Aus der Stadt der kleinen Leute

Kunstprojekt »Dwelling Munich« im öffentlichen Raum zu sehen

Kleine Behausungen für kleine imaginäre Leute. Auch am Giesinger Bahnhof haben die »Dwellings« schon Station gemacht.	Foto: Kulturreferat München

Kleine Behausungen für kleine imaginäre Leute. Auch am Giesinger Bahnhof haben die »Dwellings« schon Station gemacht. Foto: Kulturreferat München

Hasenbergl · Die Stadt München hat den New Yorker Künstler Charles Simonds nach München eingeladen. Er realisiert von Mai bis Juli das Projekt »Dwelling Munich«. Bereits seit den 1970er Jahren baut er »Dwellings«, Behausungen für die imaginäre Bevölkerung der »Little People« in Städten auf der ganzen Welt.

Sie entstehen spontan und unangekündigt im öffentlichen Raum, in Nischen und Umbruchsituationen, überraschen aber auch in kommerziellen Schaufenstern, auf Mauervorsprüngen und auf Fenstersimsen. Bewusst schafft der Künstler seine Werke auf der Straße. Oft arbeitet Charles Simonds in Stadtvierteln, in denen eingewanderte Bevölkerungsgruppen ihr neues Zuhause gefunden haben. Denn die Idee der »Dwellings« handele nach Angaben des Kulturreferats gleichermaßen von den Themen »Zuhause«, »Verweilen« und »Bauen«. Die künstlerische Handlung sei daher Teil einer sozialen Strategie. Ziel sei es, die unterschiedliche Soziologie und Kultur des jeweiligen Ortes aufzunehmen, auch im persönlichen Kontakt mit den Menschen.

Mitmachen erwünscht

Wenn sich Charles Simonds einen ganzen Tag lang der Schaffung von Miniaturlandschaften aus verschiedenfarbigem Ton, winzigen Ziegeln, rotem Sand und Weidenstöckchen widmet, bleiben immer wieder Passanten stehen. Oft sind es Kinder, die neugierig nachfragen, was er tut oder ob sie sich spontan beteiligen können. Er lässt dies nicht nur zu, sondern hat für München die Kooperation mit Kindern, Jugendlichen und Studierenden zum Teil seines Konzepts gemacht. In Schwabing und in einem Workshop an der Technischen Universität sind bereits gemeinsame »Dwellings« entstanden. »Wenn Leute die ›Dwellings‹ sehen oder über sie nachdenken, empfinden sie oft eine gewisse Nostalgie für Orte, die sie in der Vergangenheit verlassen haben. Fragen nach dem Zuhause, der Heimat und emotionalen Verbindungen spielen eine Rolle«, beschreibt Simonds die Reaktionen auf seine Arbeiten. Ob im Stadtraum oder im Workshop: Es ergeben sich Gespräche, man verbringt Zeit miteinander und teilt sich den öffentlichen Raum. Die zeitlichen und räumlichen Aspekte spielen bei den »Dwellings« eine große Rolle. Sie handeln vom Werden und Vergehen, von Vergangen- heit und Zukunft, vom Bauen und Zerstören, von Fantasie und Realität, heißt es in der Pressemitteilung.

Die zufällige Entdeckung eines »Dwellings« ist für viele Menschen ein sehr persönlicher Moment. Wenn man kurze Zeit später zurückkehrt, kann es schon zerfallen, entfernt oder zerstört sein. Die »Little People«, die hier gewohnt haben könnten, sind weitergezogen, aber sie bleiben vielleicht Teil einer Erinnerung. Märchenfiguren, Wanderbevölkerung, Hausbesetzer – wer weiß das schon? »Habt ihr die ›Little People‹ gesehen?« »Seen any Little People? Tell them their homes are ready« – so titelte 1978 die Dayton Daily News in einem Artikel über Charles Simonds und verschränkte Fiktion und Nachrichten. Sie habe damit den fließenden Übergang zwischen Realität und Vorstellung in Simonds Werk und dessen Rezeption aufgegriffen, so das Kulturreferat. »Dwelling Munich« ist ein Projekt der Reihe »Kunst im öffentlichen Raum« der Landeshauptstadt München in Zusammenarbeit mit dem Kunstraum München, dem Lenbachhaus München, dem Lehrstuhl für Bildende Kunst Prof. Tina Haase an der Fakultät für Architektur der Technischen Universität München, der Münchner Stadtbibliothek Hasenbergl, dem Kulturzentrum Giesinger Bahnhof sowie der Willy-Brandt-Gesamtschule, dem Wittelsbacher Gymnasium und dem Gisela-Gymnasium. Der New Yorker Künstler Charles Simonds ließ es sich nicht nehmen, selbst zur Vorstellung seines Kunstprojekts am Dienstag, 30. Mai, ins Kulturzentrum 2411 zu kommen. Das Projekt »Dwelling Hasenbergl«, das durch ortsansässige Schülerinnen und Schüler realisiert wurde, ist in der dortigen Stadtbibliothek, Blodigstraße 4, bis Sonntag, 18. Juni, im Schaufenster zu sehen.

Zur Vita von Charles Simonds

Der Bildhauer Charles Simonds wurde 1945 in New York City geboren. Seit 1970 schuf er »Dwellings« in New York, Paris, Shanghai, Berlin, London, Dublin und anderen Städten. Simonds hatte Einzelausstellungen im Guggenheim Museum in New York, dem Jeu de Paume in Paris, La Caixa, Barcelona und am Institut Valencia d'Art Modern (IVAM). Seine Arbeiten sind in den Sammlungen vieler Museen vertreten, darunter das MoMA, Whitney und Guggenheim Museum in New York sowie das Centre Pompidou, Paris, das IVAM, Valencia, das Israel Museum, Jerusalem und das Kunsthaus Zürich.

Artikel vom 13.06.2017
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