Es gibt keine vernünftige Alternative zum Stadionstandort Fröttmaning

Fußball-WM ohne München?

Fröttmaning · Bei der Stadiondebatte hatte die eine Seite polemisiert, der Münchner Stadtrat wolle ‘Steuergelder verpulvern’, weil er doch tatsächlich Geld in den Umbau des Olympiastadions stecken möchte, statt einfach den Vereinen einen Neubau zu ermöglichen, ‘was keine müde Steuer-Mark kosten würde’.

Nachdem die Umbaupläne fürs Olympiastadion endgültig gescheitert sind und der Stadtrat fast einmütig grünes Licht für den Neubau auf der grünen Wiese in Fröttmaning gegeben hat, tönt es von der anderen Seite, hier würden Steuer-Milliarden für den Profi-Fußball ausgegeben, die man allesamt einsparen könnte, wenn man nur im Olympiastadion bliebe. Ratlos fragt sich der Steuerzahler, welche Darstellung denn nun richtig sei. Um es kurz zu machen: keine!

Für einen Verbleib des Fußballs im Olympiastadion hat es durchaus gute Gründe gegeben: Das weltberühmte Zeltdach hätte seine Bedeutung behalten und wäre auch in künftigen Jahrzehnten bei jedem bedeutsamen Spiel weltweit über den Bildschirm geflimmert; die gesamte Infrastruktur, vom U-Bahn-Anschluss bis zum Parkplatz, wäre schon vorhanden gewesen und hätte nicht erst mühsam geschaffen werden müssen.

Und vor allem hätte das Stadion einen optimalen Standort gehabt, inmitten des Olympiaparks mit gebührendem Abstand zu jedweder Wohnbebauung. Trotzdem wäre der Verbleib des Fußballs im Olympiastadion natürlich nicht zum Nulltarif zu haben gewesen! Schon der pure Umbau hätte mindestens 150 Millionen Mark gekostet, und bei Umbaumaßnahmen liegen die endgültigen Kosten bekanntlich sehr oft erheblich über den Prognosen. Das ist aber noch nicht alles!

Da sämtliche Busstellplätze am Ackermann-Bogen wegen der dortigen Bauvorhaben entfallen werden, hätte ein großes Parkhaus errichtet werden müssen, vermutlich auf der Parkharfe, die dadurch ihren Charakter als Bestandteil der Parklandschaft rund ums Stadion eingebüßt hätte. Und was hätte man für diese Investitionen bekommen?

Sicherlich die Erfüllung der formellen Mindestvoraussetzungen an ein WM-taugliches Stadion, das ist wahr. Aber keinerlei Garantie, auch tatsächlich bedeutsame WM-Spiele zu bekommen, ganz zu schweigen vom Eröffnungsspiel. Denn inzwischen gibt es mehrere Stadien in Deutschland, die dem Olympiastadion als Fußballstadion den Rang ablaufen.

Das ist einfach eine Tatsache, auch wenn es natürlich wahr ist und wahr bleibt, dass das Olympiastadion ein bedeutendes Architekturdenkmal des 20. Jahrhunderts ist und viele sportliche Triumphe der Münchner Vereine, vor allem des FC Bayern, erlebt hat. Dieses Stadion ist aber nun einmal ein Leichtathletik-Stadion und wird den heutigen Anforderungen an ein Fußballstadion nicht gerecht: Man ist als Zuschauer weit entfernt vom Geschehen auf dem Spielfeld und bei schlechtem Wetter auch unter dem Zeltdach dem Wind ausgesetzt.

Die Forderung nach einem zeitgemäßen Stadion wird deshalb keineswegs nur von anspruchsvollen Präsidenten erhoben, sondern von Zehntausenden Fans, die das Fußballspiel mitbekommen und nicht im Regen stehen gelassen werden wollen.

Die Kosten-Nutzen-Analyse stellt sich beim Umbau aus heutiger Sicht also wie folgt dar: Man würde 150 bis 200 Millionen Mark investieren und dafür nur die Überdachung der Gegentribüne bekommen, aber keinerlei Weltmeisterschaftsgarantie und schon überhaupt keine Dankbarkeit der Stadionnutzer. Dafür sind 200 Millionen Mark aus dem städtischen Haushalt wahrlich eine große Summe!

