Falsche Polizisten verursachen Millionenschäden

So arbeiten die Betrüger

Die Täter suchen ihre Opfer nach Vornamen aus. Häufig sind es ältere Mitbürger, die sich vermeintlich leichter unter Druck setzen lassen.   Symbolfoto: gemeinfrei

Die Täter suchen ihre Opfer nach Vornamen aus. Häufig sind es ältere Mitbürger, die sich vermeintlich leichter unter Druck setzen lassen. Symbolfoto: gemeinfrei

München · Das Telefon klingelt. 110 zeigt das Telefondisplay. Die Polizei? Nein, es sind Betrüger, die sich als Polizisten ausgeben – und damit die Menschen um viel Geld bringen. In München geht der Schaden mittlerweile in die Millionen.

Sie arbeiten immer nach dem gleichen Muster: Von Callcentern aus dem Ausland wurden allein 2017 bis Anfang Juni 650 Münchner angerufen. Der Schaden? 1,5 Millionen Euro. Die Opfer? Oft ältere Menschen – nach typischen Vornamen zurückliegender Jahrzehnte ausgesucht aus dem Telefonbuch. Aber: »Nahezu jeder kann Opfer einen Telefonbetrügers werden«, sagt Uwe Dörnhöfer, Arbeitsgruppenleiter Phänomene-Betrug bei der Münchner Polizei. »Weil Trickbetrüger eine gewisse Menschenkenntnis besitzen und wissen, wo man ansetzen muss.« Ihr besonderer Kniff: Der Angerufene sieht auf seinem Display immer die Nummer 110. Eine Nummer die Vertrauen vermittelt, aber von der die Polizei niemals aus anrufen würde.

»Die Anrufer arbeiten mit Überrumplungstaktik, schüren Angst, gepaart mit einem immensen Druck, dem viele nicht gewachsen sind«. Es ist nicht einfach, schnell genug den Betrug zu durchschauen. Der Anrufer stellt sich ziemlich sicher als Polizeibeamter, gelegentlich auch als Bankmitarbeiter oder Staatsanwalt vor. Besonders beliebt ist aber die Rolle des Polizisten.

Der Klassiker: Der Anrufer berichtet von einem Einbruch in der Nachbarschaft – bei dem ein Teil der Täter gefasst werden konnte. Einer davon trug ein Notizbuch bei sich, in dem unter anderem auch der gerade Angerufene als geplantes Opfer stehe. Deshalb – so erklärt der Betrüger am Telefon – sei es wichtig, nun alle Wertgegenstände in Sicherheit zu bringen. Zur Polizei. Nur eben nicht auf das örtliche Polizeirevier, sondern am besten einem »Beamten«, der alles persönlich abhole.

Noch viel schwieriger zu durchschauen ist diese Methode: Der Betrüger gibt sich als Beamter des Bundeskriminalamts aus. Es bestehe ein Haftbefehl gegen den Angerufenen aus der Türkei. Er soll Teil eines Kinder-Porno-Rings sein. Lediglich die Hinterlegung einer Kaution könne die Auslieferung verhindern. Allein wegen des Themas Kinderpornografie ist oft die Scham so groß, dass das Opfer niemandem von dem Anruf erzählt und trotz Unschuld den Anweisungen der Täter folgt.

Die Masche hat Erfolg. »Dies zeigt sich auch in der Kriminalstatistik«, erklärt der Münchner Polizeivizepräsident Werner Feiler. Waren es 2015 noch 31 Delikte im Bereich des Polizeipräsidiums München, stieg die Zahl 2016 auf 365 Delikte. »Das ist eine Steigerung von über 1000 Prozent«, hebt Feiler hervor.

Damit die Telefonbetrüger künftig keine Chance mehr haben, hat die Polizei einen Drei-Punkte-Plan entwickelt:

• Flächendeckende Aufklärungs- und Präventionskampagnen, »um die gesamte Bevölkerung zu sensibilisieren«, sagt Polizeivizepräsident Feiler. Damit die Bürger wissen, was im Zweifelsfall zu tun ist, informieren Stände in ganz München, in Kurzclips im Fahrgastfernsehen in U- und Trambahn und spezielle Selbstbehauptungstrainings. Zudem wird es Schulungen für Pflegeheime und Bankmitarbeiter geben.

• Erfahrene Fachleute wurden in einer Arbeitsgruppe zusammengefasst und sind nur auf die Ermittlung und Strafverfolgung dieser so genannten Callcenter-Delikte spezialisiert. Leiter ist Erster Kriminalhauptkommissar Uwe Dörnhöfer, der bereits große Erfolge gegen die Enkeltrickbetrüger vorweisen kann.

• Verstärkte Zusammenarbeit mit Behörden im In- und Ausland. Zum Informationsaustausch, aber auch zur Strafverfolgung der aus dem Ausland agierenden Täter.

Was tun, wenn das Telefon klingelt und 110 auf dem Display steht?

• »Seien Sie misstrauisch!«, sagt Werner Feiler. »Gesundes Misstrauen ist nicht unhöflich.«

• Dringende Ermittlungen, Einbruch in der Nachbarschaft, Anklage aus dem Ausland? »Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen«, rät Feiler.

• Nichts übergeben! Die Polizei fordert nie Geld oder Wertgegenstände, um sie zu schützen oder Ermittlungen durchzuführen.

• Nicht die Wahlwiederholung drücken, sondern den Notruf »110« von Hand wählen und die Münchner Polizei schnell informieren.

Unterstützt wird die Kampagne von den Sicherheitsberatern der Stadt München, dem Münchner Sicherheitsforum e.V., der Landeshauptstadt München sowie den ehrenamtlichen Seniorinnen und Senioren der Münchner Initiative gegen Trickdiebstahl.

Artikel vom 26.06.2017
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