Leistung. Foto: RedB

Brunnthal · Es herrschte Festtagsstimmung im Brunnthaler Rathaus. Am aufgeregtesten war die Hauptakteurin selbst. Die 19-jährige Ghizal Niko war erst vor vier Jahren mit ihrer Familie aus dem krisengeschüttelten Mazar-e-Sharif nach Deutschland gekommen.

Jetzt hat die junge Frau am Neubiberger Gymnasium ein Abitur gezaubert, das alle staunen lässt. In stolzen Zahlen ausgedrückt: 1,7 Notendurchschnitt und fantastische 13 Punkte im Deutschabitur waren der Lohn für langen, intensiven Einsatz, der von Menschen aus der Region hilfreich begleitet wurde.

Am vergangenen Mittwoch wurde Ghizal im Brunnthaler Rathaus von Bürgermeister Stefan Kern für ihre großartige Leistung gewürdigt. Denn hier im beschaulichen Umfeld war die Familie während der vier Jahre ihres fast endlos scheinenden Asyl-Verfahrens untergebracht. Weil das Pfarrhaus als zentraler Zufluchtsort für Menschen aus den Krisenregionen bisweilen aus allen Nähten platzte, war dort für Ghizal an effektives Lernen nicht zu denken. Im Zusammenspiel mit Rathauschef Kern, dem Helferkreis und dem Sozialen Hilfsring Brunnthal wurde Ghizal und ihren beiden Brüdern nicht nur das Lernen bis spät in die Nacht in den Räumen der Gemeindebücherei ermöglicht. Der Hilfsring spendierte gleich auch noch einen Deutsch-Intensivkurs für die Neuankömmlinge. Es hat sich gelohnt. »Wir hatten noch nie zuvor Schüler, die so schnell und so zielstrebig Deutsch gelernt haben«, lobt Koordinatorin Annette Strauch.

Am Neubiberger Gymnasium kamen die drei Nikos ohne bürokratisches Gezerre unter. Zeugnisse aus Afghanistan hätten die jungen Leute nach einer langen und gefährlichen Flucht ohnehin nicht vorweisen können. Dagegen zeigen sie immensen Einsatz, der bei Ghizal jetzt im Abitur gipfelte. Der Zwilingsbruder will im kommenden Jahr Abitur technisch nachlegen. Der 16jährige Benjamin der Familie hat noch etwas länger Zeit bis er mit den Prüfungen an der Reihe ist.

Zeit bleibt für die Nikos mit dem in Afghanistan als Ingenieur tätigen Vater und der Mutter als Lehrerin ein weiter wichtiges Gut. Denn das Asylverfahren ist zwar abgeschlossen. Doch die Duldung ist zunächst auf ein Jahr beschränkt. Im kommenden Jahr müssen Ghizal und ihre Familie erneut zittern, ob sie bleiben dürfen. Ghizal findet Deutschland und insbesondere München »toll«. Die zarte junge Frau hat trotz aller Schüchternheit klare Vorstellungen und Pläne für die Zukunft. »Medizin studieren« möchte sie unbedingt. Zunächst will sie im Sommer, während viele andere Abiturienten den Stress erst einmal auf langen Reisen abbauen, in einer Münchner Klinik ein Pflegepraktikum absolvieren. »Wir werden ihr weiter zur Seite stehen«, bekennen Strauch und Bürgermeister Kern mit sichtlichem Stolz auf die junge Absolventin. Auch wenn die Nikos mittlerweile als »Anerkannte« nicht mehr in Brunnthal, sondern in München leben. Man bleibt sich verbunden.

Da lächelt auch Ghizal. Sie ist sehr zielorientiert und verströmt diesen Eindruck auch im Rathaus. Was ihr an München besonders gefällt? „Das Oktoberfest. Ich finde es toll, wenn Menschen miteinander feiern«, erklärt sie. In ihrer alten Heimat herrscht Krieg und bestimmen schwere Anschläge wie im April in Mazar-e-Sharif das Bild. »Dabei ist mein Onkel verwundet worden«, erzählt sie sichtlich ergriffen.

»Mit meiner Tante konnte er inzwischen nach Indien fliehen – nur noch mein Großvater lebt in Afghanistan«. Schicksalshaftes, das einen jungen Menschen prägt. Ghizal muss sich jetzt als Grenzgängerin zwischen zwei gegensätzlichen Welten zurecht finden. Sie macht das prächtig. RedB

Artikel vom 15.07.2017
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