Da sich die Pläne für einen weitergehenden Umbau, der auch die Vereine und ihre Mitglieder zufrieden stellen könnte, definitiv zerschlagen haben, gibt es nur eine Alternative, wenn man der Fußball-Hochburg München nicht generell ein Fußballstadion modernen Typs vorenthalten möchte: Den Neubau am einzig denkbaren Standort Fröttmaning (alle anderen Standorte, die immer wieder in den Medien genannt wurden, mussten nach sorgfältiger Prüfung verworfen werden, und auch der Standort Fröttmaning mit seinen Naturschutzgebieten kommt rechtlich nur in Betracht, weil es nachweisbar keine andere Alternative für diese Infrastruktureinrichtung gibt).

Für die Kosten des Neubaus einschließlich der erforderlichen Parkhäuser kommen die Vereine beziehungsweise ihre gemeinsame Stadion-Gesellschaft selber auf. Eine Subventionierung des Stadionbaus erfolgt also ausdrücklich nicht. Für die Verkehrserschließung allerdings fallen unbestritten hohe Kosten an, die die Stadt gerne vermieden hätte (deshalb wurden ja so lange um den Verbleib im Olympiastadion gerungen). Die größten Brocken sind der Ausbau der Nürnberger Autobahn, der Autobahnanschluss zu den Parkflächen und der Ausbau der U-Bahn.

Natürlich werden diese Investitionskosten jetzt durch den Stadionneubau veranlasst. (Die Gesamtkosten werden auf knapp 400 Millionen Mark geschätzt.) Aber niemand soll glauben, dass der Ausbau der Nürnberger Autobahn ohne Stadion auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden könnte und dass eine Verkehrserschließung bei einer anderen Nutzung des Areals entbehrlich wäre (kleiner Hinweis an die Anlieger: Gewerbegebiete lösen ein tägliches Verkehrsaufkommen aus, Fuballstadien nur an den Tagen der Bundesliga-Spiele!).

Die knapp 400 Millionen Mark müssen im Übrigen nicht von den Münchner Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern allein aufgebracht werden: Von den zuwendungsfähigen Kosten des U-Bahnausbaus tragen Bund und Land 80 Prozent, von den Straßenbauprojekten nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz deutlich mehr als die Hälfte.

Natürlich sind auch diese Gelder Steuergelder. Trotzdem muss man sich fragen, warum ausgerechnet die Fußball-Hochburg München mit zwei Bundesliga-Vereinen auf die Verkehrserschließung eines zeitgemäßen Fußballstadions verzichten soll, obwohl dieser Standard in nahezu jeder Bundesliga-Stadt selbstverständlich ist.

Auch wenn man den Profi-Fußball als Wirtschaftsunternehmen sieht, kommt man nicht um die Feststellung herum: Es ist Sache der öffentlichen Hand, die erforderliche Infrastruktur zu schaffen, um das Verkehrsaufkommen zu bewältigen – auch wenn dieses Verkehrsaufkommen durch ein Wirtschaftsunternehmen ausgelöst wird. Wie schaut’s jetzt aus: Wird Steuergeld verschwendet oder nicht?

Die Antwort hängt davon ab, ob man der Fußball-Hochburg München ein modernes, wettbewerbsfähiges Fußballstadion zubilligt oder nicht. Wenn ja, sind die Aufwendungen unvermeidbar, wenn nein, muss man die ganze Wahrheit sagen, also den Münchner Fans noch Jahrzehnte ohne Wetterschutz ankündigen oder aber einen Umbau, der auch dreistellige Millionenbeträge kostet, aber niemanden zufrieden stellt (nicht mal die Denkmalschützer und Architekturliebhaber, denn auch die ‘kleine Lösung’ würde die Gestalt des Olympiastadions grundlegend verändern und dem weltberühmten Zeltdach ein Flachdach gegenüber stellen).

Auf lange Sicht geht es aber nicht nur um Kosten zu Lasten der öffentlichen Hand, sondern auch um Münchens Stellenwert als Fußballstadt, als Medienstadt, als Fremdenverkehrsort und ganz allgemein als Wirtschaftsstandort. Wer dies für übertrieben hält, muss sich klarmachen, dass München ohne attraktives Stadion nicht nur das Eröffnungsspiel verlieren würde, sondern auch die Chance, das Medienzentrum zu bekommen und damit wohl die wichtigste öffentlichkeitswirksame Erinrichtung des kommenden Jahrzehnts.“ N. F.

Artikel vom 17.10.2001
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